27
Aug 2013

BGH: Schlecht- oder Nichtleistungen einer Anwaltskanzlei begründen keinen Wettbewerbsverstoß - Standardisierte Mandatsbearbeitung

Zugegeben ein etwas skurriler Fall, den der BGH da zu entscheiden hatte. Eine durch vermehrte Abmahntätigkeit aufgefallenen Rechtsanwaltskanzlei, die in nicht unerheblichem Umfange Mandate wegen Urheberrechtsverletzungen in Internettauschbörsen auf Rechteinhaberseite bearbeitet, wandte sich mit wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen gegen Berufskollegen, die ebenso standardisiert die Seite der Rechtsverletzer vertritt. Hintergrund des Ansinnens der im Volksmund schnell als sog. „Abmahnanwälte" bezeichneten Kollegen: Sie warfen den Vertretern der vermeintlichen Rechtsverletzer vor, sie würden gegenüber ihnen bewusst unwahr vortragen. Dies sei gemäß § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 43a Abs. 3 Satz 2 BRAO, § 263 StGB wettbewerbswidrig. Zudem liege eine Irreführung der Verbraucher gemäß §§ 3, 5 Abs. 1, § 5a Abs. 1 UWG vor. Die Klägerin macht insoweit geltend, in dem Verhalten der Beklagten liege eine systematische Schlechtleistung, über die die Beklagte ihre (potentiellen) Mandanten nicht aufkläre. Ein interessanter Ansatz, doch was war geschehen?

Ebenso, wie die klagende Anwaltskanzlei setzen auch die beklagten Kollegen ein auf Massengeschäft ausgerichtetes Verfahren zur Mandatsanbahnung und -bearbeitung ein, das durch folgende Schritte gekennzeichnet war: Nachdem die abgemahnte Person über eine Hotline Kontakt mit der Beklagten aufgenommen hatte, wurde ein schriftlicher Vermerk mit Kontaktdaten und Details für die weitere Bearbeitung angefertigt. Sodann erhielt die an einer Mandatierung der Beklagten interessierte Person eine standardisierte E-Mail, der eine Vollmachtserklärung und ein Mandantenfragebogen zur Ermittlung des Sachverhalts beigefügt waren. Darin wurde gefragt, ob eine oder mehrere Personen abgemahnt worden seien, ob die Adresse auf der Abmahnung mit der des Anschlussinhabers übereinstimme, wer außerdem im Haushalt wohne, gegebenenfalls welches Alter Kinder hätten, wer Zugang zum Computer habe, wie viele Computer im Haushalt vorhanden seien, ob eine polizeiliche Vernehmung stattgefunden habe und gegebenenfalls ob in dieser ein Täter benannt worden sei, ob ein WLAN-Anschluss mit Verschlüsselung vorhanden sei und ob der Fall Besonderheiten aufweise. Aus den so gewonnenen Informationen entwirft die Beklagte jedoch keine individuellen Schriftsätze, sondern Standardschreiben, in denen ausgeführt wird, die Abgemahnten hätten die Rechtsverletzungen nicht begangen und zu keinem Zeitpunkt urheberrechtlich geschützte Werke zugänglich gemacht. Auf die individuellen Angaben wird nicht weiter eingegangen.

Die Klägerin sieht dies als wettbewerbswidrig an, scheiterte mit ihrem Unterlassungsbegehren nunmehr jedoch endgültig vor dem Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 10. Januar 2013, I ZR 190/11).

Die Entscheidung des BGH ist in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht zutreffend und folgerichtig, die anwaltliche Schlechtleistung ist, auch wenn sie planmäßig erfolgt in der Regel wettbewerbsneutral. Gleichwohl zeigt das Urteil eins: Es sind nicht nur die so gescholtenen Abmahnanwälte, die vom Massengeschäft profitieren, nein, es sind auch die oft als „Heilsbringer" auftretenden Kollegen und Kolleginnen, die hier ordentlich Kasse machen. Sicherlich, auch der Abgemahnte braucht Rechtsrat und Rechtsverteidigung, ob sich diese jedoch auf Standardschreiben konzentrieren sollte, erscheint fraglich. Hier werden Verbraucher oft mit falschen Versprechungen in die Rechtsverteidigung gelockt, die dann am Ende durchaus teuer werden kann. Zudem wird oft verkannt, dass sich der Rechteinhaber und damit auch die „Abmahnkanzleien" in der Regel auf dem Boden des deutschen Urheberrechts bewegen, dass - zu Glück - keine moralische, sondern eine rein rechtliche Würdigung fordert. Dabei ist festzuhalten, dass Filesharing in der Regel eine Verletzung des Urheberrechtes darstellt, die kein Urheber, auch nicht die Musikindustrie zu dulden braucht. Stellen wir uns den Fall eines besonders innovativen Urhebers vor, der ein bahnbrechendes Werk geschaffen und hierauf viel Zeit, geistiges Gedankengut und vermutlich auch Geld verwendet hat. Auf Grund seiner herausragenden geistigen Schöpfung wird sein Werk tausendfach kopiert und einwilligungslos vervielfältigt. Der Urheber will sich hiergegen zur Wehr setzen und lässt tausende von Abmahnungen aussprechen. Bislang galt „eine rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung ergibt sich nicht allein aus der Vielzahl der Abmahnungen, sondern erst aus einer Reihe von Indizien, die ein Missverhältnis zwischen der Zahl der Abmahnungen und den Umfang des Geschäftsbetriebs erkennen lassen." (statt vieler OLG Hamm, Urteil vom 19. 5. 2009 - 4 U 23/09). Dies soll zukünftig nicht mehr gelten, „Massenabmahnungen" von Bagatellverstößen gegen das Urheberrecht sollen sich „künftig nicht mehr lohnen". Für wen, mag man da fragen? Für die Anwälte, die den Urheber hier unterstützen? Wohl kaum, denn ihnen bleibt im Falle der Unwirtschaftlichkeit ja noch immer die Vergütungsvereinbarung. Auf der Strecke bleibt hier sicherlich der Urheber, der zwar viel Geld für die Verteidigung seiner Rechte aufwenden muss, aber in Punkto Kostenerstattung auf der Strecke bleibt. Viele Urheber werden vor diesem Hintergrund von der Rechtsverfolgung absehen, das neue Urheberrecht wird seine Wirkung nicht verfehlen; Urheberrechtsverletzungen werden zur Bagatelle: Ein Freudentag für Kim Dotcom! Dies zeigt, es gibt immer zwei Seiten einer Medaille und auch die vermeintlichen Robin Hoods gegen das Abmahnwesen sind nicht immer allein aus altruistischen Motiven tätig.

Dr. Robert Kazemi

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