LG Bielefeld: Weiterverkauf heruntergeladener E-Books unzulässig
Erst kürzlich hatten wir über ein Urteil des District Court for the Southern District of New York berichtet, in dem über die Weiterverkäuflichkeit "gebrauchter" iTunes-Titel zu befinden war. Das New Yorker Gericht hatte sich - vor allem unter Beachtung urheberrechtlicher Gesichtspunkte - gegen eine solche Möglichkeit ausgesprochen. Der Fall sorgte weltweit für erhebliches Aufsehen. Nicht ganz so international und medienträchtig, gleichwohl nicht minder interessant ist ein aktuelles Urteil des Landgerichts (LG) Bielefeld vom 05.03.2013 (Az. 4 O 191/11) welches nunmehr veröffentlicht wurde. Das LG hatte über eine Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände zu entscheiden, mit der der Verband einem E-Book-Händler untersagen wollte, in seinen AGB den „Weiterverkauf" von E-Books zu verbieten. Ähnlich, wie auch die US-amerikanischen Richter, sieht das LG Bielefeld den Weiterverkauf von heruntergeladenen E-Books jedoch als unzulässig an und wies die Klage des Verbandes nunmehr als unbegründet zurück.
I. Kein Eigentum an E-Books?
Seiner Entscheidung legt das Landgericht zunächst die Prämisse zu Grunde, dass es sich bei E-Books, die heruntergeladen (und nicht auf CD gebrannt erworben) werden, nicht um eine verkörperte Sache (im Sinne des § 903 BGG) handele, da der Nutzer hier lediglich ein „virtuelle" Kopie erhalte, die dem klassischen Buch nicht vergleichbar sei. In den Urteilsgründen heißt es hierzu lapidar, dass „aus sachenrechtlicher Sicht an unkörperlichen Gegenständen kein Eigentum im Sinne des § 903 BGB bestehen" könne (Urteilsgründe, S. 9).
Diese Aussage kann leicht missverstanden werden, wird der Zusatz der „sachenrechtlichen Sicht" fallen gelassen. Sicherlich will das LG Bielefeld nicht behaupten, unkörperliche (immaterielle) Rechtsgüter seien dem Eigentum nicht zugänglich, denn ein solche Verständnis setzte sich in Widerspruch zur absolut herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung, wonach auch immaterielle Rechtsgüter (wie z.B. Urheberrechte, Marken, Patente usw.) dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz des Art. 14 GG unterfallen. Wie in § 903 BGB bestimmt gewähren auch diese Rechtsgüter ihrem „Eigentümer" ein Ausschließlichkeitsrecht und kann der Eigentümer eines immateriellen Rechtsgutes, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Hiervon zu unterscheiden ist - und hierauf allein stellt das LG Bielefeld ab - die Möglichkeit der Veräußerung derartiger immaterieller Schutzgüter. Hier nämlich zeigen sich - bezogen auf das Urheberrecht - einige Besonderheiten.
Marken, Patente, Gebrauchs- und Geschmacksmuster sind als immaterielle Schutzgüter voll verkehrsfähig, d.h. das Eigentum an diesen Rechten kann schuldrechtlich, wie sachenrechtlich auf Dritte übertragen werden. Das Eigentum an einer (eingetragenen) Marke kann in diesem Sinne Gegenstand eines Kaufvertrages sein und vollumfänglich auf einen neuen Inhaber übergehen.
Anders hingegen stellt sich die Situation im Urheberrecht dar. Auch das Urheberrecht ist als umfassendes Herrschaftsrecht ausgestaltet und endet dort, wo es mit den Rechten anderer, dem Sittengesetz oder der verfassungsmäßigen Ordnung kollidiert oder im Interesse der Allgemeinheit Einschränkungen unterworfen ist. Als höchstpersönliches Recht kann das Urheberrecht - anders als sonstige immaterielle Schutzgüter - jedoch nicht vollständig rechtsgeschäftlich auf einen Dritten übertragen werden, d.h. das „Eigentum" im Rechtsinne kann nicht auf einen „Käufer" als „neuen" Urheber übergehen. Urheber ist und bleibt stets allein derjenige, dessen geistiges, kulturelles oder wissenschaftliches Schaffen zur Entstehung eines Werkes geführt hat. Der Urheber kann jedoch die Ausübung seiner aus dem „Eigentum" (Urheberrecht) folgenden Rechte anderen überlassen.
