14
Mai 2010

BGH: Zu den Grenzen vergleichender Werbung – „Paketpreisvergleich“

Werbung, die die Leistung eines oder mehrerer Wettbewerber mit dem eigenen Angebot vergleicht (so genannte vergleichende Werbung) ist in Deutschland seit dem 14. Juli 2000 aufgrund europarechtlicher Bestimmungen unter bestimmten Vorgaben erlaubt und im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelt. Bis zum Erlass der Richtlinie 97/55/EG galt vergleichende Werbung in Deutschland als grundsätzlich unzulässig und nur ausnahmsweise erlaubt. Insbesondere kritisierende, vergleichende Werbung genauso wie der bloße Preisvergleich, der Mitbewerber namentlich benannte oder unnötigerweise erkennbar machte, wurde als grundsätzlich unzulässig bewertet. Dahinter stand die Erwägung, ein Vergleich der eigenen Waren oder den Leistungen mit denen der Mitbewerber, sei grundsätzlich mit den guten Sitten des Wettbewerbes nicht vereinbar, auch wenn die aufgestellten Behauptungen wahr und die abgegebenen Werturteile sachlich richtig seien. Denn jede Werbung, die die eigene Leistung durch eine vergleichende Herabsetzung des Mitbewerbers herauszustellen suche, stehe mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbes im Widerspruch. Mitbewerber sollten nicht in einer unnötig herabsetzenden Form ein Urteil über fremde Waren oder Leistungen treffen, denn vielfach sei eine adäquate Reaktion hierauf kaum möglich.

Dass die Rechtsprechung mit dieser Einschätzung nicht unbedingt vollkommen daneben lag, zeigt der als so genannter „Cola-Krieg" in den 70er Jahren zwischen den Cola-Marken Coca Cola und Pepsi-Cola um die Vormachtstellung auf dem Weltmarkt ausgebrochene Konkurrenzkampf, der maßgeblich durch aggressive vergleichende Werbung geprägt war (zu den Hintergründen des Cola-Krieges: http://www.heise.de/tp/air4/artikel/27/27033/1.html).

Spätestens mit Erlass der Richtlinie 97/55/EG zeichnete sich auch in Deutschland eine weitgehende Liberalisierung der vergleichenden Werbung ab. Vergleichende Werbung ist gemäß § 6 UWG dementsprechend nur noch dann unzulässig, wenn sie sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht, nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist, im geschäftlichen Verkehr zu Verwechslungen zwischen dem Werbenden oder einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt, die Wertschätzung des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt, die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabgesetzt oder verunglimpft oder eine Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung darstellt.

Die bloße Inbezugnahme des Mitbewerbers und seiner Produkte innerhalb der eigenen Werbung ist damit grundsätzlich nicht mehr als unlauter zu bezeichnen. Dennoch ist die vergleichende Werbung ein sensibles Gebiet des Wirtschaftsrechtes, in dem es leicht zu juristischen Auseinandersetzungen kommen kann. Dies belegt auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 19. November 2009, I ZR 141/07 - Paketpreisvergleich) mit der sich der BGH mit einer Werbung der „Hermes-Paketshops" auf dem Gebiet der Paketbeförderung für private Verbraucher zu befassen hatte.

Der Fall:

Im Jahr 2005 warben die Hermes-Paketshops für ihren Paketdienst mit einem Plakat, in dem sie die Versandpreise für drei verschiedene Paketpreisen den Preisen gegenüberstellten, die die Deutsche Post AG für den Versand von Paketen vermeintlich berechnete. Wie nicht anders zu erwarten, stellten sich die Paketpreise der Hermes-Paketshops als zum Teil wesentlich günstiger dar als die Preise, die von der Deutschen Post AG für den Versand von Paketen berechnet wurden.

Die Klägerin sah hierin eine wegen Irreführung und fehlender Objektivität unzulässige vergleichende Werbung. Denn das Plakat erwecke den unrichtigen Eindruck, dass das Leistungsangebot der Hermes-Paketshop bei allen Paketen preisgünstiger sei als das der Klägerin.

Während das Landgericht der Klägerin noch Recht gab und die Hermes-Paketshops auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Schadensersatzfeststellung sowie Ersatz der Kosten für die außergerichtliche Abmahnung verurteilte, hob das in nächster Instanz angerufene OLG Hamburg diese Entscheidung wieder auf und wies die Unterlassungsklage der Deutschen Post AG zurück.

Die Entscheidung:

Der BGH teilt die Auffassung des OLG Hamburg nicht und stellt das landgerichtliche Urteil wieder her.

Der BGH stellt zunächst fest, dass das OLG Hamburg zu Recht eine wettbewerbswidrige vergleichende Werbung nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG verneint hat. Nach dieser Bestimmung handelt unlauter, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich nicht objektiv auf ein oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Ware oder Dienstleistung bezogen ist.

Der BGH nimmt an, dass das Erfordernis der Objektivität verlange, dass beim Verbraucher kein schiefes Bild entstehen dürfe; unlauterer seien danach Preisvergleiche insbesondere immer dann, wenn sich die preisrelevanten Konditionen der Wettbewerber nicht unwesentlich unterscheiden und auf diese Unterschiede nicht deutlich und unmissverständlich hingewiesen werde. Nach der Rechtsprechung des EuGH zielt das Erfordernis der Objektivität jedoch darauf ab, Vergleiche auszuschließen, die sich nicht aus einer objektiven Feststellung, sondern aus einer subjektiven Wertung ihres Urhebers ergeben. Danach sei der Begriff der Sachlichkeit allein dahin zu verstehen, dass subjektive Wertungen ausgeschlossen seien. Dementsprechend lasse die Unvollständigkeit oder Einseitigkeit eines Preisvergleiches dessen Objektivität im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG unberührt.

