29
Mai 2018

BGH: Verwertung von Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel zulässig

Dashcams, d.h. kleine Minikameras, die im Auto auf das Armaturenbrett oder die Frontscheibe geklebt werden, um während der Fahrt den Straßenverkehr aufzunehmen, werden auch in Deutschland immer beliebter.

Inwieweit solche Aufnahmen vor Gericht jedoch als Beweismittel zuzulassen sind, wurde von den Gerichten bislang unterschiedlich beantwortet.

Diese Frage wurde nun vom BGH (Urteil v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17) zugunsten des Daschcam-Nutzers entschieden. Nach Ansicht des Gerichts ist grundsätzlich auch eine gegen geltende Datenschutzbestimmungen verstoßende Videoaufnahme als Beweismittel im Zivilprozess verwertbar. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Zum Sachverhalt

Geklagt hatte ein Autofahrer, welcher innerorts beim Linksabbiegen auf einer zweispurigen Abbiegespur mit einem anderen Auto seitlich kollidiert war. Streit herrschte im Prozess darüber, welches Fahrzeug von der Spur „abgekommen“ war und dadurch die Kollision ausgelöst hatte. Die im Fahrzeug des Klägers angebrachte Dashcam hatte den Verlauf vor dem Unfall sowie die eigentliche Kollision aufgenommen. Als Beweismittel wurden die Aufnahmen jedoch in den Vorinstanzen nicht zugelassen. Da der Gutachter zu keinem eindeutigen Ergebnis gelangt war, wer den Unfall aus technischer Sicht verursacht haben könnte, musste sich der BGH mit der Frage der Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen  beschäftigen.

Entscheidungsgründe

Der BGH bejahte die Verwertbarkeit solcher Aufzeichnungen, obwohl diese im vorliegenden Fall gemäß den geltenden Datenschutzbestimmungen unzulässig seien.

Denn jedenfalls eine permanente und ohne konkreten Anlass durchgeführte Aufzeichnung des Gesamtgeschehens im Straßenverkehr sei zur Wahrnehmung von Beweissicherungsinteressen nicht erforderlich. Es sei technisch möglich, eine kurze, anlassbezogene Aufzeichnung des unmittelbaren Unfallgeschehens zu gestalten, z.B. durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und dem Auslösen einer dauerhaften Speicherung erst im Falle der Kollision oder einer starken Verzögerung des Fahrzeugs.

Aus einem solchen Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen folge jedoch in einem Zivilprozess nicht ohne Weiteres ein Beweisverwertungsverbot der entsprechenden Aufnahmen. Über die Verwertbarkeit sei im Einzelfall vielmehr aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung zu entscheiden. Zugunsten des Klägers wog bei dieser Abwägung nach Auffassung des BGH, dass sich der Unfall im öffentlichen Straßenraum ereignet habe, in den sich der beklagte Unfallgegner freiwillig begeben habe. Vorliegend seien nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet worden, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar seien. Der Beklagte habe sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Schließlich sei auch der besonderen Beweisnot Rechnung zu tragen, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet sei. Für die Erstellung unfallanalytischer Gutachten fehle es häufig an verlässlichen Anknüpfungstatsachen.

Auswirkungen für die Praxis

Das Urteil klärt die bisher umstrittene Frage, inwieweit der gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßende Einsatz von Dashcams zu einem Beweisverwertungsverbot entsprechender Aufnahmen in zivilprozessualen Auseinandersetzungen führt, zugunsten des Dashcam-Nutzers. Wann ein Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen vorliegt, beantwortet der BGH auch, nämlich in der permanenten anlasslosen Aufzeichnung, also dem ständigen „nebenbei laufen lassen“ der Kamera. Und er gibt zumindest Hinweise darauf, wie eine datenschutzkonforme Nutzung der Dashcam aussehen könnte, nämlich durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und eine dauerhafte Speicherung erst im Falle des Crashs oder einer starken Verzögerung des Fahrzeugs. Hier sind auch die Hersteller der Dashcams gefragt. Aber auch die Autofahrer sollten nicht vergessen, dass ein unbefugter Gebrauch der Kamera ebenfalls durch diese dokumentiert wird und datenschutzrechtliche Sanktionen nach sich ziehen kann. Und Letztere sind durch die „neue“ Datenschutzgrundverordnung nochmals deutlich verschärft worden.

Rechtsanwältin Simone Vrancken

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