AG Saarbrücken: Videoüberwachung im Eingangsbereich eines Wohnhauses – ein datenschutzrechtliches Problem?
Die Videoüberwachung von Mitarbeitern großer Konzerne ist in den vergangenen Jahren oft Gegenstand öffentlicher Diskussion und gerichtlicher Auseinandersetzungen gewesen. Einen etwas anderen Aspekt betrifft ein Urteil des Amtsgerichts (AG) Saarbrücken, in dem es um die Videoüberwachung eines Eingangsbereiches zu einem Wohnhaus ging (AG Saarbrücken, Urt. v. 21. April 2011, 36 C 155/10).
Der Fall:
Ein Mieter eines Anwesens in Saarbrücken beklagte sich über eine im Eingangsbereich und im Bereich der Briefkastenanlage installierte Video-Überwachung. Die Installation der Überwachungskamera wurde eingerichtet, da die Wohnungseigentümergemeinschaft in der Vergangenheit zahlreiche Einbrüche in das Hausanwesen und die darin befindlichen Eigentumswohnungen, Zerstörung von Wohnungseingangstüren, Zerstörung und Aufbrüche der Briefkastenanlage zu beklagen hatte. Hieraus folgten Versicherungsleistungen in Höhe von jährlich rund 3.000,00 €. Nach der Installation der Überwachungskamera ging die Zahl der Einbrüche, Aufbrüche und sonstiger Delikte im Hausanwesen erheblich zurück. Die Briefkastenanlage wird seither nicht mehr aufgebrochen. Die Versicherungsleistungen sind in den folgenden Jahren stark zurückgegangen. In der Anlage gibt es keine Verbindung der Videokameras mit Bildschirmen. Ein Auslesen der gespeicherten Bilder kann durch die Installationsfirma erfolgen, wenn dies durch Straftaten angezeigt ist und die Polizei Einsicht erhalten soll. Die Aufzeichnungen werden nach einer Woche durch neue Aufzeichnungen überspielt, die Daten werden dadurch gelöscht. Der Kläger fühlt sich durch die Aufzeichnungen in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt und wünscht keine Beobachtung seiner Person oder seiner Besucher, die nach seiner Behauptung teilweise ausbleiben wegen der Videoaufzeichnungen.
Die Entscheidung:
Das AG Saarbrücken sieht die Einrichtung der Videokamera als gerechtfertigt an und erkennt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Bewohners nicht.
Die Interessen der Wohnungseigentümer überwiegen die Interessen des Mieters. So sei der WEG daran gelegen, ihr Eigentum vor unberechtigtem Zugriff und Straftaten zu schützen. Diese Interessen sind durch Artikel 14 GG geschützt. Unstreitig gab es in der Vergangenheit wöchentlich Ein- und Aufbrüche in Wohnungen rund der Briefkastenanlage. Hierdurch entstanden Beeinträchtigungen des Privateigentums der betroffenen Wohnungseigentümer, die Wohnungseigentümergemeinschaft musste zuletzt Versicherungsleistungen in Höhe, von über 3.000,00 € pro Jahr in Anspruch nehmen. Das erstrebte Ziel, diese Verletzungen des Eigentums durch Straftaten zu unterbinden, ist durch die Installation der Videoüberwachungsanlage erreicht worden. Es kam zu einem erheblichen Rückgang der Ein- und Aufbruchsdelikte sowie sonstiger Straftaten. Die Briefkastenanlage wurde praktisch nicht mehr aufgebrochen. Auch die Versicherungsleistungen gingen erheblich zurück und erreichten kaum mehr 50% des früheren Niveaus. Das erstrebte Ziel der Wohnungseigentümer und der Beklagten, die Anzahl der Straftaten einzudämmen, ist erreicht worden.
