Kündigung des Reisevertrages bei „erschwerter Anreise“
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr die Gründe für sein Urteil vom 18.12.2012 (Az.: X ZR 2/12) veröffentlicht. Hiernach kann ein Reisevertrag auch dann gekündigt werden, wenn die separat gebuchte Anreise aufgrund höherer Gewalt nicht möglich ist.
Im konkreten Fall buchte der Kläger für seine Familie über ein Reisebüro eine Karibikkreuzfahrt, die am 19.04.2010 in den USA beginnen sollte. Die Hin- und Rückflüge wurden zu einem späteren Zeitpunkt gesondert gebucht. Aufgrund der Aschewolke des isländischen Vulkans und dem damit verbundenen Flugverbot konnte die Familie die Reise nicht antreten und verpasste damit die Kreuzfahrt. Der Kläger kündigte die Kreuzfahrt gegenüber dem Reiseveranstalter mit Schreiben vom 18.04.2010 wegen „höherer Gewalt". Der Reiseveranstalter beanspruchte 90 % des vereinbarten Preises als Stornokosten. Nachdem der Kläger sich weigerte den Preis zu zahlen, zahlte zunächst das Reisebüro. In Frage stand nun, ob der Kläger die vereinbarte Stornogebühr zu zahlen hatte.
Zunächst ging es um die Frage, ob zwischen Kläger und Streithelferin ein Reisevertrag zustanden gekommen sei, da zunächst lediglich die Kreuzfahrt gebucht worden sei. Ein Reisevertrag entsteht erst dann, wenn eine „im Voraus festgelegte Verbindung von mindestens zwei Dienstleistungen wie Beförderung, Unterbringung oder andere touristischen Dienstleistungen, die zu einem Gesamtpreis verkauft oder zum Verkauf angeboten wird." Es muss also eine Gesamtheit von Reiseleistungen erbracht werden.
Eine solche soll auf einer Kreuzfahrt ohne Weiteres erbracht werden: Beförderung, Übernachtung sowie Verpflegung und Unterhaltungsangebote, die gerade auf einem Schiff nur in dem dortigen Rahmen erbracht wird (im Unterschied zu einem Hotel, bei dem die Verpflegung auch extern erfolgen kann). Der BGH zitiert in seiner Entscheidung zusätzlich ein Urteil des EuGH, der einen Reisevertrag bei einer Frachtschiffreise ebenfalls als Pauschalreise angesehen hat (EuGH, Urt. v. 07.12.2010, Rs. C-585/08 Pammer / Reederei Karl Schlüter GmbH, verb. mit Rs. C-144/09 Hotel Alpenhof GmbH / Heller, RRa 2011, 12 = NJW 2011, 505).
Weiter entschied der BGH, dass aufgrund des Flugverbotes wegen der Aschewolke eine Kündigung aufgrund höherer Gewalt, gem. § 651j Abs. 1 BGB möglich sei.
„(1) Wird die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, so können sowohl der Reiseveranstalter als auch der Reisende den Vertrag allein nach Maßgabe dieser Vorschrift kündigen."
Dabei sei es nach Ansicht des Gerichts unerheblich, dass die Zubringerflüge separat gebucht worden seien. Zwar fiele die Anreise grundsätzlich in den Gefahrenbereich des Reisenden, insbesondere wenn diese nicht über den Veranstalter gebucht wurde, allerdings fällt diese Form der Gefahr weder in den Risikobereich des Veranstalters noch in denjenigen des Reisenden. Die gesetzliche Risikoverteilung bei einem derartigen Ereignis wurde vom Gesetzgeber dergestalt geregelt, dass in einem solchen Fall § 651e Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 Anwendung findet. Hiernach verliert der Veranstalter den Anspruch auf den Reisepreis, erhält jedoch eine Entschädigung für die bereits erbrachten oder zur Beendigung der Reise noch zu erbringenden Reiseleistungen.
Unter Reiseleistung versteht man bei einer Kreuzfahrt nicht, dass das Schiff auf der vorgesehenen Route auch tatsächlich fährt, sondern in der konkreten Beförderung des Reisenden von A nach B und die Erbringung der Dienstleistungen. Diese wurden jedoch unmöglich, so dass seitens des Reiseveranstalters keine Leistung erbracht wurde, die zu entschädigen wären.
Mit der Kündigung hat der Reiseveranstalter seinen Anspruch auf den Reisepreis damit verloren.
RAin Juliane Kazemi