Kein Schlechthinbenutzungsverbot einer Internetdomain aus gleichlautendem Kennzeichen - BGH bestätigt EuroTelekom
Das durch die Registrierung einer Internetdomain begründete „vertragliche“ Recht unterfällt dem Schutzbereich des Grundgesetzes (Art. 14 Abs. 1 GG) und des Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK und ist damit als Eigentumsrecht anerkannt. Dies ist, spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in der Rechtssache "ad-acta.de" (Beschluss vom 24.11.2004 = MMR 2005, 165 m. Anm. Kazemi/Leopold) in Deutschland herrschende Rechtsauffassung und wurde zwischenzeitlich auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bestätigt.
Oftmals sehen sich Domaininhaber Ansprüchen von Marken- und Namensinhabern ausgesetz, die von Ihnen - meist im Wege der Abmahnung - markenrechtliche Unterlassungsansprüche aus dem Grunde geltend machen, dass die Internetdomain mit einem Kennzeichenrecht oder einem Namensrecht (§ 12 BGB) identisch/verwechslungsfähig sei. Verbunden wird dieser Anspruch in aller Regel mit dem Verlangen, der Domaininhaber solle, um die Verletzung einzustellen, in die Löschung seiner Domainrechte beispielsweise bei der DENIC e.G. einwilligen. Noch vor drei Jahren wären die Markeninhaber mit diesem Verlangen auch vor den deutschen Gerichten durchgedrungen. In nahezu allen bis dahin bekannt gewordenen Verfahren (das berühmteste dürfte wohl das Verfahren um die Domain "shell.de" gewesen sein) war der Domaininhaber durch alle Instanzen zur Löschung seiner streitgegenständlichen Domains verurteilt worden. Einfachgesetzlich wie verfassungsrechtlich stützten sich die Entscheidungen stets auf einen Vorrang der marken- bzw. namensrechtlichen Rechtsposition vor dem vertraglich begründeten Eigentumsrecht des Domaininhabers. So stellte das BVerfG fest, dass die markenrechtlichen Vorschriften der §§ 5, 15 MarkenG verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen darstellen und daher im Falle der Beeinträchtigung des Markenrechts auch die Löschung einer Internetdomain rechtfertigen könnten. Die Löschung sei dabei insbesondere zur Beseitigung der markenrechtlichen Störung geeignet, erforderlich und auch angemessen (BVerfG, MMR 2005, 165, 166). Diese vielfach auch durch Rechtsanwalt Dr. Kazemi, kritisierte Rechtsauffassung (vgl. Kazemi/Leopold, MMR 2004, 287, 289 f.) hat nunmehr, nicht durch verfassungsgerichtliche, sondern durch bundesgerichtliche Intervention zumindest im Bereich des Markenrechts eine Kehrtwende ab. Mit Urteil vom 19.07.2007 hat BGH (Urt. v. 19. Juli 2007 - I ZR 137/04) nämlich klar gestellt, dass ein markenrechtlich begründeter Domainlöschungsanspruch nur dann begründet wärem wenn bereits das Halten eines Domain-Namen für sich gesehen eine Rechtsverletzung darstellt. Hiervon soll jedoch „nur dann ausgegangen werden dürfen, wenn jede Verwendung auch dann, wenn sie im Bereich anderer Branchen, als der für die der Anspruchssteller Markenschutz beanspruchen kann, erfolgt, zumindest eine nach § 15 Abs. 3 MarkenG unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung des Kennzeichens darstellt“. Gerade dies aber könne nach der Lebenserfahrung grundsätzlich nicht angenommen werden. Kurz gesagt, ein „Schlechthinbenutzungsverbot“ an einer Internetdomain und damit ein Löschungsanspruch kann aus einem Markenrecht nicht hergeleitet werden. Solange der Domaininhaber die Internetdomain also noch gar nicht mit Inhalten oder aber mit branchenfremden Inhalten gefüllt hat, scheidet ein Löschungsanspruch aus. Nur eine derartige Rechtsansicht führt auch zu einem gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen. Diesen Rechtsstandpunkt hat der BGH nunmehr auch in seiner Entscheidung "ahd.de" bekräftig (Urteil vom 19. Februar 2009 – I ZR 135/06 – ahd.de; auch BGH, Urt. v. 24.4.2008 – I ZR 159/05 – afilias.de).
Jedem Domaininhaber, der sich Löschungsansprüchen wegen der Verwendung einer gegen ein Marken- oder Namensrecht verstoßenden Internetdomain gegenüber sieht, ist daher zu Empfehlen, seine Domain nicht "kampflos" aufzugeben, sondern Prüfen zu lassen, ob ein Löschungsanspruch nicht auf Grundlage der zitierten Entscheidungen ausscheidet. Ist die Domain einmal freigegeben oder gelöscht, wird sie nämlich kaum wieder zurückerlangt werden können.
Dr. Robert Kazemi