11
Jun 2013

KG Berlin: Keine Städteinformationen auf „berlin.com“ - Gericht untersagt Tourismusinformationen

Man mag glauben, die Streitigkeiten um TopLevelDomains (TLDs) hätten bereits vor einigen Jahren ihren Zenit erreicht und beschäftigten die deutschen Gerichte aktuell nicht mehr. Weit gefehlt, wie die Entscheidung des Kammergerichts zur Domain „berlin.com" bestätigt (KG, Urteil vom 15. März 2013 -  Az. 5 U 41/12).

Der Fall:

Die in den USA ansässige World Media Group (WMG) hat bereits vor einigen Jahren die die Domain „berlin.com" für sich registrieren lassen und hielt unter der Zieladresse www.berlin.com Informationen über die Hauptstadt Berlin bereit. Dies passte der Stadt Berlin nicht, denn sie sah sich hierdurch in ihrem Namensrechten verletzt. Zu Recht, wie das Kammergericht nun urteilte.

Die Entscheidung:

Nach Ansicht des Kammergericht ist es dem Domaininhaber untersagt, Informationen über Berlin bereitzuhalten, sofern eine Verwirrung über die Identität des Betreibers nicht rasch durch die sich öffnende Homepage ausgeschlossen wird. So heißt es in der Entscheidung, dass es zu berücksichtigen sei, „dass das ausgesprochene Verbot sehr beschränkt ist und die Beklagte nicht daran hindert, die Domain "berlin.com" zu dem beabsichtigten Zweck zu benutzen und dort Informationen aus dem Bereich Tourismus und Fremdenverkehr mit Bezug auf Berlin zu verbreiten, wenn dies auf eine Art und Weise geschieht, die eine Verwechslung mit dem Kläger ausschließt."

Bewertung:

Das durch die Registrierung einer Internetdomain begründete „vertragliche" Recht unterfällt dem Schutzbereich des Grundgesetzes (Art. 14 Abs. 1 GG) und des Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK und ist damit als Eigentumsrecht anerkannt. Dies ist, spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in der Rechtssache "ad-acta.de" (Beschluss vom 24.11.2004 = MMR 2005, 165 m. Anm. Kazemi/Leopold) in Deutschland herrschende Rechtsauffassung und wurde zwischenzeitlich auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bestätigt.

Oftmals sehen sich Domaininhaber Ansprüchen von Marken- und Namensinhabern ausgesetz, die von Ihnen - meist im Wege der Abmahnung -  markenrechtliche Unterlassungsansprüche aus dem Grunde geltend machen, dass die Internetdomain mit einem Kennzeichenrecht oder einem Namensrecht (§ 12 BGB) identisch/verwechslungsfähig sei. Verbunden wird dieser Anspruch in aller Regel mit dem Verlangen, der Domaininhaber solle, um die Verletzung einzustellen, in die Löschung seiner Domainrechte beispielsweise bei der DENIC e.G. einwilligen. Noch vor drei Jahren wären die Markeninhaber mit diesem Verlangen auch vor den deutschen Gerichten durchgedrungen. In nahezu allen bis dahin bekannt gewordenen Verfahren (das berühmteste dürfte wohl das Verfahren um die Domain "shell.de" gewesen sein) war der Domaininhaber durch alle Instanzen zur Löschung seiner streitgegenständlichen Domains verurteilt worden. Einfachgesetzlich wie verfassungsrechtlich stützten sich die Entscheidungen stets auf einen Vorrang der marken- bzw. namensrechtlichen Rechtsposition vor dem vertraglich begründeten Eigentumsrecht des Domaininhabers. So stellte das BVerfG fest, dass die markenrechtlichen Vorschriften der §§ 5, 15 MarkenG verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen darstellen und daher im Falle der Beeinträchtigung des Markenrechts auch die Löschung einer Internetdomain rechtfertigen könnten. Die Löschung sei dabei insbesondere zur Beseitigung der markenrechtlichen Störung geeignet, erforderlich und auch angemessen (BVerfG, MMR 2005, 165, 166). Diese vielfach auch durch Rechtsanwalt Dr. Kazemi, kritisierte Rechtsauffassung (vgl. Kazemi/Leopold, MMR 2004, 287, 289 f.) hat nunmehr, nicht durch verfassungsgerichtliche, sondern durch bundesgerichtliche Intervention zumindest im Bereich des Markenrechts eine Kehrtwende ab. Mit Urteil vom 19.07.2007 hat BGH (Urt. v. 19. Juli 2007 - I ZR 137/04) nämlich klargestellt, dass ein markenrechtlich begründeter Domainlöschungsanspruch nur dann begründet wären wenn bereits das Halten eines Domain-Namen für sich gesehen eine Rechtsverletzung darstellt. Hiervon soll jedoch „nur dann ausgegangen werden dürfen, wenn jede Verwendung auch dann, wenn sie im Bereich anderer Branchen, als der für die der Anspruchssteller Markenschutz beanspruchen kann, erfolgt, zumindest eine nach § 15 Abs. 3 MarkenG unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung des Kennzeichens darstellt". Gerade dies aber könne nach der Lebenserfahrung grundsätzlich nicht angenommen werden. Kurz gesagt, ein „Schlechthinbenutzungsverbot" an einer Internetdomain und damit ein Löschungsanspruch kann aus einem Markenrecht nicht hergeleitet werden. Solange der Domaininhaber die Internetdomain also noch gar nicht mit Inhalten oder aber mit branchenfremden Inhalten gefüllt hat, scheidet ein Löschungsanspruch aus. Nur eine derartige Rechtsansicht führt auch zu einem gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen. Diesen Rechtsstandpunkt hat der BGH auch in seiner Entscheidung "ahd.de" bekräftig (Urteil vom 19. Februar 2009 - I ZR 135/06 - ahd.de; auch BGH, Urt. v. 24.4.2008 - I ZR 159/05 - afilias.de).

Dr. Robert Kazemi

 

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