BGH: Zu den Anforderungen an blickfangmäßige Werbeaussagen in Bezug auf Preisangaben – Sondernewsletter
Sog. Blickfangwerbung ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. In den vergangenen Monaten ist diese Thematik beispielsweise im Zusammenhang mit der Aussage „Zahnersatz zum Nulltarif" wieder einmal massiv in den Blick der Öffentlichkeit geraten. In einem jetzt veröffentlichten Urteil hat sich auch der Bundesgerichtshof (BGH) mit den Anforderungen an diese Werbeform befasst (BGH, Urteil vom 10.12.2009 - I ZR 149/07).
Der Fall:
Die spätere Beklagte, die ein TV-Kabelnetz betreibt, warb im Juni 2005 mit einer E-Mail, die als „Sondernewsletter" bezeichnet war, für einen Telefonanschluss und eine Internet-Flatrate.
Eingangs der E-Mail wird darauf hingewiesen, dass man über das Kabelnetz der Beklagten auch telefonieren und im Internet surfen könne. Darunter befindet sich ein über die Breite der Seite reichendes Bild, das eine Person mit einem Telefonhörer zeigt. Im Text dazu heißt es in weißer Schrift auf orange-farbenem Grund:
„KONKURRENZLOS: TELEFON ANSCHLUSS VON K. FÜR NUR 9,90 EURO."
Erst im weiteren Fließtext findet sich ein Sternchen, das weiter unten wie folgt aufgelöst wird:
*Voraussetzung für Kabel Telefonie ist ein Kabel Anschluss nur im modernisierten Gebiet von K. , durch den weitere Kosten entstehen können. Einmalige Installationspauschale 99,90 Euro (inkl. MWST). Mindestvertragslaufzeit 12 Monate.
In ähnlicher Weise warb die Beklagte auch für die Internet-Flat. Auch hier war die Überschrift nicht mit einem Sternchenhinweis versehen. Ein solcher fand sich vielmehr ebenfalls nur im Fließtext und wurde erst am Ende der Email aufgelöst.
Die Entscheidung:
Die Mitbewerberin, die die Beklagte hieraufhin auf Unterlassung in Anspruch nahm, sah in der Werbeaussage eine unzulässige Blickfangwerbung und forderte von der Beklagten daraufhin das Verfahren mit Blick auf den erkannten Verstoß gegen die wettbewerbsrechtlichen Irreführungsvorschriften (§ 5 UWG) einzustellen. Während das Berufungsgericht die Ansprüche der Klägerin noch weitestgehend zurückgewiesen hatte, hat der BGH dem Unterlassungsbegehren nunmehr stattgegeben.
Umfang der Preisangabenpflicht
Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen Bestimmungen der § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 und 2 PAngV sind Marktverhaltensregelungen i.S. von § 4 Nr. 11 UWG (BGH, Urt. v. 4.10.2007 - I ZR 22/05, BGH GRUR 2008, 532 Tz. 21 = WRP 2008, 782 - Umsatzsteuerhinweis; BGH GRUR 2009, 1180 Tz. 24 - 0,00 Grundgebühr). Sie regeln, unter welchen Umständen und in welcher Weise ein Anbieter von Waren und Leistungen die Endpreise der von ihm angebotenen oder beworbenen Erzeugnisse anzugeben hat.
Wer als Anbieter von Leistungen gegenüber Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Endpreise). Zum Endpreis des hier beworbenen Telefonanschlusses und der Internet-Flatrate gehören - nach Ansicht des BGH - auch die Kosten des Kabelanschlusses.
Die Verpflichtung zur Angabe des Endpreises besteht zwar grundsätzlich allein im Blick auf die unmittelbar angebotenen oder beworbenen Produkte und gilt dagegen regelmäßig nicht für andere Produkte, die - wie etwa Verbrauchsmaterialien oder Zubehörteile - lediglich im Falle der Verwendung der angebotenen oder beworbenen Produkte erforderlich oder mit diesen kom-patibel sind. Der Anbieter oder Werbende ist nach der Preisangabenverordnung nicht zur Angabe der Preise von Produkten verpflichtet, die lediglich Gegenstand möglicher Folgegeschäfte sind, auch wenn er diese selbst anbietet und mittelbar mitbewirbt.
Anders verhält es sich jedoch, wenn mit dem Erwerb des angebotenen oder beworbenen Produkts zugleich eine Entscheidung oder eine nicht ohne Weiteres abzuändernde Vorentscheidung im Hinblick auf ein anderes Produkt des Anbieters oder Werbenden verbunden ist. In einem solchen Fall ist der Anbietende oder Werbende nach der Preisangabenverordnung verpflichtet, die für dieses andere Produkt entstehenden Kosten deutlich kenntlich zu machen (vgl. BGH GRUR 2008, 729 Tz. 16 - Werbung für Telefondienstleistungen). Dies gilt nach gefestigter Rechtsprechung auch dann, wenn sich die Werbung auf kombinierte Leistungen bezieht, die aus Sicht der angesprochenen Verbraucher als einheitliches Leistungsangebot und Gegenstand eines einheitlichen Vertragsschlusses erscheinen. In einem solchen Fall ist ein Endpreis für das einheitliche Leistungsangebot anzugeben (BGH GRUR 2009, 73 Tz. 18 - Telefonieren für 0 Cent!). Dabei liegt ein einheitliches Leistungsangebot in aller Regel jedenfalls dann vor, wenn die Inanspruchnahme der beworbenen Leistung zwangsläufig die Inanspruchnahme einer anderen Leistung voraussetzt.
