Europäischer Generalanwalt für mehr Kundenorientierung – Öffentliche WLAN-Hotspots und Kunden-Hotspots sollen nicht für über den Anschluss begangene Rechtsverletzungen haften
Nach Ansicht des Generalanwaltes beim Europäischen Gerichtshof ist der Betreiber eines Geschäfts, einer Bar oder eines Hotels, der der Öffentlichkeit ein WLAN-Netz kostenlos zur Verfügung stellt, für Urheberrechtsverletzungen eines Nutzers nicht verantwortlich. Diese klare Stellungnahme des Generalanwaltes bringt endlich Klarheit in ein bislang zumindest im Graubereich befindliches Gebiet. So hatte jedenfalls die deutsche Rechtsprechung stets zumindest eine sog. Störerverantwortlichkeit des WLAN-Betreibers angenommen, die dazu führte, dass dieser jedenfalls abgemahnt und auf Unterlassung in Anspruch genommen werden konnte.
Dem erteilt der Generalanwalt nunmehr eine klare Absage. In der Pressemitteilung heißt es:
„Die Haftung von Vermittlern, die Dienste der reinen Durchleitung (mere conduit) von Daten anbieten, für eine von einem Dritten begangene rechtswidrige Handlung wird durch die Richtlinie beschränkt. Diese Haftungsbeschränkung greift, wenn drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Der Anbieter von Diensten hat die Übermittlung nicht veranlasst. 2. Er hat den Adressaten der Übertragung nicht ausgewählt. 3. Er hat die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert. […] In seinen Schlussanträgen vertritt Generalanwalt Szpunar die Auffassung, dass diese Haftungsbeschränkung auch für eine Person […] gilt, die als Nebentätigkeit zu ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit ein WLAN-Netz betreibt, das der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung steht. Nach Ansicht des Generalanwalts ist es nicht erforderlich, dass diese Person gegenüber der Öffentlichkeit als Anbieter von Diensten auftritt oder für ihre Tätigkeit bei potenziellen Kunden ausdrücklich Werbung macht.“
Der Generalanwalt geht sogar noch weiter und fordert nicht einmal die besondere Sicherung des WLAN-Netzes an sich. „Die Auferlegung der Verpflichtung, den Zugang zum WLAN-Netz zu sichern, als ein Weg, Urheberrechte im Internet zu schützen, würde dem Erfordernis zuwiderlaufen, zwischen dem Recht des geistigen Eigentums, das die Inhaber von Urheberrechten genießen, und der unternehmerischen Freiheit der betroffenen Diensteanbieter ein angemessenes Gleichgewicht herzustellen. Außerdem würde diese Maßnahme durch die Beschränkung des Zugangs auf rechtmäßige Kommunikation das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit einschränken. Umfassender betrachtet könnte eine Verallgemeinerung der Verpflichtung, WLAN-Netze zum Schutz von Urheberrechten im Internet zu sichern, für die Gesellschaft insgesamt von Nachteil sein, und dieser Nachteil könnte den möglichen Vorteil für die Inhaber dieser Rechte überwiegen.“, heißt es in der Pressemitteilung vom 16.03.2016 (PRESSEMITTEILUNG Nr. 28/16).
Bewertung und Einordnung der Schlussanträge:
Die ausführlich und gut begründeten Schlussanträge des Generalanwaltes überzeugen sowohl inhaltlich, als auch vom Ergebnis her. Insbesondere Anbieter von kostenlosen Kunden-Hotspots dürfte dies freuen, denn sie würden für den Fall, dass sich der Generalanwalt mit seiner Rechtsauffassung beim Europäischen Gerichtshof durchsetzt, nicht mehr vom Damoklesschwert der Abmahnung begleitet. Leider, so möchte man einmal mehr sagen, ist die Auffassung des Generalanwaltes für den schlussendlich entscheidenden Europäischen Gerichtshof nicht bindend. Im System der europäischen Rechtsprechung gilt der Generalanwalt vielmehr eher als „Berater“, dessen Rechtsauffassung das Gericht folgen kann, aber eben nicht muss. Tatsächlich zeigt sich in der Rechtsprechung des EuGH jedoch eine gewisse Verlässlichkeit dahingehend, dass der Gerichtshof der Ansicht seines Generalanwaltes folgt und im Sinne seiner Schlussanträge entscheidet. Es bleibt zu hoffen, dass dem auch in diesem Fall so ist. Denjenigen, die sich aktuell einer Abmahnung gegenübersehen, ist jedenfalls zu empfehlen, sich auf das laufende EuGH-Verfahren in der Rechtssache C-484/14 zu berufen und dies für den Fall der gerichtlichen oder auch außergerichtlichen Inanspruchnahme ins Feld zu führen. Zumindest eine Aussetzung eines anhängigen Verfahrens sollte vor dem Hintergrund der doch eindeutigen Stellungnahme des Generalanwaltes möglich erscheinen.
Dr. Robert Kazemi