30
Okt 2013

Drohen jetzt Abmahnungen wegen der Einbindung von METIS-Zählmarken auf meine Internetseite?

Erst kürzlich war die VG Wort im Zusammenhang mit der Ausschüttung von Verlagsanteilen in die Schlagzeilen geraten, hatte sich der Urheberrechtler Martin Vogel doch erfolgreich gegen die hiermit einhergehende Kürzung seiner Ausschüttungen gewandt. Nun droht neuer Ärger und zwar mit dem Datenschutz.

Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) verwaltet die Tantiemen aus Zweitverwertungsrechten an Sprachwerken in Deutschland.  Seit der Reform des Urheberrechts von 1972 steht den Autoren und Verlagen auch für die Ausleihe ihrer Werke in öffentlichen Bibliotheken eine Vergütung zu. Weitere Einnahmen kommen aus Lesezirkelvergütungen für das Ausleihen und Vermieten von Werken, Vergütungen für die Nutzung von Artikeln in Pressespiegeln, für Nachdrucke in Schulbüchern sowie aus Geräteabgaben.

Zum 1. Januar 2007 führte die Verwertungsgesellschaft Wort das Meldesystem für Texte auf Internetseiten (METIS) ein. Mit METIS sollte der Missstand behoben werden, der sich dadurch ergab, dass Veröffentlichungen im Netz im Rahmen der Ausschüttungen keine Berücksichtigung gefunden hatten. Seitdem kann für Texte im Internet, die mindestens einen Umfang von 1.800 Zeichen haben, eine Tantieme beansprucht werden, je nachdem wie oft diese Texte im Netz aufgerufen werden. Damit die VG Wort die Aufrufe eines Tantiemen berechtigten Textes überhaupt nachvollziehen kann, müssen Autoren und Verlage den Text mit einem so genannten „Zählpixel" versehen. Genau dieses „Zählpixel" sorgt aktuell für Ärger. Da nur Aufrufe aus Deutschland gezählt werden, speichert das „Zählpixel" auch die IP-Adressen oder Domains der Besucher.

Nach Ansicht des Berliner Datenschutzbeauftragten ist die derzeitige Ausgestaltung des Online-Zählpixels der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) datenschutzwidrig. Dies berichtet das Online-Portal akademie.de in einer aktuellen Pressemitteilung. Nach den Feststellungen des Berliner Datenschutzbeauftragten sollen über das Zählpixel der VG Wort sowohl die vollständigen IP-Adresse als auch weitere Informationen über den Leser (bspw. Linkinformation über den gerade gelesenen Text) gespeichert und an die VG Wort unverschlüsselt übermittelt werden. Des Weiteren werde über jeden Zähl-Pixel ein Zweijahres-Langzeit-Cookie auf dem Rechner des Nutzers abgelegt, ohne dass die VG Wort eine Möglichkeit anböte, ein Opt-Out zu setzten und somit von der Zählung nicht erfasst zu werden. Die VG Wort sieht sich nach Angaben von akademie.de hierzu berechtigt und wird mit nachfolgender Aussagen zitiert:

„Aus unserer Sicht verbietet sich ein Optout sogar, da wir ja Rechte wahrnehmen, mit deren Verwaltung wir vom Gesetzgeber betraut wurden. Ein Optout entspräche nach unserer Sicht einem 'nein, ich will nicht, dass Urheber die vom Gesetzgeber zugestandene, angemessene Vergütung für ihre Werke erhalten"

Nach Angaben von akademie.de stellte der Berliner Datenschutzbeauftragte indes fest,  dass es derzeit bereits an einem zulässiger Datenverarbeitungszweck nach § 15 Abs. 3 bis 5 TMG (Telemediengesetz) fehle, der die Datenübermittlung an die VG Wort als „Auftragsdatenverarbeiter" erlaube. Ferner fehle die erforderliche schriftliche Vereinbarung gemäß § 11 Abs. 2 BDSG. Schließlich sei es rechtswidrig, den Internet-Nutzern den Optout-Button und damit ihre Widerspruchsmöglichkeit gegen eine Zählung gemäß § 15 Abs. 3 TMG zu blockieren.

In zahlreichen Stellungnahmen wird daher allen Autoren und Verlagen angeraten, Zählpixel aus ihrem Internetangebot umgehend zu entfernen, weil ansonsten Abmahnungen drohen würden.

Auch, wenn die Stellungnahme des Berliner Datenschutzbeauftragten hier nicht im Wortlaut vorliegt, fragt sich doch, ob eine solche Reaktion tatsächlich angezeigt ist.

