Neue Bedarfsplanungsrichtlinie und Neuerungen in der Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen - Was ändert sich?
Spätestens seitdem der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) mit Beschluss vom 6. September 2012 bislang nicht beplante Arztgruppen in die Bedarfsplanung aufgenommen und zeitgleich eine umfassende Neuregelung der ärztlichen Bedarfsplanung angekündigt hatte, herrschte viel Unsicherheit darüber, was da auf die niedergelassenen und niederlassungswilligen Ärzte wohl zukommen möge. Bereits frühzeitig war der 20.12.2012 als Schicksalsdatum bekannt gegeben und die neue Bedarfsplanungsrichtline erwartet worden. Nun liegt sie vor und kann im Internet (unter: http://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/4/) heruntergeladen und studiert werden. Nicht ganz einfach bei einem insgesamt 88 Seiten umfassenden Dokument. Wir haben uns die neue, zwischenzeitlich auch durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) abgesegnete und zum 01.01.2013 in Kraft getretene Richtlinie (https://www.bundesanzeiger.de/ebanzwww/wexsservlet?session.sessionid=0c2ec6cd35a73347f47c1321cb82479f&page.navid=detailsearchlisttodetailsearchdetail&fts_search_list.selected=25aae745e269d2c4&fts_search_list.destHistoryId=52825) angesehen und analysiert.
Gleichsam sind zum 01.01.2013 umfassende Neuregelungen in Bezug auf das Nachbesetzungsverfahren in gesperrten Gebieten in Kraft getreten, die das Nachbesetzungsverfahren bei festgestellter Überversorgung erheblich modifizieren und zum Nachteil des Abgabewilligen und/oder seiner Erben erschweren können.
A. Die neue Bedarfsplanungsrichtlinie 2013
I. Erweiterte Zwecksetzung
Die erste entscheidende Neuregelung der Bedarfsplanungsrichtline findet sich gleich zu Anfang in § 1. Unter der amtlichen Überschrift „Zweck und Regelungsbereich" werden die mit der Bedarfsplanung verfolgten Ziele umschrieben. Dabei geht der GBA hier teilweise neue Wege und fasst die Aufgaben der Bedarfsplanung weiter. So regelt die Richtlinie in Umsetzung des zum 01.01.2012 neu in Kraft getretenen § 99 Abs. 1 S. 3 SGB V zukünftig auch, wann und unter welchen Voraussetzungen auf Grund regionaler Besonderheiten, bei der Aufstellung der Bedarfspläne der einzelnen KVen von der Bedarfsplanungsrichtlinie abgewichen werden darf (§ 1 Abs. 2 Nr. 2). Waren Sonderbedarfszulassung bislang (nach der Richtlinie) nur qualifikationsbezogen festzustellen, sollen zukünftig zudem auch lokale Besonderheiten in die Feststellung einfließen (§ 1 Abs. 2 Nr. 4). Ebenso berücksichtigt ist die Möglichkeit der Festlegung eines zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs in nicht unterversorgten Planungsbereichen und die damit verbundene Möglichkeit der Normierung von Ausnahmen bei Zulassungsbeschränkungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 in Umsetzung des § 101 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3a SGB V).
