21
Mär 2013

Abmahn-Tsunami überrollt Shop-Betreiber - Order Online USA auf „Kundenfang“

In den letzten zwei Tagen wird der Unterzeichner vermehrt mit Abmahnungen der Firma Order Online USA Inc. konfrontiert, die offenbar in großen Stil und mit Unterstützung der Kanzlei Bode & Partner aus Hamburg Shop-Betreiber unterschiedlicher Branchen wegen vermeintlicher Wettbewerbsverstöße abmahnt. In allen Fällen geht es um den gleichen Vorwurf, nämlich eine ungenügende Umsetzung der Informationspflichten nach § 312g BGB. Die Vorschrift wird auch als „Button"-Lösung bezeichnet, beinhaltet aber einige weitere Verpflichtungen, die - dies zeigt die Abmahnwelle - trotz Inkrafttreten vor gut einem halben Jahr noch nicht gänzlich umgesetzt wurden. Obgleich die Regelungen in der Zielvorstellung des Gesetzgebers lediglich dem Schutz vor Kostenfallen im Internet dienen sollten, sind sie für ALLE Online-Händler im b2c-Bereich verbindlich. Nach den Regelungen in § 312g BGB müssen Verbraucher künftig gesondert unterrichten über:

  • Die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung.
  • Die Mindestlaufzeit des Vertrags, wenn dieser eine dauernde oder regelmäßig wiederkehrende Leistung zum Inhalt hat.
  • Den Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung einschließlich aller damit verbundenen Preisbestandteile sowie alle über den Unternehmer abgeführten Steuern oder, wenn kein genauer Preis angegeben werden kann, seine Berechnungsgrundlage, die dem Verbraucher eine Überprüfung des Preises ermöglicht.
  • Gegebenenfalls zusätzlich anfallende Liefer- und Versandkosten sowie einen Hinweis auf mögliche weitere Steuern oder Kosten, die nicht über den Unternehmer abgeführt oder von ihm in Rechnung gestellt werden.

Die Informationen müssen dem Verbraucher unmittelbar bevor dieser seine Bestellung abgibt vermittelt werden. Dies ist der Zeitpunkt, in welchem der Kunde seine auf den Abschluss eines Vertrags gerichtete Willenserklärung abgibt, also etwa sein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags durch Durchführen des letzten Bestellschritts erklärt.  Es besteht damit die Gefahr, dass  die Informationen sowohl „zu früh" als auch „zu spät" zur Verfügung gestellt werden. Um den richtigen Zeitpunkt zu wahren bietet sich daher an, die oben genannten Informationen in einem räumlichen Zusammenhang mit der finalen Schaltfläche darzustellen, mittels derer der Verbraucher seine Bestellung auslöst. Die Informationen sind klar, verständlich und in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen. Informationen müssen sich unübersehbar vom übrigen Text und sonstigen Gestaltungselementen der Webseite abheben müssen. Die Informationen dürfen nicht im Gesamtlayout „untergehen". Schriftgröße, Schriftfarbe und Schriftart der Informationen sind so zu wählen, dass diese klar und auf den ersten Blick als solche erkennbar sind und sich von sonstigen Seiteninhalten deutlich abheben. Der Bestellablauf ist so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, sich zu einer Zahlung zu verpflichten. Bedient sich der Unternehmer bei der Gestaltung des Bestellablaufs einer Schaltfläche (was der Regelfall sein dürfte), so muss diese Schaltfläche in ganz bestimmter Weise beschriftet sein. Die Schaltfläche ist „mit nichts anderem" als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen" zu beschriften. Formulierungen wie „Sofort Kaufen"; „Kostenpflichtig bestellen"; „Jetzt kostenpflichtig Buchen" dürften jedoch ebenso gesetzeskonform sein. Nicht ausreichend sind hingegen Formulierungen wie „Jetzt bestellen" , „Bestellung abschicken", „Weiter" oder „Abschließen". Erfüllt der Unternehmer die Pflichten des neugefassten § 312g Absatz 3 BGB nicht, kommt mit dem Verbraucher kein Vertrag zustande.

Nach den hier vorliegenden Informationen ist davon auszugehen, dass die Firma Order Online USA Inc. unmittelbar mit Inkrafttreten der Gesetzesnovelle mit der systematischen Suche nach Verstößen begonnen und diese jedenfalls seit Anfang November 2012 gesammelt hat. Einige der hier - und auch von anderen Kollegen - dokumentierte vermeintliche Verstöße datieren jedenfalls aus diesem Zeitraum. Damit jedoch dürfte die Gefahr der Inanspruchnahme mittels Einstweiliger Verfügung eher gering ausfallen. Die Rechtsprechungspraxis der deutschen Wettbewerbskammern und -senate geht hier einhellig von einem Wegfall der Dringlichkeitsvermutung in einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen ab Kenntnis vom Rechtsverstoß beim Anspruchsteller aus; diese Frist dürfte Mitte März 2013 jedenfalls seit Langem verstrichen sein. Die Sammelleidenschaft der Order Online USA Inc. bzw. Ihrer Anwälte dürfte sich in diesem Punkt jedenfalls negativ auswirken.

