BSG: Keine Ermächtigung des geringfügig beschäftigten Krankenhausarztes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung
Mit Urteil vom 20.03.2013 (Az. B 6 KA 26/12 R) hat der 6. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) gleich zwei wesentliche Fragestellungen des Ermächtigungsrechts entschieden. Krankenhäuser, in denen ermächtigte Ärzte arbeiten, sollten sich hierauf einstellen.
Der Fall:
Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie. Bis zum 30.11.2007 leitete er als Chefarzt die Rheumaklinik A. Kliniken gGmbH. Am 19.11.2007 schloss er mit dieser Gesellschaft einen "Dienstvertrag mit geringfügiger Beschäftigung". Die wöchentliche Arbeitszeit sollte vier Stunden betragen, die monatliche Vergütung 400 Euro.
Der Kläger war während seiner Tätigkeit als Chefarzt wiederholt durch Beschlüsse des Zulassungsausschusses (ZA) zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt worden. Die Ermächtigung umfasste ua die konsiliarische Beratung niedergelassener Vertragsärzte auf dem Gebiet der Rheumatologie sowie die Durchführung besonderer, im Einzelnen bestimmter Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, beides begrenzt auf Überweisung von zugelassenen Fachärzten für Innere Medizin, Orthopädie und Kinder- und Jugendmedizin. Die letzte Ermächtigung war am 30.8.2006 für den Zeitraum 1.10.2006 bis 30.9.2008 erteilt worden. Der Beschluss enthielt den Zusatz: "Die Ermächtigung erlischt automatisch zuvor, wenn er (der Kläger) seine Tätigkeit an der Rheumaklinik in A. beenden sollte."
Im April 2008 beantragte der Kläger die Erneuerung seiner Ermächtigung; er sei seit dem 30.11.2007 pensioniert, aber weiterhin in der Rheumaklinik tätig. Der ZA stellte daraufhin das Ende der Ermächtigung des Klägers mit dem 30.11.2007 fest. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision zum BSG.
Die Entscheidung:
Das BSG stellt zunächst klar, dass der Zulassungsausschuss berechtigt war, im Rahmen der Antragstellung auf Erneuerung der Ermächtigung im April 2008, das Ende der vorgehenden Ermächtigung zum 31.11.2007 festzustellen. Auch, wenn der Antrag des Klägers grundsätzlich auf eine Erneuerung gerichtet war, sei der Zulassungsausschuss an dieser Feststellung nicht gehindert gewesen.
Der Zulassungs- bzw. ihm nachfolgend der Berufungsausausschuss habe - so das BSG - zu Recht das Ende der dem Kläger zuletzt erteilten Ermächtigung mit Ablauf des 30.11.2007 (des letzten Arbeitstages des Klägers als Leiter der Rheumaklinik A.) festgestellt. Der Zulassungsausschuss (ZA) habe seine Entscheidung darauf gestützt, dass der letzten Ermächtigung des Klägers für die Zeit bis zum 30.9.2008 der Zusatz beigefügt war, dass die Ermächtigung schon vor Zeitablauf ende, sobald der Kläger aus der Rheumaklinik A. ausscheide. Er sei dabei zu Recht davon ausgegangen, dass dieses Ereignis mit Ablauf des 30.11.2007 eingetreten ist und die vom ZA bezeichnete Rechtsfolge ausgelöst habe. Die "Tätigkeit an der Rheumaklinik ...", die in der Nebenbestimmung des Bescheides des ZA angesprochen ist, sei diejenige des Klägers als leitender Arzt dieser Klinik. Diese Position habe der Kläger nach Vollendung des 65. Lebensjahres und dem Ausscheiden aus der Chefarztfunktion mit Ablauf des 30.11.2007 nicht mehr inne. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass ein Krankenhausarzt nach einem Wechsel der Position im Krankenhaus oder auch zu einem anderen Krankenhaus weiterhin die Voraussetzungen des § 116 Satz 2 SGB V für eine bedarfsabhängige Ermächtigung erfülle. Das zu beurteilen, sei jedoch allein Sache des ZA, soweit eine neue Ermächtigung beantragt wird. Sinn der Nebenbestimmung im Bescheid des ZA sei es, zu verhindern, dass eine Ermächtigung gleichsam "mitgenommen" werden kann, wenn der Arzt die Funktion im Haus oder das Haus selbst wechselt. Mit einem solchen Wechsel entzieht der Arzt der ihm erteilten Ermächtigung selbst die Grundlage. Es ist dann allein seine Sache, durch einen neuen Antrag zu belegen, dass er auch künftig einen Versorgungsbedarf decken kann, und nicht Sache des ZA, durch einen Widerruf der Ermächtigung den beruflichen Änderungen im Tätigkeitsfeld des Arztes Rechnung zu tragen.