II. Regionale Besonderheiten
Zukünftig soll von den Grundsätzen der Bedarfsplanungsrichtline abgewichen werden können, wenn und soweit regionale Besonderheiten dies für eine bedarfsgerechte Versorgung erfordern (§ 2). Regionale Besonderheiten sollen sich dabei aus der regionalen Demografie (z. B. ein über- oder unterdurchschnittlicher Anteil von Kindern oder älteren Menschen), der regionale Morbidität (z. B. auffällige Prävalenz- oder Inzidenzraten), sozioökonomischen Faktoren (z. B. Einkommensarmut, Arbeitslosigkeit und Pflegebedarf), räumlichen Faktoren (z. B. Erreichbarkeit, Entfernung, geographische Phänomene wie Gebirgszüge oder Flüsse, Randlagen, Inseln oder eine besondere Verteilung von Wohn- und Industriegebieten) sowie infrastrukturellen Besonderheiten (u.a. Verkehrsanbindung, Sprechstundenzeiten/ Arbeitszeiten und Versorgungsschwerpunkte des Vertragsarztes, Barrierefreiheit, Zugang zu Versorgungsangeboten angrenzender Planungsbereiche unter Berücksichtigung von Über- und Unterversorgung und anderer Sektoren, z.B. in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen etc.) ergeben. Welche weiteren Anforderungen sich künftig an die Feststellung eines zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs in nicht unterversorgten Planungsbereichen bzw. eines zusätzlichen lokalen und qualifikationsbezogene Sonderbedarfs stellen, bleibt bis zum 30.04.2013 offen; bis zu diesem Zeitpunkt gelten die mit Beschluss vom 06. September 2012 eingeführten Regelungen zunächst fort (vgl. § 35 und vor § 36). Obgleich die in § 2 neu gefasste Konkretisierung des Vorgaben des § 99 Abs. 1 S. 3 SGB V augenscheinlich „nur" die Bedarfsplanung innerhalb der KVen betrifft, bleibt jedoch zu hoffen, dass die hier normierten Kriterien auch für die zukünftige Beurteilung etwaiger Sonderbedarfszulassungen heranzuziehen sein werden, die sich - faktisch gesehen - als einzelfallbezogene „regionale Besonderheiten" darstellen. Wie auch für die KV-Planung wird daher auch im Bereich der Beantragung von Sonderbedarfszulassungen künftig nicht allein auf das aktuelle Versorgungsangebot mit einem weiten Beurteilungsspielraum der Zulassungsausschüsse abzustellen sein, sondern werden auch die (bislang eher vernachlässigten) Gesichtspunkte der Demografie und Morbidität sowie sozioökonomischen und räumlichen Faktoren und infrastrukturellen Besonderheiten bei der Beurteilung des Bestehens eines Sonderbedarfs Berücksichtigung finden müssen. Innerhalb der neuen Bedarfsplanung haben diese Besonderheiten so denn beispielsweise in § 4 Abs. 1 ihren Niederschlag gefunden, nach dem die Belange behinderter Menschen (Barrierefreiheit) bei der Entscheidung über Neuzulassungen besonders zu beachten sind.
III. Neue Versorgungsebenen und Verhältniszahlen
War bislang nur zwischen der allgemeinärztlichen und der fachärztlichen Versorgung unterschieden worden, geht das neue Regelungsgefüge von insgesamt vier sog Versorgungsebenen aus. Neben die allgemeine hausärztliche (§ 11) und fachärztliche (§ 12) Versorgung treten zukünftig die spezialisierte fachärztliche Versorgung (§ 13) und die gesonderte fachärztliche Versorgung (§ 14).
Unter die neuen Versorgungsebenen fallen Anästhesisten, Fachinternisten (fachärztlich tätig), Kinder- und Jugendpsychiater, Radiologen (spezialisierte fachärztliche Versorgung) sowie Humangenetiker, Laborärzte, Neurochirurgen, Nuklearmediziner, Pathologen, Physikalische- und Rehabilitations-Mediziner, Strahlentherapeuten und Transfusionsmediziner (gesonderte fachärztliche Versorgung).
Für die Gruppe der Hausärzte wir die Verhältniszahl (mit Ausnahme der Region des Ruhrgebietes) einheitlich auf 1:1.671 festgelegt. Für die (neu) beplanten Arztgruppen der gesonderten fachärztlichen Versorgung reicht sie von 1: 102.001 (Labormediziner) bis 1: 1.322.452 (Transfusionsmediziner). Die Allgemeinen Verhältniszahlen werden mit einem Demografiefaktor modifiziert, der sich aus Altersfaktoren und Leistungsbedarfsfaktoren berechnet.
Das Ruhrgebiet wird als Region gesondert beplant. Diese Region umfasst die Städte Bochum, Stadt; Bottrop, Stadt; Dortmund, Stadt; Duisburg, Stadt; Ennepe-Ruhr-Kreis; Essen, Stadt; Gelsenkirchen, Stadt; Hagen, Stadt; Hamm, Stadt; Herne, Stadt; Mülheim an der Ruhr, Stadt; Oberhausen, Stadt; Recklinghausen; Unna; Wesel. Für diese Region gelten nachfolgende Verhältniszahlen:
- Hausärzte 1:2.134
- Augenärzte 1:20.440
- Chirurgen 1:34.591
- Frauenärzte 1:5.555
- HNO-Ärzte 1:25.334
- Hautärzte 1:35.736
- Kinderärzte 1:3.527
- Nervenärzte 1:31.373
- Orthopäden 1:22.578
- Psychotherapeuten 1:8.743
- Urologen 1:37.215
- Anästhesisten 1:58.218
- Fachärztlich tätige Internisten 1:24.396
- Radiologen 1:51.392
IV. Nachbesetzung von Facharztsitzen
Im Falle der Praxisnachfolge gilt, dass die Praxis weithin auch für Ärzte ausgeschrieben werden kann, welche ganz oder teilweise in einem Fachgebiet tätig sind, welches mit dem alten Fachgebiet übereinstimmt. Bei der Nachbesetzung soll zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Versorgung jedoch auf eine ausgewogene Verteilung der von dieser Regelung betroffenen Fachgebiete gesichert sein (§ 16). Dies ist vor allem für die Gruppe der fachärztlich tätigen Internisten von Bedeutung, da die Schwerpunktbezeichnung zukünftig eine größere Rolle spielen wird, als bislang. War die „Umwandlung" eines fachärztlich-internistischen Sitzes auf andere Schwerpunktbereiche bislang grundsätzlich ohne weiteres möglich, wird dies zukünftig (wohl) nicht mehr so einfach der Fall sein.
