03
Sep 2009

LG Darmstadt: Werbung mit Einkaufsgutscheinen für Drogeriemarkt beim Erwerb rezeptpflichtiger Arzneimittel zulässig

Die Werbung mit Gutscheinen, Boni und anderen Vergünstigungen ist in jüngster Zeit oft Gegenstand von Streitigkeiten vor deutschen Zivilgerichten gewesen. Über derartige Instrumente suchen die Apotheken vermehrt, Kunden an das eigene Sortiment zu binden und dem „Apotheken-Hopping" vorzubeugen. Über zahlreiche mehr oder weniger innovative Modelle und ihre rechtliche Einordnung haben wir in unseren Newslettern bereits berichtet. Die nunmehr vorliegende Entscheidung des LG Darmstadt (Urteil vom 12.08.2009, 22 O 400/08) zeigt eine weitere - aus Sicht des Gerichts - zulässige Kundenbindungsvariante.

Der Fall:

Die Beklagte betreibt bundesweit eine Kette von Drogeriemärkten. In ihren wöchentlichen großformatigen Anzeigen in Tageszeitungen wirbt sie u.a. für Produkte einer in den Niederlanden ansässigen konzerngebundenen Apotheke. Darüber hinaus liegt in den Drogeriemärkten das Bestellmagazin dieser konzerneigenen Apotheke aus. Die Kunden können Bestellungen rezeptfreier Artikel über Internet, Telefon usw. oder mit dem auf der letzten Seite des Bestellmagazins abgedruckten Bestellformular in den Drogeriemärkten bestellen.

Bei der Bestellung rezeptpflichtiger Medikamente erhält der Kunde von der Apotheke für jedes auf dem Rezept aufgeführte verschreibungspflichtige Medikament einen Einkaufsgutschein über 3,- Euro, den er in den Drogeriemärkten der Beklagten und anderen Drogerieketten einlösen kann.

Der klagende Apotheker hält diese Form der Werbung für einen Verstoß gegen die heilmittelwerberechtlichen Beschränkungen, vornehmlich des § 7 HWG.

Das LG Darmstadt hingegen sieht die geschilderte Form der Werbung als zulässig an.

Die Entscheidung:

Nach Ansicht der entscheidenden Kammer verstößt das Gutscheinmodell der niederländischen Apotheke nicht gegen § 7 HWG. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 ist es zwar grundsätzlich unzulässig, im Zusammenhang mit der sog. produktbezogenen - also für konkrete, identifizierbare Produkte - Werbung für Heilmittel, Zuwendungen und sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu

gewähren. Doch setze § 7 HWG voraus, dass die Werbung aufgrund ihrer Eignung, die Kunden unsachlich zu beeinflussen, zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung bewirkt.

Da die niederländische Apotheke die Gutscheine hier ausschließlich auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewährt, ist nach Ansicht des Gerichts eine solche Gefährdung ausgeschlossen, denn bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln liegt die Entscheidung über deren Verordnung immer beim Arzt, so dass der Gutscheinanreiz selbst auf die Entschließungsfreiheit des Kunden keinen Einfluss nehmen könne.

Das Gutscheinsystem der Apotheke verstoße auch nicht gegen die gesetzliche Preisregelung der AMPrVO, weil der Kunde bei der Einlösung des Rezepts wirtschaftlich keine Preisvergünstigung erhält. Ein Preisnachlass- bzw. eine Rabattgewährung liege hier gerade nicht vor, weil dem Normalpreis kein (niedrigerer) Sonderpreis gegenüber gestellt oder eine Gutschrift erteilt werde. Die hier vorgenommene Zuwendung einer anderen - auch an sich entgeltlichen - Leistung stelle aber keinen Preisnachlass dar. Da die Apotheke die finanzielle Belastung aus den Gutscheineinlösungen gerade nicht selbst trage, sondern die, wenn auch konzerngebundenen Unternehmen, bei denen der Kunde den Gutschein einlöst, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Apotheke vom Kunden nicht den vollen Preis erhalte. Daher werde der maßgebliche Regelungszweck der AMPrVO, nämlich zu verhindern, dass das festgesetzte Preisgefüge durch die Gewährung von Werbezuwendungen unterlaufen wird, nicht in Frage gestellt.

Die Werbemaßnahme der Apotheke ziele vielmehr lediglich darauf ab, durch Kundenbindung ihren Absatz rezeptpflichtiger Medikamente zu fördern. Die Anlockwirkung eines dazu eingesetzten Werbemittels, das den Schutzzweck der Preisbindung bei rezeptpflichtigen Medikamenten nicht berührt, sei aber nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs, ohne dass dadurch der wirtschaftliche Bestand der Apotheken und damit die Arzneimittelversorgung gefährdet werden.

Schließlich sei der finanzielle Anreiz von 3,- Euro auch derartig gering, dass kein verständiger Verbraucher dadurch davon abgehalten werde, eine Präsenz-Apotheke aufzusuchen.

Bewertung:

Die Entscheidung des LG Darmstadt setzt sich offen in Widerspruch zu einer Entscheidung des LG Münchens (LG München I, Urteil vom 13.08.2008 - 1 HK O 8390/07), welches davon ausgeht, dass auch bei der Auslobung einer Zugabe für jeden Erwerb eines verschreibungspflichtigen Medikaments der für die Anwendbarkeit von § 7 Abs. 1 HWG erforderliche Produktbezug gegeben ist, da sich die Zuwendung an den Absatz eines Arzneimittels koppelt. Inwieweit sich die Rechtsansicht des LG Darmstadt wird durchsetzen können, bleibt daher abzuwarten.

Das LG Ulm jedenfalls teilt die Rechtsansicht. Mit Urteil vom 13.08.2009 (10 O 77/09 KfH) hat auch dieses Gericht die Werbung der niederländischen Versandapotheke mit wesentlich gleicher Begründung als zulässig bestätigt. Das LG Ulm führt aus, die Regelung des § 7 HWG sei grundrechtskonform auszulegen. Dabei seien die gegenseitigen Grundrechte abzuwägen und die Erforderlichkeit und Geeignetheit des entsprechenden Eingriffs festzustellen. Die hier ins Feld geführte bloße abstrakte Befürchtung einer Gesundheitsgefahr durch Medikamentenfehlgebrauch oder Medikamentenmehrgebrauch reiche zur Einschränkung der Grundrechte der niederländischen Apotheke nicht aus.

Die Entscheidungen zeigen, die Reichweite des § 7 HWG ist ebenso ungeklärt, wie der Erfindungsreichtum der Apotheker bei der Formierung neuer Kundenbindungsprogramme begrenzt ist.

Dr. Robert Kazemi

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