Auskunftsanspruch gegen Twitter
Nach einem aktuellen Bericht des Handelsblattes ist der Mikroblogging-Dienst Twitter unter dem 24.01.2013 von einem Pariser Gericht zur Auskunftserteilung in Bezug auf zwei Accountinhaber verurteilt worden. Auf der französischen Seite des beliebten Kurzmitteilungsdienstes waren unter zwei verschiedenen Niknames zahlreiche antisemitische und homosexuellen-feindliche Kurzmitteilungen veröffentlicht worden. Auf die Auskunftsklage einiger Nichtregierungsorganisationen wurde Twitter nunmehr zur Offenlegung der Inhaber dieser Accounts verpflichtet. Die Entscheidung hat weltweit für erhebliches Aufsehen gesorgt (siehe beispielsweise den Beitrag in der New York Times vom 25.01.2013) und ist in seiner Ausformung bislang soweit bekannt auch das Einzige seiner Art.
Obgleich die Entscheidungsgründe nicht vorliegen erscheint das Urteil vom Ergebnis her richtig. Auch im Internet gibt es keine vollkommene Anonymität, auch hier sind die Grenzen des geltenden Rechts einzuhalten. Wer sich durch beleidigende, strafbare oder sonst rechtswidrige Stellungnahmen unter einem Pseudonym im Internet äußert muss daher mit einer Preisgabe seines richtigen Namens durch Plattformanbieter rechnen. Aus deutscher Sicht steht einem derartigen Auskunftsanspruch auch das Datenschutzrecht nicht entgegen. Vielmehr sieht § 28 Abs. 2 BDSG in derartigen Fällen sogar eine ausdrückliche Befugnis zur Datenübermittung (ohne Einwilligung) des Accountinhabers vor. So ist eine Übermittlung einmal rechtmäßig erhobener Daten zu einem anderen Zweck ist nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 lit. a BDSG ferner dann - ohne Einwilligung des Betroffenen - zulässig, soweit die Übermittlung zur Wahrung berechtigter Interessen eines Dritten erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung oder Nutzung hat. Wann ein berechtigtes Drittinteresse vorliegt, definiert das BDSG selbst nicht. Allgemein an-erkannt ist jedoch, dass dieses nicht rechtlicher, sondern auch ideeller oder wirtschaftlicher Natur sein kann, solange es sich um ein von der Rechtsordnung gebilligtes Interesse handelt. Da die Datenerhebung im berechtigten Interesse dem Zweckbestimmungsgrundsatz unterliegt, sind auch im Rahmen der Befugnisse nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 lit. a BDSG die grundsätzlichen Wertungen und die Zweckrichtung des BDSG bei der Beurteilung des Vorliegens eines berechtigten Interesses zu berücksichtigen. Bei strafbaren Handlungen dürften Auskunftsansprüche daher regelmäßig gegeben sein.
Nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 lit. b BDSG ist die zweckändernde Datenübermittlung weiterhin dann zulässig, wenn sie zur Abwehr von Gefahren für die staatliche oder öffentliche Sicherheit oder zur Verfolgung von Straftaten erfolgt und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung oder Nutzung hat. Wie im Falle des Filesharings normiert auch § 28 Abs. 2 Nr. 2 lit. b BDSG keinen Auskunftsanspruch, sondern lediglich einen Rechtfertigungsgrund für die einwilligungslose und zweckändernde Übermittlung an staatliche Behörden durch die datenerhebende Stelle. Strafverfolgungs- und sonstige öffentliche Behörden sind daher auf das Vorliegen eines konkreten Auskunftsanspruches angewiesen, wenn sie sich zum Zwecke der Ermittlung perso-nenbezogener Daten an private Stellen wenden. Derartige Auskunftsansprüche sind beispielsweise für die Staatsanwaltschaften in der StPO (vgl. § 98 StPO), für die Steuerbehör-den in der Abgabenordnung (vgl. § 93 AO ) geregelt
Dr. Robert Kazemi