Da es im Streitfall nicht um einen Mangel an Objektivität, sondern um den von der Deutschen Post erhobenen Vorwurf, die Hermes-Paketshops haben einseitig nur für sie günstige Konstellationen in den Vergleich einbezogen ginge, scheide ein Mangel an Objektivität aus.

Der BGH stellt jedoch klar, dass sich die Werbung vorliegend als irreführend und damit nach § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 2 UWG als unzulässig darstellt.

Dem Durchschnittsverbraucher, auf dessen Verständnis abzustellen sei, sei klar, dass vergleichende Werbung regelmäßig dazu diene, die Vorteile der Erzeugnisse des Werbenden herauszustellen. Der Verbraucher gehe deshalb nicht davon aus, dass ein von einem Wettbewerber angestellter Werbevergleich ebenso wie ein von einem unabhängigen Testveranstalter vorgenommener Waren- oder Dienstleistungsvergleich auf einer neutral durchgeführten Untersuchung beruhe. Es begegne daher auch keinen grundsätzlichen Bedenken, wenn ein Werbevergleich sich nur auf bestimmte Gesichtspunkte beziehe, ohne andere Eigenschaften der miteinander verglichenen Produkte anzusprechen.

Die Grenze zur Irreführung sei jedoch dann überschritten, wenn ein Werbevergleich den falschen Eindruck vermittelt, es seien im Wesentlichen alle relevanten Eigenschaften in den Vergleich einbezogen worden. Dementsprechend ist eine im Rahmen vergleichende Werbung vorgenommener Preisvergleich als irreführend zu beurteilen, wenn sich die für den Preis maßgeblichen Konditionen der Wettbewerber nicht unwesentlich unterscheiden und der Werbende auf diese Unterschiede nicht deutlich und unmissverständlich hinweist.

Dies sei vorliegend nicht geschehen, denn die Hermes-Paketshops haben die Bemessungsgrundlage für die Kreise, die sich zwischen den Parteien deutlich unterscheiden (Abmessung der Pakete, auf der einen und gewichtete Pakete auf der anderen Seite) nicht deutlich genug herausgestellt. Aus den im Rahmen der Werbung gemachten Angaben konnte der Verbraucher zwar ersehen, dass die Schalterpreise bei der Deutschen Post anders als die Preise der Hermes-Paketshops nach dem Gewicht gestaffelt sind. Die von den Hermes-Paketshops im Rahmen der Werbung verwandte Tabelle ließ aber nicht erkennen, dass das Tarifsystem der Deutschen Post bei Paketen und Päckchen im Größenbereich zwischen maximal 15 cm x 11 cm x 1 cm und maximal 120 cm x 60 cm x 60 cm keinen Maßbeschränkungen kennt und dieser Umstand zur Folge hat, dass die Paketbeförderung durch die Deutsche Post zwar bei kleineren, aber bei schwereren Paketen regelmäßig teurer ist als bei den Hermes-Paketshops, dass aber umgekehrt bei größeren, aber leichteren Paketen und Päckchen die Beförderung durch die Hermes-Paketshops teurer ist. Die Hermes-Paketshops hätten - nach Ansicht des BGH - diesen für die Entgeltbemessung maßgeblichen Umstand deshalb bei dem von ihnen angestellten Preisvergleich offenbaren müssen. Damit wäre auch der vom Werbeplakat der Hermes-Paketshops ausgehende unzutreffende Eindruck vermieden worden, die von den Hermes-Paketshops erhobenen Beförderungsentgelte seien durchweg niedriger als die der Deutschen Post.

Bewertung:

Die vorliegende Entscheidung des BGH zeigt deutlich, dass im Rahmen einer Werbemaßnahme, die sich auf Werbevergleiche mit Produkten oder Dienstleistungen anderer Unternehmen konzentriert, nicht nur auf die Vorschrift zur vergleichenden Werbung in § 6 UWG abgestellt werden kann. Vielmehr sind - wie im Rahmen jeder Werbemaßnahme - auch im Rahmen der vergleichenden Werbung die übrigen Bestimmungen des UWG zu beachten. Im Rahmen der Werbung, die sich mit den Produkten oder Dienstleistungen von Konkurrenzunternehmen befasst, ist dabei vor allem die Vorschrift des § 5 UWG, die sich mit dem Tatbestand der irreführenden Werbung befasst, zu beachten. Jeder Werbende, der auf die vergleichende Werbung setzt, sollte dementsprechend darauf achten, dass die von ihm gezogenen Vergleiche nicht dadurch wettbewerbswidrig werden, dass wesentliche Eigenschaften der Produkte oder Dienstleistung des Konkurrenzunternehmens nicht oder nicht hinreichend deutlich erwähnt werden. In diesem Fall droht - dies zeigt die Entscheidung des BGH - die wettbewerbsrechtliche Inanspruchnahme aufgrund irreführender Werbung.

Dr. Robert Kazemi

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