Bewertung:
Hieraus folgt, dass Änderungen innerhalb des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses eines ermächtigten Krankenhausarztes gegenüber dem ZA anzuzeigen sind und ggf. sogar automatisch zum Wegfall der Ermächtigung führen können.
Weiterhin entschied das BSG die Frage, ob eine geringfügige Beschäftigung Basis für eine Ermächtigung nach § 116 SGB V sein kann. Das BSG beantwortet dies klar mit NEIN und stellt fest, dass ein geringfügig Beschäftigter kein „im Krankenhaus tätiger Arzt" i.S. des § 116 Satz 1 SGB V sei und allein aus diesem Grund nicht ermächtigt werden könne.
Auf der Grundlage des § 116 SGB V könnten nur Ärzte ermächtigt werden, die hauptberuflich in einem Krankenhaus bzw. einer der anderen dort genannten Einrichtung beschäftigt seien. Obgleich sich dieses Erfordernis nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergebe, sei diese Anforderung aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der Norm abzuleiten. Hauptberuflich in diesem Sinne bedeutete nicht, dass nur Ärzte ermächtigt werden können, die im Krankenhaus vollzeitbeschäftigt sind. Der Beschäftigungsumfang müsse aber so ausgestaltet sein, dass er die ärztliche Berufstätigkeit des Arztes prägt und darf - ausgedrückt in Stunden der regelmäßigen vertragsgemäßen Beschäftigung - die Hälfte des insoweit für einen vollzeitbeschäftigten Arzt maßgeblichen Volumens nicht unterschreiten. Auch aus gesetzessystematischen Gründen kämen für eine Ermächtigung nach § 116 SGB V nur Ärztinnen und Ärzte in Betracht, die hauptberuflich in der stationären Versorgung tätig sind. Wären von dieser Vorschrift auch Ärzte erfasst, die in Gesundheitsämtern oder bei Versicherungen tätig sind, und nebenberuflich in einem Krankenhaus eine Koronarsportgruppe leiten oder Kurse zur Vermeidung von Rückenbeschwerden geben, wäre das mit der gesetzlich vorgegebenen Reihenfolge der Ermächtigungstatbestände nicht vereinbar.
Auch nach Sinn und Zweck ginge es bei der Beteiligung/Ermächtigung von Krankenhausärzten stets um die Einbeziehung der an Krankenhäuser gebundenen ärztlichen Kompetenz in die ambulante Versorgung. Bei einer zeitlich nur ganz untergeordnet ausgeübten ärztlichen Tätigkeit an einem Krankenhaus stehe jedoch nicht die Kompetenz des Krankenhauses, sondern der Zugang eines Arztes zur ambulanten Versorgung im Vordergrund, wofür nach den Teilnahmevoraussetzungen des Vertragsarztrechts eine Zulassung benötigt werde. Neben der fachlichen Kompetenz der Krankenhäuser, spiele deren technisch-apparative Infrastruktur für die ambulante Versorgung eine Rolle. Über § 116 Satz 1 SGB V werde die - persönliche - fachliche Qualifikation des Arztes mit den sächlichen Mitteln, die in den Krankenhäusern vorgehalten werden, verbunden. Das Gesetz ziele darauf ab, dass diese personellen und sächlichen Ressourcen für die ambulante Versorgung nutzbar gemacht werden. Das setzt den Zugriff des Arztes hierauf voraus, weshalb - u.a. - auch die Zustimmung des jeweiligen Krankenhausträgers zu einer Ermächtigung erforderlich ist. Das wiederum verlange entsprechende vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Arzt und dem Träger, die nicht lediglich mit dem Ziel der Erteilung einer Ermächtigung abgeschlossen werden dürfen. Maßgebliches Kriterium sei, dass der Arzt seiner Weiterbildung entsprechend in die Wahrnehmung des Versorgungsauftrags des Krankenhauses eingebunden ist, die Ermächtigung also nur gelegentlich einer ohnehin ausgeübten Tätigkeit an dem Krankenhaus erteilt werde.
Dr. Robert Kazemi