Derartige Verwertungsrechte werden durch Einräumung sog. Nutzungsrechten auf Dritte -ausschließlich oder nicht ausschließlich, zeitlich, örtlich oder inhaltlich beschränkt ider unbeschränkt, übertragen (§§ 29, 31 UrhG). Bei Verzicht des Nutzungsberechtigten, Ablauf oder Kündigung des der Nutzungsrechtseinräumung zugrundeliegenden Vertrages fallen sie dem Urheber wieder zu (sog. Heimfall des Urheberrechts). Auch dann, wenn ein Nutzungsberechtigter untätig bleibt oder eine geplante Verwertung des Werkes nicht (mehr) mit der Überzeugung des Urhebers übereinstimmt, können Nutzungsrechte entzogen werden. Ein Verlust der Urheberschaft ist damit nicht vorgesehen.
Will der Urheber sein Werk verwerten, verbleibt ihm also lediglich die Möglichkeit der Einräumung von Nutzungsrechten. Als solche kommen
- das Vervielfältigungsrecht, § 16 UrhG,
- das Verbreitungsrecht, § 17 UrhG,
- das Ausstellungsrecht, § 18 UrhG,
- das Vortragsrecht, § 19 UrhG,
- das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, § 19a UrhG,
- das Senderecht, § 20 ff. UrhG,
- das Wiedergaberecht, § 21 UrhG und
- das Bearbeitungsrecht, §§ 23 UrhG
in Betracht.
Nur insoweit trifft die Aussage des LG Bielefeld also zu, dass an unkörperlichen Gegenständen kein Eigentum erworben werden könne. Eine Klarstellung dahingehend wäre sicherlich vorteilhaft und sinnvoll gewesen.
II. E-Book ist kein Buch - Keine Buchpreisbindung?
Folgt man dem LG Bielefeld, so kann festgestellt werden, dass ein heruntergeladenes E-Book eben kein Buch im Rechtssinne ist, sondern - insoweit greifen nun die urheberrechtlichen Besonderheiten - lediglich ein (einfaches) Nutzungsrecht an einer Datei eingeräumt wird.
Die Feststellung des LG Bielefeld zur sachenrechtlichen Qualität eines herunterladbaren E-Books wirft zugleich die Frage auf, ob ein solches elektronisches Werk nicht nur sachenrechtlich, sondern auch im Sinne der Buchpreisbindung, nicht als Buch gelten soll. Das LG Bielefeld scheint in diese Richtung zu tendieren, wenn es ausführt, dass sich der durchschnittliche Kunde „angesichts des geringeren Preises eines Hörbuches oder E-Books im Vergleich zu verkörperten Werken" mit der Nutzung der Datei für eigene Zwecke begnügen werde (Urteil, S. 12, 3. Absatz). Diese Aussage überrascht vor allem vor dem Hintergrund, dass der Börsenverein des Deutschen Buchhandels annimmt, E-Books unterlägen ebenfalls der Preisbindung, so dass für sie der feste Ladenpreis laut Buchpreisbindungsgesetz gelte. Obgleich diese Frage noch nicht abschließend und höchstrichterlich geklärt ist stellt diese Ansicht soweit ersichtlich bislang die h.M. in der Literatur dar. Dann jedoch, kann es einen vermeintlich günstigeren Preis für E-Books im Vergleich zum verkörperten Werk gar nicht geben; die Argumentation des LG Bielefeld liefe jedenfalls in diesem Punkte ins Leere. Gleichwohl, der dahinter stehende Gedanke ist durchaus nachvollziehbar und stößt bei Vielen auf Verständnis. E-Books sollten günstiger sein als gedruckte Bücher, hiervon scheint auch die EU-Kommission auszugehen, wenn sie ausführt „Es steht jedem Anbieter von E-Books - ob Verlag oder Einzelhändler - frei, seine Geschäftsbeziehungen so zu gestalten, wie er dies wünscht. Jede Form der Kollusion zur Beschränkung oder Unterbindung des Wettbewerbs ist jedoch schlicht inakzeptabel." (Pressemitteilung der EU-Kommission vom 13.12.2012). Die Internetseite Phantanews zitiert aus einem Schreiben des Börsenvereins wie folgt:
„Sie haben Recht. E-Books werden nicht verkauft, da aufgrund der mangelnden Körperlichkeit der Kunde kein Eigentum erwerben kann. Es werden somit immer Nutzungslizenzen vergeben. Aus unserer Sicht ist das Buchpreisbindungsgesetz jedoch entsprechend anwendbar, wenn eine Nutzungslizenz dauerhaft vergeben wird, der Lizenznehmer das E-Book wie ein Eigentümer nutzen kann, es ihm also dauerhaft und an Orten und Zeiten seiner Wahl zu Verfügung steht."
Auch hier wird maßgeblich auf die Möglichkeit der Nutzung „wie ein Eigentümer" hingewiesen, um die Buchpreisbindung auf E-Books zu rechtfertigen. Ist jedoch, ein wesentliches Merkmal der Eigentümerstellung, nämlich die grundsätzliche Übertragbarkeit des Eigentums, nicht gegeben (wie es das LG Bielefeld festgestellt hat), stellt sich gleichsam, die Frage nach der Rechtfertigung der Preisbindung als solche. Bereits Martin Wolff (Sachenrecht. 6. Auflage. 1926, S. 144) führt 1926 aus, dass „Eigentum das umfassendste Herrschaftsrecht, das die Rechtsordnung an einer Sache zulässt" bezeichnet. Hierzu muss jedoch auch die Übertragbarkeit gehören. Geht man diesen Schritt - wie das LG Bielefeld - nicht, so wird der Kunde eines E-Books gerade nicht in die Lage versetzt, dieses „wie ein Eigentümer" zu nutzen, weswegen eine differenzierte Preisgestaltung durchaus sinnvoll und praktikabel erscheint.
Will man, was durchaus nachvollziehbar ist, die Buchpreisbindung auch auf herunterladbare E-Books erstrecken und diese keinem Preiswettbewerb aussetzen, so stellt sich die berechtigte Frage danach, ob man diese dann nicht tatsächlich dem Sacheigentum - auch mit Blick auf die Veräußerlichkeit - gleichstellen sollte.
III. Weitergabe von heruntergeladenen E-Books widerspricht den Interessen der Verlage
Das LG Bielefeld sagt hierzu jedoch klar NEIN.
„Das nachvollziehbare Interesse der Beklagten an der Verhinderung eines unkontrollierbaren und möglicherweise urheberrechtsverletzenden Sekundärmarktes überwiegt vorliegend das sekundäre Weiterveräußerungsinteresse des Verbrauchers. Ohne ein Weiterveräußerungsverbot wäre es dem Erwerber möglich, ein einmal erworbenes E-Book oder Hörbuch an eine Vielzahl von Zweiterwerbern zu veräußern. Es besteht jedoch ein überwiegendes urheberrechtliches und wirtschaftliches Interesse des Verkäufers, dies zu unterbinden. Denn bei Dateien besteht die Besonderheit, dass diese verlustfrei, praktisch ohne Gebrauchsverlust, digital übertragen werden können, ohne dass der ursprüngliche Veräußerer hieran partizipiert. Zwar profitieren grundsätzlich beide Vertragsparteien von der schnellen und recht unkomplizierten Vertragsabwicklung per Download in vielfältiger Weise; eine unangemessene Durchsetzung der eigenen Interessen des Verwenders ohne Rücksichtnahme auf die Belange des Vertragspartners kann angesichts dieser wirtschaftlichen Risiken der Beklagten darin aber nicht gesehen werden." (Urteil, S. 12).