Danach musste die Beklagte die Kosten des Kabelanschlusses neben den Kosten des Telefonanschlusses und der Internet-Flatrate kenntlich machen. Da ein Verbraucher den Telefonanschluss zum Preis von 9,90 € monatlich und die Internet-Flatrate zum Preis von 29,90 € monatlich nur in Anspruch nehmen kann, wenn er über einen Kabelanschluss der Beklagten verfügt, für den weitere Kosten entstehen, bietet die Beklagte aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verbraucher eine einheitliche Leistung an, die zum einen aus ei-nem Telefonanschluss oder einer Internet-Flatrate und zum anderen aus einem Kabelanschluss besteht.
Blickfangauflösung - Beseitigung der Irrführungsgefahr
Nachdem die Beklagte damit grundsätzlich zur Angabe des vollen Preises, inklusive der zwingend anfallenden Kabelanschlussbegühren verpflichtet war, stellte sich für den BGH nur noch die Frage, ob die Beklagte dieser Verpflichtung hinreichend nachgekommen ist, indem Sie am Ende der Email genau diese geforderten Informationen bereit hielt. Der BGH sah dies vorliegend als nicht gegeben an:
Ein Verstoß gegen das Irreführungsgebot des § 5 UWG liegt vor, wenn eine Angabe geeignet ist, die Umworbenen irrezuführen und sie zu falschen Entscheidungen zu beeinflussen. Entscheidend ist dabei stets die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet, so dass auch eine objektiv richtige Werbung subjektiv, das heißt, in ihrer Wirkung auf das Publikum, geeignet sein kann, irrige Vorstellungen hervorzurufen. Ob eine Angabe geeignet ist, irrezuführen, lässt sich daher nur feststellen, wenn man zuvor ihren Sinn ermittelt hat, den sie nach Auffassung der umworbenen Verkehrskreise hat.
Nach diesen Maßstäben ist eine blickfangmäßig herausgestellte Preisangabe unvollständig, wenn in der Werbung nicht gleichzeitig die weiteren Preisbestandteile so dargestellt werden, dass sie dem blickfangmäßig herausgestellten Preisbestandteil eindeutig zugeordnet sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar sind (vgl. BGHZ 139, 368, 376 - Handy für 0,00 DM; BGH, Urt. v. 2.6.2005 - I ZR 252/02, GRUR 2006, 164 Tz. 21 = WRP 2006, 84 - Aktivierungskosten II, m.w.N.). Die genannten Vorschriften der Preisangabenverordnung sollen verhindern, dass ein Wettbewerber mit der besonderen Preisgünstigkeit eines Preisbestandteils blickfangmäßig wirbt, weitere Preisbestandteile dagegen verschweigt oder in der Darstellung untergehen lässt (BGH GRUR 2009, 73 Tz. 25 - Telefonieren für 0 Cent!; GRUR 2009, 1180 Tz. 27 - 0,00 Grundgebühr). Eine eindeutige Zuordnung der weiteren Preisangaben zu den herausgestellten Preisangaben kann auf unterschiedliche Weise gewährleistet werden. Sie kann insbesondere durch einen Sternchenhinweis erfolgen. Voraussetzung ist aber, dass der Sternchenhinweis am Blickfang teilhat und da-durch eine klare und unmissverständliche Zuordnung der weiteren Preisangaben zu den herausgestellten Preisangaben gewahrt bleibt (vgl. BGHZ 139, 368, 377 - Handy für 0,00 DM), was bei der streitgegenständlichen Werbung gerade nicht der Fall war.
Bewertung:
Wer mit blickfangmäßig hervorgehobenen Aussagen wirbt, hat sicherzustellen, dass diese entweder voll zutreffen oder aber etwaige Einschränkungen dieser Aussagen leicht erkennbar und deutlich lesbar dem Blickfang eindeutig zuzuordnen.
Schließlich darf der Blickfang selbst auch keine objektive Unrichtigkeit enthalten. Auch bei einer Blickfangaussage muss es sich nämlich um eine solche handeln, an der „trotz ihres irreführenden Charakters" von Seiten des Werbenden ein nachvollziehbares Interesse besteht. Eine dreiste Lüge kann auch dann nicht zugelassen werden, wenn ein Sternchenhinweis eine Korrektur erhält (vgl. BGH, GRUR 2001, 78 - Falsche Herstellerpreisempfehlung; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 2.97; OLG Stuttgart, WRP 2010, 302 - Preisnachlasswerbung mit Fußnoten; OLG Stuttgart, WRP 2009, 236 - 12 % auf alles!; LG Düsseldorf, 8. Kammer für Handelssachen, Urteil vom 08.02.2008, 38 O 143/06; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.05.2009, I-20 U 77/08, Rn. 29).
Zu achten ist stets auch auf die neue Nr. 21 des Anhanges zu § 3 UWG, nach dem das Angebot eines Produktes als „gratis", „umsonst", „kostenfrei" oder dergleichen strikt verboten ist, wenn gleichwohl Kosten entstehen können. Angesichts des klaren Wortlautes der Regelung dürfte dieses Werbeverbot auch absolut gelten, so dass auch aus diesem Grund ein Sternchenhinweis, der über zusätzliche Kosten aufklärt, die Wettbewerbswidrigkeit der Werbung nicht beseitigen kann.
Dr. Robert Kazemi