KG Berlin: Zur Reichweite der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht
In die Hauptverhandlung eines Strafverfahrens hatte ein Anwalt als Verteidiger einem Zeugen dessen Schreiben an seinen Vermieter sowie eine von diesem im Zusammenhang mit dem Abschluss des Mietvertrags abgegebene Selbstauskunft vorgehalten. Nachdem sich der Zeuge beim Berliner Datenschutzbeauftragten beschwert hatte, forderte dieser den Anwalt auf zu offenbaren, wie er in den Besitz der Briefe gekommen ist. Dies verweigerte der Anwalt unter Berufung auf seine berufliche Verschwiegenheitspflicht, da sein Mandant ihn nicht entbunden hatte. Auch dem anschließenden förmlichen Auskunftsbegehren des Datenschutzbeauftragten nach § 38 BDSG kam der Anwalt nicht nach. Daraufhin verhängte der Datenschutzbeauftragte ein Bußgeld in Höhe von 3000 Euro, dieses wurde durch das Kammergericht (KG) Berlin aufgehoben (KG Berlin, Beschluss vom 20.08.2010 - 1 Ws (B) 51/07).
Das KG stellt dabei maßgeblich auf die Grundsätze der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht ab, die sowohl in § 203 StGB als auch in § 43a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ihren Niederschlag gefunden hat. Nach Ansicht des Kammergerichts (KG) Berlin gehört die anwaltliche Schweigepflicht zu den Grundpflichten, die nicht nur den individuellen Belangen des Rechtsanwalts und seines Mandanten dienen, sondern auch dem öffentlichen Interesse einer wirksamen und geordneten Rechtspflege Rechnung tragen. Die Institution Strafverteidigung genießt durch Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlichen Schutz. Das steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR, wonach der Schutz der Vertraulichkeit der zwischen Rechtsanwalt und Mandant ausgetauschten Informationen eine wesentliche Garantie des Rechts auf Verteidigung darstellt. Danach ist der Rechtsanwalt weder berechtigt noch verpflichtet, die im Rahmen des Mandatsverhältnisses erhaltenen Informationen an Dritte weiterzugeben.
Hintergründe:
Nach § 43 Abs. 1 Nr. 10 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 38 Abs. 3 Satz 1 BDSG eine von der Aufsichtsbehörde verlangte Auskunft nicht erteilt. Die Frage, ob der Datenschutzbeauftragte Auskunft über die Herkunft von Informationen verlangen darf, die der Rechtsanwalt im Zusammenhang mit einer Rechtsvertretung erlangt und verwendet hat, war bislang noch nicht entschieden.
Grundsätzlich sind auch Rechtsanwälte den Bestimmungen des BDSG unterworfen, wenn sie personenbezogene Daten (§ 3 Abs. 1 BDSG) erheben (§ 3 Abs. 3 BDSG) und nutzen (§ 3 Abs. 5 BDSG). Allerdings sieht das BDSG Einschränkungen vor. Danach hat die Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten grundsätzlich Vorrang vor den datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüchen, weswegen das KG zu Recht eine Auskunftspflicht des Rechtsanwaltes verneint.
Dr. Robert Kazemi