Ob die verlustfreie, praktisch ohne Gebrauchsverlust und vor allem (ohne weiteres) auch mehrfache Weiterübertragbarkeit tatsächlich nicht verhindert werden könnte, erscheint angesichts des aktuellen Stands der Technik eher fernliegend. ITunes praktiziert es bereits und kann sicher nachvollziehen, wie oft ein bestimmtes Produkt auf welchen Rechnern und Datenträgern gespeichert und genutzt wird. Ist die Anzahl an vergebenen „Nutzungslizenzen" aufgebraucht, muss die Datei entweder von einem Device gelöscht werden oder sind weitere Übertragungen nicht möglich. Zahlreiche weitere - auch in der Bundesrepublik ansässige Firmen - haben ähnliche Produkte im Angebot und auch erfolgreich im Einsatz. Es scheint hier also eher eine Frage des Wollens, nicht des Könnens zu sein. Auch der EuGH betont im Zusammenhang mit der Weiterübertragbarkeit heruntergeladener Software (EuGH, Urteil vom 3. Juli 2012, Rs. EUGH Aktenzeichen C12811 C-128/11 - UsedSoft ./. Oracle) die Möglichkeit der Rechtsinhaber, illegalen Kopien mit technischen Schutzmaßnahmen, z.B. Produktschlüsseln, entgegenzuwirken.
IV. Weitergabemöglichkeit nicht durch das Urheberrecht gefordert
Eine Weitergabemöglichkeit, so das LG Bielefeld, fordere auch das aktuelle Urheberrecht nicht. Der „Käufer" eines herunterladbaren E-Books erwerbe grundsätzlich „nur" eine „einfache", nicht übertragbare Nutzungslizenz. Dies sei auf Grundlage des geltenden Rechts nicht zu beanstanden. Insbesondere greife der sog. Erschöpfungsgrundsatz des § 17 UrhG nicht, weder unmittelbar, noch analog.
Gemäß § 17 Abs. 2 UrhG ist die Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung rechtmäßi erlangter Werke zulässig, wenn das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden sind. § 17 Abs. II UrhG ist Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes, dass das Urheberrecht ebenso wie andere Schutzrechte gegenüber dem Interesse an der Verkehrsfähigkeit der mit Zustimmung des Berechtigten in Verkehr gesetzten Waren zurücktreten muss (BGH, GRUR 2001, 51, 53 - Parfumflakon).
§ 17 Abs. 2 UrhG bezieht - hierin ist dem LG Bielefeld zuzustimmen - hingegen nur verkörperte Werke ein. Insoweit müsste als der Verkauf des Computers, auf dem sich ein rechtmäßig hergestelltes Vervielfältigungsstück eines E-Books befindet, zusammen mit dem E-Book veräußert werden können, ohne, dass der ursprüngliche Nutzer hierfür eine neue Lizenz erwerben müsste. Auch, wenn sich dies aus den AGB der Plattformbetreiber so nicht ergibt, ergibt sich dies unmittelbar aus § 17 Abs. 2 UrhG. Das LG Bielefeld ist gleichwohl anderer Ansicht und nimmt an, dass die Erschöpfungswirkung nach § 17 Abs. 2 UrhG bei der Online-Übermittlung von Medien weder im Falle des reinen Herunterladens, noch bei einer vom Nutzer anschließend hergestellten Verkörperung in einem gesonderten Werkstück selbst eintrete.
