05
Dez 2010

LG Hamburg: Keine Rechtsmissbräuchlichkeit durch den Einsatz minderjähriger Testkäufer

Testkäufe sind ein probates Mittel zur Feststellung von Rechtsverstößen. Vor allem dann, wenn es um die Einhaltung von Minderjährigenschutzvorschriften geht, versuchen die „Erwischten" oftmals Ihren Hals aus der wettbewerbsrechtlichen Schlinge zu retten, indem sie den Unterlassungsanspruch des Mitbewerbers mit dem Argument der Rechtsmissbräuchlichkeit begegnen. Diese soll sich allein daraus ergeben, dass zum Beweis des Verstoßes gegen eine Minderjährigenschutzvorschrift, ein Minderjähriger eingesetzt wurde.

Was auf den ersten Blick paradox klingen mag, führt bei einigen deutschen Gerichten in letzter Zeit zum Erfolg. Das Landgericht (LG) Hamburg erklärt nun, warum diese Argumentation in der Tat nicht greifen kann (LG Hamburg, Urteil vom  2. September 2010 -  Az. 416 O 78/10).

Die Entscheidung:

Nach Ansicht des LG kann sich eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht unter dem Gesichtspunkt des Einsatzes minderjähriger Testkäufer ergeben.

Soweit in diesem Zusammenhang vorgetragen wird, dass auch die minderjährigen Testkäufer gegen die entsprechende Schutzvorschrift verstoßen, ist dies zwar vordergründig zutreffend, aber im Ergebnis „zu kurz gesprungen". Denn der Testkauf soll aufs Ganze gesehen gerade Verstöße verhindern. Eine sittliche Verwerflichkeit folgt hieraus gerade nicht. Im Übrigen ist es ja auch nicht etwa so, dass der den Testkauf ausführende Jugendliche im Anschluss daran über den erworbenen Gegenstand verfügen kann. Vielmehr muss er ihn sofort nach dem Testkauf an den Auftraggeber abgeben, so dass tatsächlich eine Verfügungsbefugnis nur für eine „logische Sekunde" besteht. Es wäre außerdem lebensfremd anzunehmen, dass die minderjährigen Testkäufer erst durch den Testkauf eine „Anleitung" zur Umgehung der Schutzvorschriften erhielten. Denn es unter Jugendlichen ganz allgemein bekannt, dass es ohne Schwierigkeiten möglich ist, bestimmte Schutzvorrichtungen zu umgehen.

Eine Rechtsmissbräuchlichkeit liegt hier auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt der Anstiftung zu einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit vor. Testmaßnahmen sind grundsätzlich zulässig. Sie sind nur unlauter i.S.d. § 4 Nr. 10 UWG und auf sie gerichtete Unterlassungsanträge rechtsmissbräuchlich, wenn der Tester mit verwerflichen Mitteln, insbesondere strafbaren oder sonst rechtswidrigen Handlungen auf einen Wettbewerbsverstoß hinwirkt.

Ein Testkauf durch Minderjährige mag eine Ordnungswidrigkeit darstellen (§§ 9 Abs. 1 Nr.1, 28 Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. Abs. 4 JuSchuG). Allerdings ist es vom Gesetzeszweck des § 28 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 4 JuSchG nicht umfasst, wenn Testkäufe so organisiert werden, dass erworbene Produkte nicht behalten und konsumiert werden. Es handelt sich nicht um eine Verletzung des geschützten Rechtsgutes (vgl. OLG Oldenburg, NJW 1999, 2751, 2752). Zwar ist es auf legalem Wege nicht möglich, die - verabredete und damit vertraglich vereinbarte - Herausgabe an den Jugendlichen unmittelbar zu erzwingen. Ein solcher Fall, in welchem der Jugendliche sich dem ihn begleitenden Erwachsenen entzieht und den erworbenen Alkohol behält und konsumiert, erscheint aber konstruiert und fernliegend.

Bei der Feststellung einer Rechtsmissbräuchlichkeit in diesen Konstellationen ist überdies immer zu fragen, ob der Getestete nicht ohnehin zu der Tat bereit war. Dies ist anzunehmen, wenn der Verkäufer, der in einer Situation das Alter des Käufers nicht generell kontrolliert. Denn, wenn auch nur der geringste Anlass zum Zweifel an dessen Volljährigkeit besteht, zeigt sich derjenige, der nicht prüft, ohnehin zur Begehung einer Ordnungswidrigkeit bereit.

Dr. Robert Kazemi

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