V. Umsetzungsfristen
Die Umsetzung der Bedarfsplanungsrichtlinie in den Landesausschüssen soll bis spätestens zum 30. Juni 2013 erfolgen.
B. Neuerungen im Nachbesetzungsverfahren, § 103 Abs. 3a, 4 SGB V
I. Bisherige Rechtslage
Bis zum 01.01.2013 wurde das Nachbesetzungsverfahren über einen entsprechenden Antrag auf Ausschreibung des Versorgungsauftrages eingeleitet. Gem. § 103 Abs. 4 SGB V a.F. hatte die Kassenärztliche Vereinigung bei Endigung der Zulassung - bspw. durch Erreichen der Altersgrenze, Tod, Verzicht oder Entziehung - auf Antrag des Vertragsarztes den Vertragsarztsitz unverzüglich in ihren für amtliche Bekanntmachung vorgesehenen Blättern auszuschreiben. Der durch das GKV-OrgWG zum 01.01.2009 eingefügte § 4 Abs. 4 S. 2 SGB V stellte dabei klar, dass dies auch bei hälftigem Verzicht der Zulassung galt. Dabei gabt schon der Wortlaut der Norm vor, dass es sich hierbei nicht um eine Ermessensentscheidung der Behörde handelte. Vielmehr hatte die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag eine entsprechende Ausschreibung vorzunehmen (so auch Hess, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 74. EL 2012 § 103 SGB V, Rn. 22; Steinmeyer/Altmiks, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 1. Aufl. 2012, § 103 SGB V Rn. 14; Neumann, in: BeckOK SGB V, Std. 01.03.2011, § 103, Rn. 7; Murawski, in: Hänlein/Kruse/Schuler, Sozialgesetzbuch V, 4. Aufl. 2012, § 103 SGB V, Rn. 10; Sproll, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 78. EL 2012, § 103 SGB V, Rn. 8). Voraussetzung war nur, dass eine nicht nur formal bestehende kassenärztliche Zulassung besteht, sondern eine tatsächlich existierende und betriebene Kassenpraxis (vgl. nur Hess, a.a.O. Rn. 22; so auch Neumann, a.a.O., Rn. 8). Dafür sollte erforderlich - aber auch ausreichend sein -, dass der (hälftig) ausscheidende Vertragsarzt seiner Zulassung tatsächlich unter einer bestimmten Anschrift in nennenswertem Umfang nachgegangen ist. Hierfür war insbesondere der Besitz bzw. Mitbesitz von Praxisräumen, die Ankündigung von Sprechzeiten, die tatsächliche Entfaltung einer ärztlichen Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen sowie das Bestehen der für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit im jeweiligen Fachgebiet erforderlichen Praxisinfrastruktur in apparativ-technischer Hinsicht vorausgesetzt (Steinmeyer/Altmiks, a.a.O. Rn. 12). Eine Ablehnung der Ausschreibung kam daher nur in engen Ausnahmefällen theoretisch in Betracht; in der Praxis wurde sie nahezu gänzlich unberücksichtigt gelassen.