Denn hier stellt sich die Frage, wer genau als verantwortliche Stelle einzustufen ist. Ist dies wirklich der Autor / der Verlag / der Webseitenbereiber, der das Zählpixel in sein Internetangebot einbindet oder ist es nicht allein die VG Wort, die diesen Zählpixel zu eigenen „Abrechnungszwecken" verwendet?

M.E. ist letzteres der Fall. Insoweit sind auch die Ausführungen in Bezug auf eine vermeintliche Auftragsdatenverarbeitung nicht nachzuvollziehen. Eine Auftragsdatenverarbeitung liegt vor, wenn personenbezogene Daten durch eine andere Stelle im Auftrag erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, § 11 Abs. 1 BDSG. Damit eine Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 11 BDSG vorliegt, dürfen der datenverarbeitenden Stelle die Aufgaben nicht zur selbstständigen Erledigung übertragen werden; es ist sicherzustellen, dass der Auftragnehmer nicht selbst bestimmen kann, welche Arten personenbezogener Daten er erhebt, speichert und verarbeitet und wie er damit im Weiteren verfährt. In diesem Fall liegt eine Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung für eine „andere Stelle" gerade nicht vor, so dass die Datenverarbeitung hier durch den Auftragnehmer selbst zu verantworten ist.  Nicht jedes „Outsourcing" ist damit zugleich Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 11 BDSG. Bei der Datenverarbeitung im Auftrag, wie sie in § 11 BDSG geregelt ist, wird nicht die Aufgabe selbst, zu deren Zweck die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von personenbezogenen Daten erfolgt, ausgelagert, sondern lediglich der zur Aufgabenerledigung erforderliche Umgang mit den Daten, mithin der praktisch-technische Teil der Datenverarbeitung. Dies jedoch ist m.E. bezogen auf die Zähl-Pixel nicht der Fall.

Die Konstellation scheint indes vergleichbar mit der aktuellen Diskussion um den sog. Facebook-Like-Button. Auch hier war vertreten worden, dass die Webseiten-Betreiber, die den Like-Button in ihr Angebot integrieren, datenschutzrechtswidrig handeln würden. Einer Pressemitteilung des Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) zur Folge hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht (VG) jedoch nunmehr entschieden, dass deutsche Betreiber von Facebook-Fanpages für die bei Facebook erfolgende Datenverarbeitung datenschutzrechtlich in keiner Weise verantwortlich gemacht werden können, „weil sie faktisch auf das Angebot von Facebook keinen Einfluss nehmen können und auch keinen Zugriff auf die personenbezogenen Daten hätten" (Az. 8 A 37/12, 8 A 14/12, 8 A 218/11).  Verantwortliche Stelle im Sinne des BDSG und damit datenschutzrechtlich Verpflichteter war in diesem Falle also nicht der Webseiten-Betreiber, sondern allein Facebook. Warum sich die Situation im Falle der Zählpixel der VG Wort anders darstellen sollte, erschließt sich nicht, denn auch hier erfolgt die Datenverarbeitung und -nutzung allein durch die VG Wort und kann der Webseitenbetreiber weder Einfluss auf die VG Wort nehmen, noch erlangt dieser überhaupt Zugriff auf die personenbezogenen Daten.

Auch das Kammergericht Berlin hatte im Zusammenhang mit dem Facebook-Like Button ähnlich entschieden und eine wettbewerbsrechtliche Haftung des Webseitenbetreibers verneint. Dabei lies das LG Berlin die Frage, in welchem Umfange durch Facebook Nutzerdaten über den Like-Button gesammelt werden, sogar offen. Denn nach Ansicht der Berliner Richter wäre der dann anzunehmende Verstoß gegen § 13 TMG jedenfalls wettbewerbsrechtlich nicht angreifbar. Anders als Verbraucherschutzvorschriften zum Internethandel dienten die Vorschriften zum Datenschutz nämlich allein dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen und nicht dazu, für ein lauteres Verhalten am Markt zu sorgen. Verstöße gegen datenschutzrechtliche Normen seinen damit „wettbewerbsneutral".

Bewertung:

Ob die VG Wort hier gegen geltendes Datenschutzrecht verstößt  ist eine interessante Fragestellung. Gleichwohl sehe ich einen Verstoß der die Zählpixel integrierenden Webseitenbetreiber nicht. Vor dem Hintergrund der zitierten Entscheidungen des VG Schleswig und auch des Kammergerichts Berlin scheint eine Verantwortlichkeit hier eher nicht gegeben zu sein. Wer gleichwohl „auf Nummer sicher" gehen will, dem sei angeraten, wenigstens seine Datenschutzhinweise gem. § 13 TMG entsprechend anzupassen und eine Information über die „Zählmarken" der VG zu integrieren.

Hier vorschnelle alle Zählmarken zu löschen, erscheint indes aus hiesiger Sicht nicht geboten.

Dr. Robert Kazemi

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