Die Online-Übermittlung sei mangels Inverkehrbringens eines körperlichen Vervielfältigungsstücks keine Verbreitungshandlung nach § 17 Abs. I UrhG, sondern „ein Akt der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von § 19a UrhG". Erst der Nutzer erstelle auf seinem Computer durch den Vorgang des Herunterladens der Datei ein lokales Vervielfältigungsstück des ihm vom Anbieter online zugänglich gemachten Werks. Berechtigt hierzu sei der Verbraucher aus der Einräumung des einfachen Nutzungsrechts. Völlig in den Hintergrund tritt hierbei freilich, der Umstand, dass der Urheber genau eine solche Vervielfältigungshandlung ausdrücklich gestattet und damit (zumindest mittelbar) ein Vervielfältigungsstück in den Verkehr bringt. Entgegen der angedeuteten Ansicht des LG Bielefeld liegt es daher nahe, dass die Erschöpfungswirkung zumindest das (rechtmäßiger Weise) hergestellte Vervielfältigungsstück erfasst, so dass ein Verkauf des Datenträgers zusammen mit dem „Werk" zulässig sein muss.
Problematisch - dies ist dem LG zuzugestehen - ist es jedoch, soweit das heruntergeladene Werk ohne den Datenträger weitergegeben werden soll. Eine solche Weitergabe erfordert, anlässlich der „Digitälität" des erworbenen Werkes, die Anfertigung einer Kopie, also eines neuen Vervielfältigungsstückes; genau dies ist von der Erschöpfungswirkung des § 17 Abs. 2 UrhG jedoch gerade nicht erfasst.
Angesichts der einfachen und schnellen technischen Möglichkeit zur Weiterübertragung der Daten - einschließlich der Möglichkeit zur rechtswidrigen Mehrfachübertragung oder zur Übertragung ohne Löschung beim Ersterwerber - verbietet sich nach Ansicht des LG Bielefeld auch eine analoge Anwendung der Norm. Ob allein dieser Grund ausreicht, darf hingegen bezweifelt werden.
Fraglich ist bereits, ob die Verbreitung eines E-Books durch Herunterladen aus dem Internet von der Einordnung als „Verbreitungsrecht" ausgenommen ist und unter tatsächlich allein die Definition des Rechts der öffentlichen Wiedergabe nach § 19a UrhG fällt. Schon die EU-Datenschutzrichtlinie 2001/29/EG enthält eine derartig beschränkende Definition des des Rechts der öffentlichen Wiedergabe von Werken und des Verbreitungsrechts nicht. Auch Art. Abs. 1 des WIPO-Urheberrechtsvertrags, auf den die Richtlinie 2001/29/EG verweist, beschränkt sich darauf, das Verbreitungsrecht als das Recht zu definieren, zu erlauben, dass das Original und Vervielfältigungsstücke eines Werks „durch Verkauf oder sonstige Eigentumsübertragung" der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Eine einfache öffentliche Wiedergabe (wie sie beim Herunterladen von E-Books stattfindet) könnte daher bereits zu einer Verbreitungshandlung im Sinne der Richtlinie führen. Auch aus dem ersten Satz des 28. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2001/29, der bestimmt, dass der unter diese Richtlinie fallende Urheberrechtsschutz auch das ausschließliche Recht einschließt, die Verbreitung eines in einem Gegenstand verkörperten Werks zu kontrollieren", lässt sich schließen, dass dieses Recht auch andere Formen der Verbreitung umfassen kann. Auch der folgende Satz dieses Erwägungsgrundes, der die Erschöpfung betrifft, beschränkt selbige nicht auf eine besondere Form der Verbreitung.