Doch auch in der Sache erscheinen die Abmahnungen aus verschiedenen Gründen unberechtigt, weswegen dringend davon abgeraten wird, auf die mit der Abmahnung übermittelten Angebote ungeprüft einzugehen. Zum einen fragt sich bereits, ob die Firma Order Online USA Inc. überhaupt und wie behauptet in Deutschland Geschäfte betreibt. Jedenfalls die angegebenen Referenzseiten „usaproductsshop.com" und „shopnavigation.com" und „TV24Store.com" lassen dies nicht vermuten. Die Abmahnung erscheint darüber hinaus auch rechtsmissbräuchlich. Zum Rechtsmissbrauch bei Abmahnungen hat der BGH mit Urteil vom 15.12.2011 (Az.: I ZR 174/10) erst ausführlich Stellung genommen (hierzu: Kazemi, unter: http://medi-ip.de/bgh-zur-frage-der-missbraeuchlichkeit-von-abmahnungen-ae-endlich-entscheidet-das-oberste-zivilgerich/id_1343675043). Nach Ansicht des obersten deutschen Zivilgerichts soll ein rechtsmissbräuchliches Verhalten dann vorliegen, wenn sachfremde Ziele die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung darstellten. Dabei sei vor allem das Verhalten des Gläubigers sowie die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes aber auch das Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß zu beachten. Der BGH sah einen „deutlichen Hinweis" darauf, dass die Generierung von Zahlungsansprüchen für die Anspruchsstellerin im Vordergrund stand, darin, dass im vorliegenden Fall die Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung, unabhängig von einem Verschulden entrichtet werden sollte. Dabei sei diese Vereinbarung auch so in den Unterlassungstext eingefügt worden, dass dieser bei flüchtigem lesen, leicht übersehen werden konnte. Das Gericht hat hier - zu Recht - dargelegt, dass das Fehlen einer Exkulpationsmöglichkeit nicht nur zu einer Haftungsverschärfung, sondern ggf. zu einer Haftungsfalle für den Abgemahnten führen könne. So legte das Gericht dar, dass Unterlassungserklärungen bei Urheberverstößen, gerade im Bezug zum Internet, von den Betroffenen sehr häufig bereits dann schon abgegeben werden, wenn noch nicht alle gerügten Inhalte aus dem Internet entfernt worden sind, um einer etwaigen Haftung zu entgehen. Gerade kleinere und unerfahrenere Händler wären darüber hinaus häufig gar nicht in der Lage ohne Hilfe eines Dritten unmittelbar bestimmte Inhalte aus dem Internet zu entfernen. Vor diesem Hintergrund könnte diese sich aber bereits einer Vertragsstrafe ausgesetzt sehen; dies sei so nicht sachgerecht. Darüber hinaus rügte der BGH, dass aufgrund der äußeren Gestaltung des Abmahnschreibens der unzutreffende Eindruck erweckt werde, Unterwerfungserklärung und Kostenerstattung gehörten zusammen. Beide würden bei der Frage der Fristverlängerung miteinander verquickt, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund bestehe. Es sei zu beachten, dass bei Unterlassungserklärungen eine Fristverlängerung wegen der Dringlichkeit von vornherein grds. nicht in Betracht komme, für die Kostenerstattung gelte dies aber nicht. Gerade auch die grafische Hervorhebung der zu zahlenden Gebühren durch Großschrift und Unterstreichungen, erwecke bei dem Abgemahnte den Eindruck, er könne einer gerichtlichen Auseinandersetzung neben der Abgabe der Unterlassungserklärung nur durch Zahlung der Anwaltskosten entgehen. Durchaus entscheidend hat der BGH auch ganz klar festgestellt, dass es für die Frage des Rechtsmissbrauchs von Abmahnungen nicht entscheidend darauf ankomme, dass diese in systematischer - und damit in erheblicher Stückzahl - ausgesprochen werden. Zwar könnte in dem systematischen Vorgehen durchaus ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liegen, eine Voraussetzung hierfür sei dies aber zu Recht nicht. Bereits bei einer geringen Anzahl oder aber auch schon bei einer einzigen Abmahnung, könne von einem Rechtsmissbrauch ausgegangen werden, wenn hinreichende Anhaltspunkte für sachfremde Motive vorlägen.

Abmahnopfern ist daher dringen anzuraten, sich anwaltlichen Rat einzuholen und nicht einfach die pauschalen „Schadenersatzsummen" zu bezahlen.

Dr. Robert Kazemi

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