17
Aug 2010

KG Berlin: Rechtsmissbräuchliche Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche aufgrund Prozessfinanzierung

Abmahnungen auszusprechen kann für Anwälte ein lukratives Geschäft sein. Vor allem bei leicht festzustellenden, immer wiederkehrenden Verstößen kann die Rechtsverfolgung gebührentechnisch interessant sein, werden doch selbst bei kleineren Verstößen gegen Marktverhaltensregelungen schnell Streitwerte bis zu 50.000,00 € erreicht. Das „Abmahngeschäft" hat dementsprechend in den vergangenen Jahren eine neue „Spezialisierung" hervorgebracht, in vielen Internetforen werden Kollegen oft allzu schnell als sog. „Abmahnanwälte" bezeichnet.

Obwohl die Verfolgung rechtlicher Ansprüche - auch in zahlreichen, gleichgelagerten Fällen - grundsätzlich zulässig ist, erkennt auch das Wettbewerbsrecht die Notwendigkeit Eindämmung des exzessiven Abmahnwesens. Nach § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs daher unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

Zugegeben, Fälle, in denen Rechtsmissbräuchlichkeit angenommen wird, sind verhältnismäßig selten. Einen dieser seltenen Fälle hatte nunmehr das Kammergericht (KG) in Berlin zu entscheiden (KG, Beschluss vom 03.08.2008 - 5 U 82/08).

Der Fall:

Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen der Verwendung einer (unstreitig) nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Widerrufsbelehrung ab und forderte diese zur Unterlassung sowie zum Ersatz von Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung auf.

Die Beklagte erhebt gegen die (zunächst) erlassene Einstweilige Verfügung den Rechtsmissbrauchseinwand. Hierzu behauptet sie, die Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigter betreibe eine umfangreiche Abmahntätigkeit, die in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur geringen wirtschaftlichen Betätigung - insbesondere der nur geringen Umsätze im Textilbereich - der Klägerin stehe. Im Internet veröffentliche der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Angebote "kostenneutraler Abmahnungen". Dies sei zum einen das Angebot unter dem Pseudonym "h------", zum anderen das Angebot mit dem Absender gegen------@aol.com. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und die M-Prozessfinanzierungs- & Beteiligungs GmbH und die Klägerin wirkten dergestalt zusammen, dass der Prozessbevollmächtigte mit der Klägerin vereinbart habe, dass die Abmahnungen für sie kostenneutral erfolgen, weil er die Gebührenansprüche über die M-GmbH liquidiert, dies wiederum gegen Beteiligung an den Gebühren- und Vertragsstrafeerlösen. Es sei davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte mit der Klägerin eine Vereinbarung getroffen habe, wonach diese in erheblicher Höhe an seinen Gebühreneinnahmen aus der Abmahntätigkeit beteiligt wird. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin betreibe das Abmahngeschäft zudem in eigener Sache, denn die Klägerin selbst habe überhaupt keine Ahnung von den Rechten und Pflichten im Fernabsatzverkehr.

Die Entscheidung:

Das OLG gab - wie schon das LG - der Beklagten Recht und wies die geltend gemachten Ansprüche auf Grundlage des § 8 Abs. 4 UWG zurück. Rechtsmissbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG sei anzunehmen, wenn ein Rechtsanwalt den Auftraggeber ganz oder teilweise vom Kostenrisiko freistellt. Gleiches müsse jedoch gelten, wenn im Zusammenwirken von Rechtsanwalt und Prozessfinanzierer dem Mandanten eine kostenfreie Verfolgung von Unterlassungsansprüchen nebst einer Profitmöglichkeit (etwa aus anfallenden Vertragsstrafen) angeboten werde. Bei einem solchen Modell der Rechtsverfolgung stehe zu vermuten, dass die Ansprüche weniger aus Gründen des Wettbewerbs geltend gemacht werden als zur Erzielung von Einnahmen des Gläubigers und seines Anwalts.

Die erhebliche Zahl von Verfahren, mit denen die Klägerin wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche betreibt, reiche allerdings allein für einen solchen Schluss nicht aus. Zwar kann eine Missbräuchlichkeit dann vorliegen, wenn eine unverhältnismäßig umfangreiche Abmahntätigkeit in einem Branchenbereich vorliegt, in dem der Abmahner selbst nur marginal tätig ist. Die Klägerin, die im Rahmen ihrer eBay-Verkäufe seit 2001 über 25.000 Bewertungen erhalten hatte, war aber nicht nur "marginal" im vorbezeichneten Sinne tätig.

Dennoch könne vorliegend festgestellt werden, dass im Namen der Klägerin eine Vielzahl von leicht über das Internet zu ermittelnder Verstößen verfolgt worden sind, die rechtlich kaum Probleme aufgeworfen und den Geschäftsbetrieb der Klägerin nur indirekt und eher abgeschwächt berührt hatten.

Hier komme jedoch entscheidend dazu, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit der M-GmbH zusammen arbeite, deren vormaliger Geschäftsführer eine kostenfreie Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche durch die M-GmbH unter Einschaltung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bewarb, wobei anfallende Vertragsstrafen zwischen dem Kunden und der M-GmbH hälftig geteilt werden sollten.

Die dargestellten Erkenntnisse zur Akquise von Mandaten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin machen es wahrscheinlich, dass dem gehäuften gerichtlichen Vorgehen der Klägerin eine Kostenfreistellungsabrede zugrunde lag, so das Gericht.

Bewertung:

Unter Zugrundelegung des durch das Gericht festgestellten Sachverhaltes erscheint die Entscheidung konsequent und folgerichtig. Zu beachten ist jedoch folgendes:

Von einem Rechtsmissbrauch ist nur dann auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind, so etwa das Interesse, Gebühren zu erzielen oder den Gegner durch möglichst hohe Prozesskosten zu belasten oder ihn generell zu schädigen. Hierbei setzt die Annahme eines Missbrauchs nicht voraus, dass die Rechtsverfolgung ohne jedwede wettbewerbsrechtlichen Interessen betrieben wird. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Absichten hinter den vom Gesetzgeber missbilligten Zielen ist nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr, dass die sachfremden Ziele überwiegen.

Das Vorliegen eines Missbrauchs ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung und Abwägung der gesamten Umstände festzustellen. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die in der Regel aber nur aus den äußeren Umständen erschlossen werden können. Zu diesen Umständen können die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes und das Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß zählen. Vor allem ist aber auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung des konkreten und anderer Verstöße abzustellen; auch das Verhalten sonstiger Anspruchsberechtigter ist in die Betrachtung einzubeziehen.

Die Frage, ob ein Missbrauch vorliegt, ist zwar durch das Gericht von Amts wegen zu prüfen. Dennoch trifft den in Anspruch genommenen die Verpflichtung, dem Gericht die notwendigen Grundlagen für die Amtsprüfung zu verschaffen. Nur wenn es ihm damit gelingt, die grundsätzlich für die Klagebefugnis sprechende Vermutung zu erschüttern, so hat der Kläger seinerseits substantiiert die aufgekommenen Verdachtsgründe zu widerlegen.

Dr. Robert Kazemi

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