Zwar scheint die Richtlinie - wie es das LG Bielefeld ausführt - auf den ersten Blick tatsächlich den Verkauf von Waren, für den die Erschöpfungsregel gilt, von der Erbringung von Dienstleistungen abzugrenzen, gleichwohl umfasst der Begriff der Online-Dienste, so wie er im Unionsrecht definiert wird, auch den Online-Verkauf von Waren. Wollte man den Richtlinientext also wörtlich nehmen, dürfte die Erschöpfungsregel auch beim Online-Kauf einer CD-ROM, in der die Kopie des Computerprogramms verkörpert ist, keine Anwendung finden. Dies jedoch kann nicht ausschlaggebend sein. Schließlich hat der Euopäische Gerichtshof mehrfach darauf hingewiesen, dass Ausnahmen vom Grundsatz der Freizügigkeit nur zugelassen werden können, soweit diese zur Wahrung der Rechte des Urhebers geistigen Eigentums und seines spezifischen Gegenstandes, insbesondere den Inhabern der betreffenden Rechte den Schutz der Befugnis zu gewährleisten, das Inverkehrbringen oder die Bereitstellung der Schutzgegenstände dadurch kommerziell zu nutzen, dass gegen Zahlung einer Vergütung Lizenzen erteilt würden, fragt sich auch, ob die Argumentation des LG Bielefelds angesichts der beschriebenen und vorhandenen Schutzmechanismen tatsächlich eine derart restriktive Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes erfordert. Auch erhält der Rechtsinhaber eines E-Books für den Download über den (gebundenen) Verkaufspreis eine angemessene Vergütung. Ließe man zu, dass er die Weiterveräußerung der in diesem Rahmen rechtmäßiger Weise erstellten Kopie kontrollieren und unter dem Vorwand, dass die Kopie nach dem Herunterladen aus dem Internet vom Kunden auf einem Datenträger abgelegt und nicht vom Rechtsinhaber in einem in Verkehr gebrachten Träger verkörpert worden sei, erneut eine Vergütung verlangen könnte, liefe dies nicht auf den Schutz des spezifischen Gegenstands des Urheberrechts, sondern auf eine Ausweitung des Verwertungsmonopols des Rechtsinhabers hinaus. Warum dessen Rechtsstellung derjenigen des Käufers derart überlegen sein soll, wie es das LG Bielefeld annimmt, erschließt sich nicht.
V. Bewertung
Auch nach dem Urteil des Landgerichts Bielefeld bleibt die Frage nach der Übertragbarkeit heruntergeladener E-Books spannenden. Der Kläger des Verfahrens täte gut daran, die Entscheidung der Bielefelder Richter im Instanzenzug überprüfen zu lassen; schlussendlich wird jedoch auch hier der EuGH das letzte Wort haben. Aus Sicht der Verlage stellt sich hier jedoch die Frage, ob man - unter Beibehaltung des Verbots der Übertragbarkeit rechtmäßig heruntergeladener E-Books - nicht die Buchpreisbindung in diesem Sektor gänzlich gefährdet oder ob es nicht sinnvoller wäre, diese über geeignete technische Schutzmaßnahmen und die tatsächliche Einräumung eines Rechts dahingehen „wie ein Eigentümer" zu verfahren, nicht stärken und das Übertragungsverbot fallen lassen sollte. Schließlich besteht die Gefahr rechtswidriger Kopien nicht allein beim reinen Internetvertrieb, sondern ebenso bei der Vermarktung elektronischer Werke auf Datenträgern wie CD-ROMs oder DVDs, für die der Erschöpfungsgrundsatz sicherlich Geltung beansprucht. Schließlich lässt sich auch bei klassischen gedruckten Werken - anders als es das LG Bielefeld ausführt - in der heutigen Zeit die Verbreitung unrechtmäßig hergestellter Vervielfältigungsstücke nicht gänzlich vermeiden. Insoweit ist es beim Stand der Technik sicherlich auch hier möglich, verlustfreie Vervielfältigungsstücke, praktisch ohne Gebrauchsverlust, herzustellen und zu verbreiten. Gegen eine solche Verbreitung stehen dem Urheber und/oder dem Nutzungsberechtigten jedoch bereits heute umfassende Rechtsschutzmöglichkeiten zu. Warum diese für heruntergeladene Werke nicht ausreichend sein sollten, erschließt sich nicht. Ein moderates Einlenken scheint auch deshalb erforderlich, um Verstößen gegen das Urheberrecht keinen Nährboden zu geben, wie ihn beispielsweise die Musikindustrie, bereits vor Jahren über eine allzu restriktive Vermarktungspraxis gesät hat.
Dr. Robert Kazemi