30
Mär 2016

BSG entscheidet über aktuelle Angelegenheiten des Vertragsarztrechts – Nachbesetzung und Fortführungsfähigkeit, Pflicht zur Teilnahme eines MKG-Chirurgen am ärztlichen Bereitschaftsdienst

In zwei bislang noch nicht mit Urteilsgründen veröffentlichten Entscheidungen vom 23.03.2016 hat der 6. Senat am Bundessozialgericht über zwei wesentliche Gesichtspunkte des Vertragsrechts entschieden.

Im Verfahren B 6 KA 9/15 R ging es um die Klage eines Arztes, der sich gegen die Ablehnung der Zulassung eines Nachfolgers für seine orthopädische Einzelpraxis durch den beklagten Berufungsausschuss wendet. Dem dortigen Kläger war am 31.01.2011 seine Zulassung wirksam entzogen worden. Im Juni 2011 stellte er gleichwohl einen Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens, nachdem er zuvor bereits zwei Anträge aus November 2010 und März 2011 jeweils vor der Entscheidung des Zulassungsausschusses zurückgenommen hatte. Zur Sitzung des Zulassungsausschusses im September 2011 lagen Bewerbungen und Anträge auf Zulassung des zu 1) beigeladenen Orthopäden sowie von zwei MVZ vor, an denen die zu 2) bis 8) beigeladenen Ärzten beteiligt sind. Der Zulassungsausschuss lehnte die Anträge auf Zulassung ab, weil eine fortführungsfähige Praxis nicht mehr existiere. Auf den Widerspruch des Klägers bestätigte der Beklagte diese Entscheidung mit der Begründung, zum Zeitpunkt seines Beschlusses gebe es keine Praxis mehr, die fortgeführt werden könnte. Das BSG teilt diese Ansicht nicht:

„Die Auffassung des Landessozialgerichts, dass eine Nachfolgezulassung für die klägerische Praxis mangels Fortführungsfähigkeit nicht mehr zu erteilen war, trifft nicht zu. Für die Beurteilung der Fortführungsfähigkeit der Praxis ist aus Gründen der Effektivität des Rechtsschutzes der Zeitpunkt der Antragstellung auf Ausschreibung des Praxissitzes maßgeblich, nicht der Zeitpunkt des Beschlusses des Berufungsausschusses oder der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht. Eine Nachfolgezulassung scheidet nicht schon deshalb aus, weil nach der Bestandskraft der Zulassungsentziehung keine Zulassung mehr auf einen Nachfolger übertragen werden könnte. Dies hat das BSG zwar in einem Fall der Zulassungsentziehung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entschieden. Auf andere Pflichtverletzungen ist dies jedoch nicht übertragbar.

Nicht abschließend entschieden werden konnte, ob die weiteren Voraussetzungen für eine Nachfolgezulassung vorgelegen haben, insbesondere ob die Wiederholung des Ausschreibungsantrags hier unter Missbrauchsgesichtspunkten ausgeschlossen war. Die Umstände der zweimaligen Rücknahme des Ausschreibungsantrags durch den Kläger sowie Aspekte, die für eine Manipulationsabsicht des Klägers bezüglich des Bewerberfeldes sprechen, hat das Landessozialgericht bisher - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht aufgeklärt. Dies wird das Landessozialgericht nachzuholen und zu klären haben, ob der Kläger sein Recht auf Durchführung eines Nachfolgeverfahrens verloren hatte.“  (Terminbericht des BSG Nr. 11/16 zum Vertragsarztrecht)

Im Verfahren B 6 KA 7/15 R begehrte ein Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, der sowohl zur vertragsärztlichen als auch zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen ist, die Befreiung von der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst. Das BSG folgte der Entscheidung der Vorinstanzen und lehnt eine Befreiung ab:

„Die Revision des Klägers war ohne Erfolg. Er hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Teilnahme am vertragsärztlichen Notdienst.

Die Vorinstanzen haben zu Recht nicht beanstandet, dass dem Kläger angesichts der geringen Anzahl von Belegbetten und des entsprechend geringen Umfangs seiner belegärztlichen Tätigkeit eine Befreiung nicht allein aufgrund seiner Tätigkeit als Belegarzt zu erteilen ist. Bei der Frage, ob es ihm zumutbar ist, den vertragsärztlichen Notdienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen, können seine Umsätze aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit nicht außer Betracht bleiben. Es besteht kein Anspruch darauf, am Notdienst nur entsprechend dem Anteil des vertragsärztlichen Honorars am Gesamtumsatz der Praxis teilzunehmen. Die Doppelzulassung des MKG-Chirurgen als Vertragsarzt und Vertragszahnarzt darf allerdings auch nicht zu einer insgesamt unzumutbaren Belastung mit Notdiensten führen. Da der Kläger vom vertragszahnärztlichen Notdienst befreit ist, ist eine solche Situation hier nicht ersichtlich.“ (Terminbericht des BSG Nr. 11/16 zum Vertragsarztrecht)

Juliane Kazemi

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