BGH: Namensschutz für Wählervereinigungen
Für die Namen von Wählervereinigungen gilt das strenge Prioritätsprinzip gem. § 4 Abs. 1 PartG nicht. Für ihre originäre Unterscheidungskraft ist es daher erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine bestimmte beschreibende Verwendung nicht festzustellen ist. Der Verkehr geht davon aus, dass bei Wählervereinigungen nachgestellte geographische Angaben bei im Übrigen gleicher Bezeichnung ebenso wie bei Parteien auf bestehende organisatorische Verbindungen hinweisen. Dies hat der BGH entschieden (BGH, Urteil vom 28. 9. 2011 - I ZR 191/10 - Freie Wähler).
Der Fall:
Die Klägerin ist der bereits 1965 gegründete und seither in das Vereinsregister eingetragene Bundesverband der Freien Wähler der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Berlin. Seit 2001 führt dieser satzungsgemäß den Namen „Freie Wähler Deutschland". Laut seiner Satzung ist er der Zusammenschluss der Landesverbände der Freien Wähler und vertritt insbesondere deren Interessen auf Bundesebene.
Im Jahr 2009 schloss der Kläger zunächst die Landesverbände Bremen und Brandenburg aus, zum Jahresende traten die Landesverbände Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein aus dem Kläger aus.
Der Beklagte ist Vorsitzender des im Juni 2009 gegründeten Vereins „FREIE WÄHLER GEMEINSCHAFT Nord Verband Hanse Bund Allianz Gruppe für Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bremen, kurz FREIE WÄHLER Nordverband". Dieser Verein betreibt unter der Domain „freie-wahler-nordnverband.de" eine Internetpräsenz auf der er sich zu politischen Fragen äußert.
Der Kläger nahm nunmehr den Beklagten, gestützt auf sein Namensrecht aus § 12 BGB auf Unterlassung des Führens oder Führenlassens des Namens „FREIE WÄHLER Nordverband" in Anspruch, darüber hinaus begehrte er den Verzicht des Beklagten auf die o.g. Domain.
Die Entscheidung:
Der BGH (I ZR 191/10) hat letztinstanzlich dem Klagebegehren entsprochen und den Beklagten antragsgemäß verurteilt.
Das Gericht ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass sich der Kläger jedenfalls nicht auf § 4 Abs. 1 PartG berufen kann, da es sich bei ihm „lediglich" um eine Wählervereinigung handelt. Nach Auffassung des BGH dient § 4 Abs. 1 PartG nicht nur dem öffentlichen Schutz der Bevölkerung aufgrund einer deutlichen Unterscheidbarkeit der Parteinamen, sondern darüber hinaus dem eigenen Interesse der Parteien am Schutz ihres Namens (vgl. BGH a.a.O. Rn. 9). Dieser aus Art. 21 GG entspringende Schutz sehe das Gesetz für eine Wählervereinigung nicht vor.
Allerdings geht der BGH in der vorliegenden Entscheidung, anders als die Vorinstanz, davon aus, dass das Vorliegen einer originären Unterscheidungskraft im Namen des Klägers enthaltenen Bestandteils „Freie Wähler" nicht verneint werden könne.
Zunächst stellte das Gericht klar, dass bei Verbandsnamen diesbezüglich weniger strenge Anforderungen gelten als bei anderen Namen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz, die an Anlehnung an eine Entscheidung des OLG Frankfurt am Main (WRP 1980, 575) davon ausgegangen war, dass zumindest ein Hinweis auf die von dem Verband wahrgenommenen Interessen erforderlich sei, geht der BGH davon aus, dass bei Verbandsnamen der Verkehr daran gewöhnt sei, dass diese aus einem Sachbegriff gebildet und sich lediglich an den jeweiligen Tätigkeitsbereich anlehnten (vgl. BGH a.a.O. Rn. 12). Hiernach stehe ein bloß beschreibender Anklang der Annahme einer originären Unterscheidungskraft nicht entgegen; es sei vielmehr ausreichend (und erforderlich), dass eine bestimmte beschreibende Verwendung nicht festzustellen ist. Dies sei vorliegend der Fall, da aus zwei, für sich genommen beschreibenden Wörtern - „Freie" und „Wähler" -, ein einheitlicher einprägsamer Gesamtbegriff entstanden sei, der das Tätigkeitsfeld des Klägers schlagwortartig umreiße ohne es konkret zu beschreiben (vgl. ebenda).
Darüber hinaus stellte der BGH klar, dass im vorliegenden Falle aufgrund der nachfolgend angefügten geographischen Angabe - „Nordverband" - bei sonst gleicher Bezeichnung, der Verkehr, ähnlich wie bei politischen Parteien, von einer organisatorischen Verbindung ausgehe, so dass die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung bestehe. Der Beklagte geriere sich so, als ob es sich bei ihm um eine regionale Untergliederung des Klägers handele.
Anmerkung:
Der BGH hat hier zunächst richtig klargestellt, dass sich ein Verband nicht auf das PartG berufen kann, der konkreten Schutz des Art. 21 GG ist Parteien vorbehalten. Im Ergebnis richtig ist der BGH davon ausgegangen, dass bei Verbandsnamen gerade kein (konkreter) Hinweis auf die von dem Verband wahrgenommen Interessen erforderlich ist, vielmehr darf eine konkrete beschreibende Verwendung gerade nicht festzustellen sein. Dass der BGH im konkreten Fall die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung angenommen hat, ist zu begrüßen und m.E. nach auch richtig. Ähnlich wie bei Parteien auch, ist bei der Wahrnehmung des Rechtsverkehrs der Name als solches für die Unterscheidbarkeit primäres Zuordnungskriterium. Eine nachgestellte geographische Angabe bei sonst gleicher Namenswendung kann hierbei nur so gedeutet werden, dass es sich um eine regionale Untergliederung handelt.
Die Entscheidung dürfte Verbandstrukturen mehr Rechtssicherheit bezüglich ihrer Namensgebung bieten. Zu beachten ist aber, dass sich der BGH gerade aber auf Verbände gestützt hatte und deren Wahrnehmung im Rechtsverkehr, eine Verallgemeinerung bspw. bezüglich Marken im Allgemeinen kann hierbei nicht gesehen werden.
Dr. Robert Kazemi