II. Neue Rechtslage - Ausschreibung von Genehmigung des Zulassungsausschusses abhängig
Seit 01.01.2013 ist hier eine Neuerung in Kraft getreten und die Zuständigkeit des Zulassungsausschusses bereits auf die Einleitung des Ausschreibungsverfahrens vorverlagert worden. Mit Einführung des neuen § 103 Abs. 3a SGB V gilt nunmehr folgendes:Wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, durch Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, entscheidet der Zulassungsausschuss auf Antrag des Vertragsarztes oder seiner zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben, ob ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt werden soll. Satz 1 gilt auch bei hälftigem Verzicht oder bei hälftiger Entziehung. Der Zulassungsausschuss kann den Antrag zukünftig ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Hat der Zulassungsausschuss den Antrag abgelehnt, hat die Kassenärztliche Vereinigung dem Vertragsarzt oder seinen zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu zahlen. Einzige Ausnahme, die Praxis soll durch einen Ehegatten, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes und/oder einen angestellten Arzt des bisherigen Vertragsarztes und/oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde fortgeführt werden. Ziel auch des nunmehr vorgesehenen Verfahrens ist es, in gesperrten Planungsbereichen Überversorgung abzubauen und dadurch langfristig eine ausgewogenere räumliche Verteilung von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten zu erreichen und die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern. Die Neuregelung ergänzt die in § 105 Absatz 3 vorgesehene Möglichkeit, den freiwilligen Verzicht eines Vertragsarztes auf seine Zulassung finanziell zu fördern.
III. Nur eingeschränkter (vermögensrechtlicher) Bestandsschutz
Mit der Neuregelung beschränkt sich der Bestandsschutz vertragsärztlicher Praxen zukünftig auf die vermögensrechtliche Komponente, die sich allein am Maßstab des Verkehrswertes der Praxis bestimmt. Damit kann jedoch gleichsam eine erhebliche Vermögenseinbuße verbunden sein, denn die Verkehrswertbestimmung ist keinesfalls objektiv und fest verankert, sondern von zahlreichen Komponenten abhängig, die sich sowohl zu Gunsten, als auch zu Lasten des abgebenden Arztes auswirken können. Welche Methode zur Bestimmung des von der KV auszugleichenden Verkehrswertes anzusetzen ist, wird im Gesetz hingegen nicht festgelegt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass der Begriff des „Verkehrswerts" die unterschiedlichsten Berechnungsweisen zulässt und den verschiedensten Sachverhalten, Annahmen und Prognosen Tür und Tor öffnet und sich rechtlich in hohem Maße als unbestimmt und auslegungsbedürftig erweist.
Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. Urt. v. 23.6.2010 - B 6 KA 22/09 R Juris Rn 15), bei Anwendung und Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen den Anwendern einen Beurteilungsspielraum einzuräumen. Die KVen könnten den Verkehrswert daher anhand von ihnen zu ermittelnder und weitgehend autonom festzusetzender sachlicher Kriterien aufgrund eigener Fachkunde bestimmen. Die gerichtliche Prüfung derartiger aufgrund eines Beurteilungsspielraums getroffener Entscheidungen hätte sich darauf zu beschränken, ob der Behörde bei ihrer Entscheidung Verfahrensfehler unterlaufen sind, ob sie sachfremde Erwägungen angestellt, ihrer Entscheidung einen unzutreffenden oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt oder gegen Denkgesetze verstoßen hat. Ein derartig weitrechender Beurteilungsspielraum der KVen bei der Bestimmung des objektiven Verkehrswertes einer nicht ausschreibungsfähigen (oder -würdigen) Praxis könnte mit Blick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG gleichwohl auf Bedenken stoßen. Gegenstand des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, welcher sich bei einer Arztpraxis als die Sach- und Rechtsgesamtheit aller sachlichen, persönlichen und sonstigen Mittel in allen ihren Erscheinungsformen und Ausstrahlungen darstellt, die zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Organismus zusammengefasst sind. Geschützt wird der sich hieraus ergebende Mehrwert, der den Wert der einzelnen Wirtschaftsgüter übersteigt, und dessen wirtschaftliche Verwertung durch Veräußerung der Praxis. Die Zulassung allein ist jedoch nicht übertragbar und daher vom Schutzbereich des Art. 14 GG nicht umfasst, da es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Rechtsposition handelt, die auf Eigenleistungen des Berechtigten beruht. Wenn also mit einer fehlerhaften Berechnung durch die KVen eine Verschiebung von Vermögenswerten einherginge, begründete dies u.U. die Notwendigkeit einer vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit; dies vor allem deshalb, weil dem abgabewilligen Arzt keine andere Möglichkeit offen stünde, seine Verwertungsinteressen wahrzunehmen. Dies wird in der Praxis sicherlich zu erheblichen Problemen führen, ist doch davon auszugehen, dass sich die Vorstellungen der KVen über den angemessenen Verkehrswert und die die Vorstellungen des Abgebers diametral entgegenstehen. Hinzu kommt, dass die KV - es geht schließlich „nur" um den vertragsärztlichen Teil der Praxis - dazu geneigt sein könnte, auch nur den Verkehrswert der vertragsärztlichen Praxis zu bestimmen und die privatärztliche Tätigkeit „herauszurechenen". Obgleich die vertragsärztliche Tätigkeit von der privatärztlichen zu unterscheiden ist, führte eine derartige Vorgehensweise sicherlich zu erheblichen Problemen, da die Praxis in aller Regel als „Einheit" gesehen und veräußert wird. Wie die KVen für den Fall der Ablehnung in Zukunft vorgehen werden, bleibt daher abzuwarten; in jedem Fall ist jedem betroffenen Arzt die Hinzuziehung fachlich versierter Berater dringen zu empfehlen.
