03
Mai 2010

BGH: Das Geschäft mit dem Todesfall – zur Zulässigkeit von Briefwerbung für Grabmale zwei Wochen nach dem Todesfall

Der u. a. für das Wettbewerbsrecht zuständige erste Zivilsenat des BGH hat sich mit Urteil vom 22. April 2010 (AZ: I ZR 29/09) mit einer etwas skurrilen Werbepraxis des Steinmetzgewerbes zu beschäftigen gehabt.

Der Fall:

Der Beklagte, der u. a. mit Grabmalen handelt, wandte sich mit dem nachfolgend wiedergegebenen Schreiben an eine Frau x, nachdem am gleichen Tag in der Tageszeitung eine von Frau x aufgegebene Todesanzeige eines Angehörigen erschienen war:

„Sehr geehrte Frau x, durch einen Informanten wurde uns mitgeteilt, dass unsere Mitbewerber und Bestatter, um zum schnelleren Verkaufsabschluss zu kommen, das Gerücht verbreiten, wir hätten unsere Steinmetzwerkstatt beim Gewerbeamt, der Handwerkskammer sowie Finanzamt abgemeldet. Dies entspricht nicht der Wahrheit. Jedoch möchten wir Ihnen mitteilen, dass wir nach wie vor für unsere Kunden verfügbar sind."

Die Klägerin, eine Mitbewerberin, hält diese Form der mittelbaren Werbung für Grabmale für unzulässig. Es stelle eine unzumutbare Belästigung gemäß § 7 UWG dar, wenn aus Anlass eines Todesfalles Angehörige des Verstorbenen innerhalb einer Schonfrist von vier Wochen nach dem Todesfall zu Werbezwecken angeschrieben werden würden.

Die Entscheidung:

Während das Landgericht (LG) Gießen (Urteil vom 03. April 2008, AZ: 8 O 3/08) noch angenommen hatte, die werbliche Ansprache eines Angehörigen innerhalb eines Zeitraumes von drei Wochen nach dem Todesfall des Verstorbenen, erstelle eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG dar, hatte das OLG Frankfurt (Urteil vom 29.01.2009, AZ: 6 U 90/08) diese Frist auf lediglich zwei Wochen verkürzt. Eine Werbung, mit der kurz nach einem Todesfall den Angehörigen des Verstorbenen die Fertigung eins Grabsteines oder andere auf den Trauerfall bezogene Leistungen angeboten werden, sei geeignet, die Gefühle der Hinterbliebenen zu verletzen, da sie es als pietätslos empfinden werden, wenn unmittelbar nach dem Verlust eines nahen Angehörigen der Trauerfall zum Gegenstand geschäftlicher Bemühungen gemacht werde. Neben diesem Gesichtspunkt der Gefühlsmissachtung könne im Einzelfall auch der Gesichtspunkt der Gefühlsausnutzung für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung relevant werden, da nach dem Verlust eines Angehörigen die Fähigkeit zu abgewogenen Nachfrageentscheidungen beeinträchtigt seien und dies durch die Art der Werbung ausgenutzt werden könne.

Eine unzulässige zeitliche Nähe zum Todesfall sei ohne Weiteres gegeben, wenn die Werbung noch vor der Veröffentlichung einer Todesanzeige übermittelt werde, sofern diese ihrerseits in üblich zeitlicher Nähe zum Todesfall in Auftrag gegeben wurde. Aber auch eine Werbung am Tag der Veröffentlichung der Traueranzeige stelle eine grobe Missachtung der Gefühle der Hinterbliebenen dar und sei daher wettbewerbswidrig.

Zu berücksichtigen sei jedoch, dass die Angehörigen des Verstorbenen mit wachsendem zeitlichem Abstand kein Verständnis für derartige Werbesendungen entwickeln würden. Auch sei dem durch die Berufsausübungsfreiheit geschützten Interesse der Anbieter von Grabmalen an gezielter werblicher Ansprache Rechnung zu tragen, die aus der Sicht des Werbenden möglichst frühzeitig erfolgen soll, um die geschäftliche Entscheidung des Beworbenen noch beeinflussen zu können. Eine Wartefrist von zwei Wochen trüge den wechselseitigen Interessen angemessen Rechnung.

Der BGH teilt die Einschätzung der Vorinstanz und sieht dementsprechend eine aus Pietätsgründen einzuhaltende Wartefrist von zwei Wochen für werbliche Ansprachen nach dem Todesfall als notwendig aber auch ausreichend an. Innerhalb dieser Frist von zwei Wochen ist der Hinterbliebene dementsprechend von werblichen Ansprachen, die in unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit dem Todesfall stehen, zu verschonen.

Bewertung:

Es mag bezweifelt werden, ob der in Anspruch genommene Steinmetz mit seiner Werbekampagne tatsächlich Erfolg hatte oder - wovon wir ausgehen - diese Werbung eher „nach hinten losgegangen" ist. Dennoch, auch mit dem Tod lassen sich Geschäfte machen und für diese Geschäfte sind klare Regeln notwendig. Im Ergebnis erscheint es dementsprechend - auch aus Sicht des Hinterbliebenen, der nach einem gewissen Zeitraum derartige Werbung auch als hilfreich empfinden könnte - ist die Entscheidung des BGH und die hierin normierte zweiwöchige „Schonfrist" als angemessen und ausreichend zu werten.

Die Entscheidung des BGH zeigt, dass unabhängig von den gesetzlich normierten Tatbeständen der unzumutbaren Belästigung nach § 7 UWG auch die - ansonsten zulässige - Briefwerbung im Einzelfall unzulässig sein kann. Auch Briefwerbung sollte dementsprechend, will man nicht Gefahr laufen, wegen dieser im Nachhinein abgemahnt zu werden, im Einzelnen vorher kritisch überprüft werden.

Dr. Robert Kazemi

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