BGH: „Neuwagen“ endet erst bei 1.000 km!
Ab wann ist ein Pkw nicht mehr als "neuer Personenkraftwagen" anzusehen? Wichtig ist diese Frage für (Kfz-)Händler, die gemäß der "Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch, CO 2 -Emissionen und Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen", kurz Pkw-EnVKV, in ihren Angeboten bestimmte Angaben zum Fahrzeug machen müssen, wie beispielsweise den Kraftstoffverbrauch, CO 2 -Emissionen, o.ä. Der BGH hat sich nunmehr zum Begriff des "neuen Personenkraftwagen" geäußert und festgelegt, dass bei einem Fahrzeug mit einer Laufleistung bis zu 1.000 km im Allgemeinen davon ausgegangen werden kann, dass es sich um ein Fahrzeug handelt, welches vom Händler zum Zwecke des Weiterverkaufs erworben wurde.
Der Fall:
Die Beklagte bot auf einer Internet-Verkaufsplattform ein Fahrzeug an, dass sie u.a. mit den Worten bewarb: „Vorführfahrzeug [...], EZ 3/2009, 50 km". Angaben zum Kraftstoffverbrauch sowie zu den CO2-Emissionen entsprechend § 1 Pkw-EnVKV - für Neuwagen - enthielt die Anzeige nicht.
Der Kläger - der Verband sozialer Wettbewerb - nahm die Beklagte auf Unterlassung aufgrund angeblichen Verstoßes gegen die in § 1 Pkw-EnVKV geregelte Informationspflicht sowie gegen Bestimmungen des UWG in Apsruch. Es handele sich nach Auffassung des Klägers bei dem angebotenen Fahrzeug um einen „neuen Personenkraftwagen" i.S.d. § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV.
Die Entscheidung:
Der BGH gelangte in seinem Urteil zu der Entscheidung, dass der aus § 8 Abs.1 und 3 Nr. 3, § 5a Abs. 2 und 4 UWG i.V.m. § 1 Abs.1, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV geltend gemachte Unterlassungsanspruch begründet sei.
Nach § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV sind „neue Personenkraftwagen" Kraftfahrzeuge gem. Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 1999/94/EG, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden. Die Richtlinie enthalte damit einen eigenständigen Begriff des „neuen Personenkraftwagens", so dass nicht auf den im nationalen Recht entwickelten Begriff des „Neuwagens" zurückgegriffen werden könne. Der BGH hob zu Recht hervor, dass in dem Falle, in dem das nationale Recht auf der Umsetzung europäischen Rechts beruhe - wie vorliegend - der Wortlaut der nationalen Vorschrift im Lichte und der Ziele des Unionsrechts auszulegen und anzuwenden sei.
Hiernach sei ein „neuer Personenkraftwagen" ein Personenwagen, der noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurde. Obschon die Gesetzesdefinition sowohl in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie als auch in § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV maßgeblich auf die Motivlage des Händlers im Zeitpunkt des Erwerbs abstelle, könne dies nach Auffassung des Gerichts zu erheblichen Abgrenzungsproblemen führen, da sich die konkrete Vorstellung des Händlers im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs kaum zuverlässig ermitteln lasse. Da Sinn und Zweck der Richtlinie aber sei, sicherzustellen, dass Verbraucher Informationen über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen über den angebotenen PKW erhalten, um ihre Kaufentscheidung in voller Sachkenntnis treffen zu können, könne es auf die Motivationslage des Händlers ankommen, da die nicht „fernliegende Angabe des Händlers, er habe das betreffende Fahrzeug ursprünglich in der Absicht erworben, es längerfristig in seinem Betrieb zu nutzen" in vielen Fällen nur „schwer zu widerlegen" sei. Vor diesem Hintergrund sei es geboten, den Begriff nicht anhand subjektiver, sondern anhand objektiver Kriterien auszurichten. Es müsse daher geprüft werden, ob sich aus objektiven Umständen ergibt, dass der Händler das Fahrzeug alsbald weiterveräußern wird. Eine kurzfristige Zwischennutzung im Betrieb des Händlers - bspw. als Vorführwagen - sei dabei unschädlich. Nach Auffassung des Gerichts könne - und sollte hiernach auch - auf die Laufleistung des Fahrzeugs als objektives Kriterium abgestellt werden. So sei „im Allgemeinen" davon auszugehen, dass es sich bei dem Angebot eines KFZ mit weniger als 1.000 Km Laufleistung um ein zum Zwecke des Weiterverkaufs erworbenes KFZ gehandelt hatte. Liege die Laufleistung darüber, so spreche dies dafür, dass der Händler den Pkw (auch) zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs - nämlich für die nicht ganz unerhebliche Eigennutzung - erworben habe.
Abschließend führt das Gericht aus, dass Vorführwagen durchaus mit fabrikneuen Fahrzeugen in Bezug auf die durch die Richtlinie und der Pkw-EnVKV geschützte Interessenlage vergleichbar seien. Da sich die Werte zu den CO2-Emissionen eines Fahrzeuges sich nicht durch Zulassung und Nutzung im Straßenverkehr änderten, und sich auch die Interessenlage des Käufers an dieser Information nicht geändert habe, ändere die geringe Straßennutzung nichts an dem Interesse der Käufer.
Bewertung:
Die Entscheidung des BGH dürfte insbesondere für KFZ-Händler von Bedeutung sein. Der BGH hat hier - in aller Deutlichkeit und Klarheit - doch sehr präzise Rahmenbedingungen für die Einordnung eines Neuwagens nach der Pkw-EnVKV gesetzt. Selbst wenn das Gericht hier ausführte, dass dies nur „im Allgemeinen" gelte, sollte sich dennoch dementsprechend von Händlern daran gehalten werden. Gleichzeitig bietet diese Einordnung natürlich aber auch die Möglichkeit gegen hiernach unlauter werbende Konkurrenten wettbewerbsrechtlich vorzugehen.
RA Dr. Robert Kazemi