14
Feb 2010

BGH: Keine analoge Abrechenbarkeit einer computerunterstützten Navigationstechnik bei Durchführung einer Totalendoprothese des Kniegelenks nach GoÄ Ziff. 2562 neben GoÄ Ziff. 2153

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich erneut mit der analogen Anwendbarkeit von GoÄ-Ziffern auf „neue" Behandlungs- und Diagnosemethoden zu beschäftigen gehabt. Diesmal (Urteil vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09) ging es um die analoge Abrechenbarkeit einer computerunterstützten Navigationstechnik bei Durchführung einer Totalendoprothese des Kniegelenks (GöÄ Nr. 2153) nach Ziff. 2562.

Sachverhalt:

Der Chefarzt eines Krankenhauses hatte im August 2007 bei einem Patienten einen endoprothetischen Totalersatz beider Kniegelenke nach der Nr. 2153 der GOÄ unter Einsatz eines computerunterstützten kinematischen Navigationssystems vorgenommen. Die Parteien streiten darüber, ob die "anatomische Vorausberechnung des OP-Gebiets (Zielpunktbestimmung) und Navigation" nach der Nr. 2562 des Gebührenverzeichnisses analog abgerechnet werden kann.

Die Entscheidung:

Für den Einsatz der computerunterstützten Navigationstechnik der hier durchgeführten Operation nach der Nr. 2153 des Gebührenverzeichnisses enthält das Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung für Ärzte keinen eigenen Vergütungstatbestand. Es ist allgemein anerkannt, dass allein dieser Umstand nicht dazu führen kann, dass die Abrechenbarkeit dieses Geräteeinsatzes von vornherein zu verneinen wäre.

Es kommt vielmehr darauf an, ob es sich bei dem Einsatz der Navigationstechnik um eine selbständige ärztliche Leistung handelt, die gesondert berechnet werden kann (und muss) oder ob davon ausgegangen werden muss, dass der mit der Bereitstellung und Handhabung einer solchen Technik verbundene Aufwand bei der Bewertung der Totalendoprothese des Knies nach Nr. 2153 des Gebührenverzeichnisses bereits berücksichtigt worden ist.

Letzteres sieht der BGH im vorliegenden Fall als gegeben an und versagt dem behandelnden Arzt daher die gesonderte analoge Abrechnung der Navigationstechnik. Dabei verkennt der III. Zivilsenat nicht, dass die hier in Rede stehende Technik weder bei Inkrafttreten der GoÄ noch im Zuge der in verschiedenen Teilen vorgenommenen Überarbeitung des Gebührenverzeichnisses bekannt war. Dies allein könne jedoch nicht dazu führen, dass vorliegend von einer selbständigen ärztlichen Leistungserbringung auszugehen sei. Vielmehr diene sei in der Verwendung der computerunterstützten Navigationstechnik bei der durchgeführten Operation ein Hilfsmittel des Arztes zu sehen, der sich nicht mehr allein auf seine Augen, sein Gefühl, seine Fingerfertigkeit und seine Erfahrung verlassen müsse, sondern sich der modernen Computertechnik bediene, um ein besseres Operationsergebnis bzw. eine optimale Zielleistung zu erreichen. Ein neuartiger operativer Einzelschritt (selbständige ärztliche Leistung) sei daher nicht gegeben.

Bewertung:

Grundvoraussetzung einer gesonderten Abrechnung des Einsatzes der Navigationstechnik wäre nach § 4 Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 2 GOÄ, dass es sich um eine selbständige ärztliche Leistung handelt. Dabei kommen prinzipiell alle im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistungen als selbständige ärztliche Leistungen in Betracht, soweit es sich bei den Leistungsbeschreibungen nicht um solche Konstellationen handelt, bei denen der Verordnungsgeber bewusst von dem Grundsatz der selbständigen ärztlichen Leistung abgesehen und auch solche Leistungen (als selbständig abrechenbar) beschreiben hat, die in einem so engen Zusammenhang zu einer anderen Leistung stehen, dass man ihre Selbständigkeit in Frage stellen könnte.

Eine unbesehene Übertragung solcher besonderen Gebührenkonstellation auf andere Verrichtungen und Techniken stehen und die dem Verordnungsgeber bei der Bewertung der in Rede stehenden Leistungen nicht bekannt waren (!), kommt nach Ansicht des BGH deshalb nicht in Betracht, weil eine analoge Anwendung von GöÄ-Ziffern nicht dazu führen darf, dass die Selbständigkeit der ärztlichen Leistung als Voraussetzung für ihre Abrechenbarkeit und das Zielleistungsprinzip, nach dem für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, nach § 4 Abs. 2a GOÄ eine Gebühr nicht berechnet werden kann, aufgegeben werden.

Zur Beantwortung der Frage der analogen Abrechenbarkeit einer Leistung ist daher zu ermitteln, ob für sie eine eigenständige medizinische Indikation besteht. Entfaltet sich der Einsatz einer ärztlichen Leistung - wie im Falle der Navigationstechnik - erst während einer anderen Leistung (hier der Operation), ist diese grundsätzlich als in der anderen Leistung enthalten einzustufen. In diesem Fall hat die analog abzurechnende Leistung für sich genommen keinen Sinn und könne daher nicht als „selbständige" Leistung eingestuft werden. In diesem Fall erweist sich die Leistung vielmehr als eine besondere Ausführungsart der Hauptleistung, die auch ohne Einsatz dieser Technik vorgenommen werden könnte.

Dr. Robert Kazemi

Zurück