IV. Keine konkreten Anforderungen an die „Ausschreibungsfähigkeit"
Welche Grundsätze für die Entscheidung des Zulassungsauschusses, ob er eine Ausschreibung ablehnt oder nicht, gelten, erklärt das Gesetz nicht. Die Entscheidung soll vielmehr im (pflichtgemäßen) Ermessen des Zulassungsausschusses stehen und wäre damit gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Gleichwohl soll der Zulassungsausschuss im Rahmen seiner Prüfung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben. Hat er z. B. darüber zu entscheiden, ob ein Vertragsarztsitz innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft nachbesetzt werden soll, seien auch die Auswirkungen seiner Entscheidung auf die Berufsausübungsgemeinschaft zu berücksichtigen. Weitergehende Kriterien sind nicht festgeschrieben. Allein auf das Vorliegen von Überversorgung abzustellen griffe jedoch zu kurz, gleichwohl zu kurz. Hiernach wäre ein Ausschreibungsantrag nämlich bereits dann zurückzuweisen, wenn ein Vergleich zwischen der für den Planungsbereich maßgeblichen Allgemeinen Verhältniszahl für die Arztgruppe und der für den Planungsbereich ermittelten lokalen Verhältniszahl eine Überschreitung von 10 v. H. (die lokale Arzt/Einwohnerrelation übersteigt um 10 Prozent die allgemeine Arzt/Einwohnerrelation) ergäbe (§ 24 der Bedarfsplanungsrichtlinie). Vielmehr erscheint hier ein Rückgriff auf die zur Feststellung regionaler Besonderheiten in § 2 der Bedarfsplanungsrichtlinie (hierzu oben unter A. II) sinnvoll. Demnach wären bei der Beurteilung (neben der Verhältniszahl) auch die demografische Patientenstruktur, die Morbidität der Patienten, sozioökonomische, räumliche und infrastrukturelle Faktoren des Praxisstandortes des auszuschreibenden Praxissitzes durch den Zulassungsausschuss zu berücksichtigen. Wie sich die Entscheidungspraxis der Zulassungsgremien entwickeln wird, bliebt gleichwohl abzuwarten.
Der Zulassungsausschuss kann die Ausschreibungsfähigkeit - abweichend von § 96 Abs. 2 S. 6 SGB V - jedoch nur mit Stimmenmehrheit ablehnen.
V. Handlungsoptionen
Die geänderte Rechtslage zum 01.01.2013 und die in § 103 Abs. 3a SGB V aufgenommene Privilegierung von Familienangehörigen, angestellten Ärzten und Praxisgemeinschaftspartnern macht ein Umdenken in der Ausschreibungspraxis notwendig. So wird es zukünftig - um eine Ablehnung der Ausschreibung durch den Zulassungsausschuss auszuschließen - unumgänglich sein, den potentiellen Nachfolger zunächst als angestellten Arzt oder im Jobsharing als Berufsausübungspartner in die Praxistätigkeit einzubinden. Bei bestehenden Berufsausübungsgemeinschaften bietet sich dieses Vorgehen ebenso an. Alternativ kann der ausscheidende Partner zunächst als Angestellter tätig werden; danach kann wird die Arztstelle mit dem Nachfolger besetzt und dann die Zulassung beantragt, für die § 103Abs.3a SGB V nicht gilt.
Weiterhin empfiehlt es sich zukünftig, den Ausschreibungsantrag unter der Bedingung der Genehmigung der Ausschreibung durch den Zulassungsausschuss zu stellen. Für den Fall der ablehnenden Entscheidung kann der Antrag zurückgenommen und auf eines der vorbeschriebenen Verfahren zurückgegriffen werden.
Dr. Robert Kazemi