BGH: Haftung für unzureichend gesicherten WLan-Anschluss
Haftet der Inhaber eines Internetanschlusses grundsätzlich als Störer für die unberechtigte Nutzung einer WLan-Verbindung durch unberechtigte Dritte, die mit ihm in keinerlei Verbindung stehen?
Folgt man der Auffassung des OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.07.2008, 11 U 52/07) müsste diese Frage mit nein beantwortet werden. Diese - aus Sicht des Inhabers eines WLan-Anschlusses vorteilhafte - Rechtsmeinung hatte das OLG Frankfurt im vorgenannten Urteil vertreten, bei dem es darum ging, ob der Inhaber eines WLan-Anschlusses für Urheberrechtsverletzungen im Internet durch Teilnahme an Musiktauschbörsen, die über seinen Anschluss erfolgten, haftbar gemacht werden kann.
Mit nunmehr bekannt gewordenem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) (Urteil vom 12. Mai 2010, I ZR 121/08 - „Sommer unseres Lebens") muss diese Rechtsaufassung des OLG Frankfurt als überholt angesehen werden.
Der Fall:
Unter Zuhilfenahme des Internetanschlusses des Beklagten wurde über eine Musiktauschbörse der Musiktitel „Sommer unseres Lebens" anderen Teilnehmern zum Download angeboten. Nach den im Rahmen der eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingeholten Auskünften der Klägerin, die den vorgenannten Tonträger vermarktet, war die für die Teilnahme an der Tauschbörse verwandte IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet. Die Klägerin begehrte dementsprechend von dem Beklagten Unterlassung, Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie in Höhe von 150,00 Euro sowie Ersatz der Kosten für das vorgerichtliche Abmahnschreiben in Höhe von 352,90 Euro. Maßgeblich seien die geltend gemachten Ansprüche daraus begründet, dass der Beklagten seinen WLan-Anschluss aktiviert, aber nicht ausreichend gesichert habe.
Während das LG Frankfurt diese Rechtsauffassung noch teilte und den Beklagten auf Unterlassung verurteilte, sah das OLG Frankfurt eine Störerhaftung des Beklagten nicht als gegeben an. Schuldner eines Unterlassungsanspruches könne zwar auch derjenige sein, der sein Telefon- / Fax- oder Telexanschluss einem Dritten überlässt, der dann seinerseits von diesem Anschluss aus eine das Schutzrecht verletzende Handlung begeht. Ihren Grund fände diese Haftung jedoch nicht schon in der Überlassung des Anschlusses als solcher. Die Verantwortlichkeit des Dritten erfolge vielmehr daraus, dass er die auf diese Weise ermöglichten Rechtsverletzungen nicht unterbunden habe, obwohl er dazu als Inhaber des Anschlusses die Möglichkeit gehabt hätte und ein derartiges Einschreiten von ihm mit Blick auf die auf die aus dieser Stellung resultierenden Befugnisse und die Überlassung des Anschlusses zu erwarten war.
Der Inhaber eines Internetanschlusses im privaten Bereich könne dementsprechend vor allem dann als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn der Anschluss von Familienangehörigen mitbenutzt werde, wobei hier zu berücksichtigen sei, dass verdachtsunabhängige Prüfungspflichten gerade im familiären Bereich nicht überstrapaziert werden dürften. Vor diesem Hintergrund ginge auch eine unbeschränkte Haftung des WLan-Inhabers deutlich zu weit, weil dieser für das vorsätzliche Verhalten beliebiger Dritter, die mit ihm in keinerlei Verbindung stehen, eintreten müsse. Dies stoße schon deswegen auf Bedenken, weil mit Hilfe der Störerhaftung, die einen eigenverantwortlich handelnden treffende Pflicht, sich recht- und gesetzmäßig zu verhalten, nicht über die Gebühr auf Dritte ausgedehnt werden könne. Insoweit erscheine es jedoch schon fraglich, ob die Unterhaltung eines WLan-Anschlusses im Falle der „Mitbenutzung" durch einen vorsätzlich handelnden Dritten noch als adäquater Beitrag zu einer dabei erfolgten Urheberrechtsverletzung angesehene werden könnte. Der Gesichtspunkt der adäquaten Verursachung stehe einer zur weiten Ausdehnung der Störerhaftung jedoch gerade entgegen. Eine Haftung könne daher nicht aus Mitwirkungshandlungen an solchen Verstößen hergeleitet werden, die dem Anschlussinhaber billigerweise nicht zugerechnet werden können. Bei der Prüfung der Adäquanz gehe es im Ergebnis darum, ganz unwahrscheinliche Schadensverläufe auszuschließen. Das OLG war der Auffassung, es könne einen privaten Anschlussinhaber nicht zugerechnet werden, sei ein Computer stets nur mit der neuesten Schutztechnik zu versehen und zu nutzen und die dafür erforderlichen finanziellen Mittel aufzubringen.
Der BGH hat das Berufungsurteil des OLG Frankfurt nunmehr aufgehoben, soweit das Berufsgericht die Klage mit dem Unterlassungsantrag auf Zahlung der Abmahnkosten abgewiesen hatte. Der BGH nimmt an, dass eine Haftung des Anschlussinhabers als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung nicht in Betracht komme. Auch privaten Anschlussinhabern obliege jedoch eine Pflicht zu prüfen, ob ihr WLan-Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen vor der Gefahr geschützt ist, von unberechtigten Dritten zur Begehung von Urheberrechtsverletzungen missbraucht zu werden. Dem privaten Betreiber eines WLan-Netzes könne zwar nicht zugemutet werden, seine Netzwerksicherheit fortlaufend auf dem neuesten Stand der Technik zu halten und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden, seine Prüfungspflicht beziehe sich jedoch explizit auf die Einhaltung der im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen.
Diese marktüblichen Sicherungsmaßnahmen beinhalten jedenfalls, dass der Anschlussinhaber das werkseitig eingestellte Standardpasswort seines WLan-Routers durch ein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort ersetzt. Ein solcher Passwortschutz ist auch für private WLan-Nutzer spätestens seit dem Jahr 2006 üblich und zumutbar. Da der Anschlussinhaber im vorliegenden Fall einen derartigen Passwortschutz nicht etabliert und eingerichtet hatte, war er jedenfalls als Störer auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch zu nehmen.
Bewertung:
Die Entscheidung des BGH macht deutlich, wie wichtig es ist, seinen privaten WLan-Anschluss hinreichend zu verschlüsseln. Für Hacker stellt es keine große Herausforderung dar, einen ungeschützten WLan-Zugang ausfindig zu machen und auszuspähen. Dementsprechend sind grundlegende Sicherheitsmaßnahmen auch im privaten Bereich zu etablieren, um das Risiko der Inanspruchnahme wegen Urheberrechtsverletzungen zu entgehen. Dazu gehören Einstellungen am Router bzw. Access-Point, wie bspw. die Aktivierung der Verschlüsselung mit einer sicheren Verschlüsselungsmethode, das heißt mit mindestens WPA, die Vergabe eines sicheren Netzwerkschlüssels, die Ersetzung der werksseitig voreingestellten Router- bzw. Access-Point-Passwörter, die Änderung des werksseitig voreingestellten, meist den Gerätetyp verratenden SSID-Namens sowie die Deaktivierung der Fernkonfiguration des Routers. Wer diese leicht zu etablierenden Sicherheitsstandards einhält, läuft auch nach dem nunmehr vorliegenden Urteil des BGH nicht Gefahr, wegen über seinen WLan-Anschluss begangener Urheberrechtsverletzung von der Musikindustrie in Anspruch genommen zu werden.
Dr. Robert Kazemi