Gegenüber diesen Interessen muss das Interesse des Mieters nach Ansicht des AG Saarbrücken zurücktreten. Zwar erfolge, ausgelöst durch einen Bewegungsmelder, eine Aufzeichnung, wenn der Kläger oder einer seiner Besucher die Wohnungsanlage betritt oder verlässt. Diese Aufzeichnung wird jedoch maximal für eine Woche aufbewahrt und dann ersatzlos gelöscht. Es besteht deshalb nicht das Risiko, über einen längeren Zeitraum ein Bewegungsprofil des Klägers zu erhalten. Es besteht auch nicht die technische Möglichkeit, über einen Bildschirm die Personen zu beobachten, die die Wohnungsanlage betreten oder verlassen. Unbefugten ist somit der unmittelbare Zugang und das Betrachten der aufgenommenen Videos zur Erstellung eines Bewegungsprofils nicht möglich. Ohne Anlass erfolgt keine Überprüfung der aufgezeichneten Bilder. Einziger, unstreitiger Anlass für die Auslesung der aufgezeichneten Bilder ist die Verübung einer Straftat im Hausanwesen. Auf Anfrage der Polizei wird für ein bestimmtes, von dieser vorgegebenes Zeitfenster von der Installationsfirma eine Auslesung der aufgezeichneten Daten vorgenommen und auf DVD gebrannt. Diese Informationen werden sodann über die Verwaltung an die Polizei weitergegeben. Eine Information der Verwaltung ist auf diesem Wege zwar möglich, wird aber nach unstreitigen Angaben der Verwaltung nicht vorgenommen. Die Auslesung der Informationen erfolgt deshalb nur dann, wenn Ermittlungen wegen einer Straftat von der Polizei aufgenommen werden. Darüber hinaus gibt es unstreitig keinen Anlass, die aufgezeichneten Videodaten anzusehen oder auszulesen. Diese technischen und tatsächlichen Beschränkungen der Überprüfung der aufgezeichneten Videoinformationen begrenzen die Beeinträchtigung des Klägers durch die Videoaufnahmen. Er muss nicht fürchten, dass von ihm oder seinen Besuchern ein Bewegungsprofil erstellt und verbreitet wird.
Bewertung:
Die Entscheidung des AG Saarbrücken ist aus hiesiger Sicht kritisch zu sehen. Das Gericht tut sich zu leicht, indem es die Interessen eines wirksamen Eigentumsschutzes einfach über die des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes stellt. Zudem lässt das Urteil eine Auseinandersetzung mit den auch für das streitgegenständliche Verfahren einschlägigen datenschutzrechtlichen Vorgaben gänzlich vermissen. Ob vor deren Hintergrund eine Videoüberwachung möglich und zulässig gewesen wäre, ist zweifelhaft.
Auch wenn der Einsatz von Videokameras in den vergangenen Jahren vermehrt zu verzeichnen ist, befinden sich Eigentümer, die auf diese Möglichkeit zurückgreifen, stets in einer gewissen juristischen Grauzone. Regelungen zur Zulässigkeit der Videoüberwachung finden sich in § 6b BDSG, der die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) regelt.
Nach § 6b BDSG kann die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume im Rahmen der Videoüberwachung zulässig sein, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechtes oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkrete festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutz-würdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Die Videoüberwachung muss zudem „öffentlich" erfolgen, d.h. auf sie muss durch geeignete Maßnahmen hingewiesen werden. Hinzu kommt, dass ganz allgemein angenommen wird, dass die im Rahmen der Videoüberwachung gewonnenen und gespeicherten Daten nach § 6b Abs. 5 BDSG unverzüglich zu löschen sind, wenn sie nicht mehr für den entsprechenden Zweck erforderlich sind oder schutzwürdige Betroffeneninteressen entgegenstehen, was wiederum dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen entgegenkommt. Die Löschung hat unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern im Sinne des § 121 BGB zu erfolgen. Dies bedeutet nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Innen-ausschusses des Bundestages, dass die gewonnenen Daten „in der Regel innerhalb von ein bis zwei Arbeitstagen" zu löschen sind. Die vom AG Saarbrücken vorgesehene Speicherfrist geht darüber bei weitem hinaus. Auch ist nicht ersichtlich, dass auf die Videoüberwachung durch die Eigentümer hingewiesen wurde, was datenschutzrechtlich äußerst bedenklich sein dürfte.
Eigentümern, die eine Videoüberwachung installieren wollen, ist daher dringend anzuraten, sich zuvor datenschutzrechtlich beraten zu lassen. Verstöße gegen das Datenschutzrecht können neben Schadens- und Unterlassungsansprüchen der „Überwachten" auch ordungsbehördliche Konsequenzen (bis hin zur Strafbarkeit) nach sich ziehen. Dies sollte in keinem Fall auf die leichte Schulter genommen werden.
Dr. Robert Kazemi