18
Sep 2010

BGH: Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel

Gut drei Jahre nach Entscheidung in der Sache I ZR 88/05 (GRUR 2008, 189 - Suchmaschineneintrag), hat der BGH erneut zu den Anforderungen an eine mutmaßliche Einwilligung in werbliche Anrufe bei sonstigen Markteilnehmern Stellung genommen.

Der Fall:

Bis zu ihrer Kündigung zum 31. Januar 2006 war der Beklagte zu 2. bei der Klägerin als Betriebs- bzw. Vertriebsleiter beschäftigt. Im Februar 2006 nahm der Beklagte zu 2. zusammen mit weiteren ehemaligen Mitarbeitern der Klägerin eine neue Beschäftigung bei der Beklagten zu 1. auf. Um die Leistungsangebote und das Personal der neu gegründeten Beklagten am Markt vorzustellen, nahmen deren Geschäftsführer im Februar 2006 durch Anrufe und Versendung von E-Mails Kontakt zu Kunden der Klägerin auf, die ihnen noch aus ihrer früheren Tätigkeit bei dieser bekannt waren. Eine ausdrückliche Einwilligung der Kontaktierten mit den Anrufen und dem Erhalt der E-Mails lag dabei nicht vor. Sowohl LG als auch OLG haben die Beklagten zur Unterlassung verurteilt. Der BGH hob die Verurteilung mit Blick auf die vermeintlich unerlaubte Telefonwerbung nunmehr auf.

Die Entscheidung:

Anders als im privaten Bereich ist telefonische Werbung im geschäftlichen Bereich nicht nur zulässig, wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis erklärt hat; sie ist vielmehr gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 UWG auch schon bei einer mutmaßlichen Einwilligung wettbewerbsgemäß.

Ein hinreichend großes Interesse des anzurufenden Gewerbetreibenden, das die Annahme rechtfertigt, er werde mit dem Anruf einverstanden sein, kann vor allem dann anzunehmen sein, wenn die telefonische Werbemaßnahme einen sachlichen Zusammenhang zu einer bereits bestehenden Geschäftsverbindung aufweist.

Der persönliche Kontakt, den die früheren Mitarbeiter der Klägerin im Rahmen ihrer damaligen Tätigkeit zu den Kunden und ihren Mitarbeitern geknüpft haben, deutet ebenso wie eine bereits bestehende Geschäftsbeziehung darauf hin, dass diese Kunden gegen einen Telefonanruf nichts einzuwenden haben, der sie darüber informiert, dass der frühere Mitarbeiter der Klägerin nunmehr bei einem Wettbewerber beschäftigt ist. Denn für die Mitarbeiter des Kunden besteht - auch unabhängig davon, ob zu dem Wettbewerber eine Geschäftsbeziehung aufgebaut werden soll - ein natürliches Interesse daran zu erfahren, dass der fragliche Mitarbeiter nun nicht mehr bei der Klägerin tätig ist.

Der Beklagte zu 2 konnte zudem berechtigterweise davon ausgehen, dass die von ihm Angerufenen auch gerade mit der Telefonwerbung einverstanden sein würden. Die Angerufenen hatten ein nicht unerhebliches Interesse an den von dem Beklagten zu 2 erteilten Informationen. Eine direkte Kontaktaufnahme per Telefonat bot den Angerufenen zudem die Möglichkeit, sich bei dem Anrufer unmittelbar nach Einzelheiten zu erkundigen. Die telefonische Informationserteilung war daher für die Angerufenen im Vergleich zu einer schriftlichen Ansprache schneller, einfacher und zielgerichteter, zumal der Anrufer den Angerufenen bereits bekannt war.

Bewertung:

Die Berücksichtigung einer im Rahmen der Beschäftigung bei einem ehemaligen Arbeitgeber gewachsenen persönlichen Kundenbeziehung stellt dabei einen neuen Wertungsaspekt dar. Auch wenn es aus Sicht vormaliger Arbeitgeber ungerechtfertigt erscheint, stellt sich die Beurteilung des I. Zivilsenates in diesem Punkt als zutreffend dar; sie berücksichtigt die - mit jedem langfristigen geschäftlichen Kontakt einhergehenden - persönlichen Beziehungen und trägt den Realitäten im Geschäftsleben Rechnung. Der innerbetriebliche Ansprechpartner ist für viele Kunden oftmals ein entscheidendes Verbindungsglied zum Auftragnehmer, so dass aus objektiver Sicht ein Interesse des Angerufenen dahingehend vermutet werden kann, zu erfahren, wo sein Kontakt nunmehr tätig ist. Netzwerkverbindungen sind zudem eine wichtige Quelle der Neukundenakquisition und müssen daher auch zu Wettbewerbszwecken nutzbar bleiben.

Dennoch lässt die Entscheidung einen wichtigen Punkt unbeachtet, auf den das OLG Köln (GRUR-RR 2010, 34) kürzlich einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gestützt hatte. In dem durch das OLG entschiedenen Fall hatte ein Stromkonzern gezielt Kunden, die von ihm zu einem Mitbewerber gewechselt waren, mit dem Ziel angeschrieben, diese zu einer Rückkehr zu bewegen. Obwohl die postalische Kontaktaufnahme unter dem Gesichtspunkt des § 7 UWG nicht zu beanstanden war, untersagte das OLG Köln diese Werbemaßnahme unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten auf Basis der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 4 Abs. 1, 28 Abs. 3 BDSG. Hiernach ist die Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke der Werbung nur nach vorheriger ausdrücklicher Einwilligung des Betroffenen zulässig, soweit es sich nicht um sog. Listendaten handelt, zu denen die Telefonnummer grds. nicht gehört. Die Entscheidungsgründe des hiesigen Urteils lassen nicht erkennen, woher die Daten, insbesondere die verwandten Telefonnummern der Angerufenen stammten und wer diese wann erhoben hat; unter Beachtung der vorzitierten Entscheidung des OLG Köln wäre eine Stellungnahme des BGH in diesem Punkte jedoch wünschenswert gewesen. Daher ist nach hiesiger Ansicht auch in Konstellationen, die der dem durch den BGH entschiedenen Sachverhalt vergleichbar erscheinen, Vorsicht geboten und zu überprüfen, ob die Telefonnummern mit Blick auf §§ 28 Abs. 3, 4 Abs. 1 BDSG zu Werbezwecken verwandt werden dürfen; denn anders als § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, ist hier die ausdrückliche vorherige Einwilligung des Betroffenen in die Datenerhebung und -verwendung stets erforderlich.

Dr. Robert Kazemi

Zurück