LG Hamburg: „Like-me“ als Bedingung der Gewinnspielteilnahme
Am 25.01.2013 titelte die BILD „Dschungelcamp-Georgina hat 70 000 bezahlte Facebook-Fans - So kaufen Promis, Firmen und Politiker falsche Freunde". Zum damaligen Zeitpunkt war bekannt geworden, dass zahlreiche Unternehmen und Promis falsche Freunde „einkaufen" und damit falsche Beliebtheit suggerieren. Ein Marketing Gag ohne Bewandtnis? Wohl eher nicht: Die BILD schreibt: „Wer viele Fans hat, wirkt wichtig und glaubwürdig. Das ist bares Geld wert: Produkte landen bei Suchmaschinen weiter oben, Promis bekommen mehr Auftritte, Parteien Wähler!" Nach BILD Angaben kosten 10?000 deutsche „Likes" etwa 1000 Euro. Es überrascht also, wenn das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 10.01.2013 (zugegeben vor (!) Bekanntwerden des „Skandals" um gekaufte Freunde) ausführt, mit der Betätigung des „Gefällt mir"-Buttons bei Facebook komme nach dem Verkehrsverständnis lediglich „eine unverbindliche Gefallensäußerung zum Ausdruck", mit der „keine weiteren Erwartungen oder Gütevorstellungen" verbunden werden (LG Hamburg, Urt. v. 10.01.2013, 327 O 438/11). Die Teilnahme an einem Gewinnspiel könne damit wettbewerbsneutral auch von einem „Gefällt mir" -Klick abhängig gemacht werden. Die Entscheidung des LG Hamburg überzeugt dabei nur teilweise. Insbesondere sieht das LG Hamburg straf- und ordnungsrechtliche Aspekte eines solchen Geschäftsmodells nicht.
Der Fall:
Die Beklagte war auf der Online-Plattform Facebook für die Teilnahme an einem Gewinnspiel, die u a. von einem Klick auf den „Gefällt mir"-Button bei Facebook abhängig gemacht wurde. Der Kläger moniert, dass diese Werbung irreführend sei. Es sei nach seiner Auffassung nämlich irreführend, die Teilnahme am Gewinnspiel durch das Betätigen des „Gefällt mir"-Buttons bei Facebook abhängig zu machen, da sich dadurch die Zahl derjenigen Personen, die bekundeten, dass ihnen die Beklagte bzw. deren Produkte gefielen, um eine erhöhe und dies auch anderen Nutzern, nämlich den Freunden des Betreffenden regelmäßig bekannt gemacht würde. Die Nutzer bei Facebook würden allerdings davon ausgehen, dass die „Gefällt mir"-Aussage auf positiven Erfahrungen mit dem betroffenen Unternehmen bzw. seinen Produkten beruhe. Tatsächlich habe sich die Beklagte diese Aussage jedoch erkauft. Indem sie dies verschweige, führe sie den Verkehr in die Irre.
Die Entscheidung:
[...] Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in der Sache nicht zu, insbesondere nicht aus §§ 3, 5 Abs. 1, 8 Abs. 1 UWG. [...] Die gerügte Irreführungslage besteht [...] nicht. Mit der Betätigung des „Gefällt mir"-Buttons bei Facebook kommt nach dem Verkehrsverständnis lediglich eine unverbindliche Gefallensäußerung zum Ausdruck, mit der das Netzwerk des betroffenen Nutzers keine weiteren Erwartungen oder Gütevorstellungen verbindet. Schon keine Irreführung folgt aus der Werbung für das Gewinnspiel als solches, denn dem angesprochenen Gewinnspielinteressent bleibt nicht verborgen, was von ihm verlangt wird, um an dem Gewinnspiel teilzunehmen. Er tritt vielmehr mit dem Betätigen des „Gefällt mir"-Buttons ganz bewusst in Kontakt mit dem Werbenden (er möchte ja die ausgelobte Gewinnchance wahrnehmen). Eine Irreführung könnte daher allein aus dem Ergebnis dieses Teilnahmevorgangs folgen, nämlich indem bei den Kontakten des Gewinnspielteilnehmers im Nachrichtenfluss die Mitteilung erscheint, dass diesem Kontakt das Unternehmen der Beklagten „gefällt". Dieser Vorgang begründet angesichts des Verkehrsverständnisses keine Irreführungslage. [...] Dem Nutzer ist bekannt und bewusst, dass seine Betätigung des „Gefällt mir"-Buttons auch dazu führt, dass seinen Kontakten dieses „Ereignis" mitgeteilt wird - genau das will er auch, denn davon lebt der Netzwerkgedanke: Man tut, sagt und „postet" etwas, und die anderen erfahren es. Und die anderen, mithin seine (Netzwerk-)Kontakte können dann wiederum mitteilen, dass ihnen dies „gefällt". Dabei unterscheidet weder die Plattform selbst, noch ihre Nutzer zwischen Wichtigem und Unwichtigem. Gefallen kann (und darf) einem Facebook-Nutzer alles - und davon wird reichlich Gebrauch gemacht, wie der Vortrag der Parteien belegt. Die Facebook-Nutzer sind daher damit vertraut, dass durch das Betätigen dieses Buttons lediglich eine allgemeine Gefallensäußerung in Bezug auf die bereit gestellte Mitteilung zum Ausdruck kommt, sei es bezüglich der Aussage eines Bekanntes/Freundes, eines Fotos, Musikstücks, Videos oder eben bezüglich eines Unternehmen und/oder seiner Produkte. Diese Gefallensäußerung ist jedoch eine unverbindliche, für eine näher qualifizierte Gefallensäußerung sind die Textmitteilungen („Postings") verfügbar. [...] Ein anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte die Verknüpfung eines Gewinnspiels mit dem Klick auf den „Gefällt mir"-Button der Beklagten verbunden hat. Angesichts des oben ausgeführten Verkehrs- und Nutzerverständnisses bleiben den Kontakten eines Nutzers, wie gesagt, die Motive für das Betätigen des „Gefällt mir"-Buttons stets verborgen; sie sind damit auch keine positiven oder negativen Bewertung zugänglich. Die Motive des Nutzers werden erst deutlich, wenn der Nutzer gleichzeitig von der Mitteilungsfunktion Gebrauch macht und seinem Netzwerk auch in Textform eine Mitteilung kommen lässt. Unterlässt er dies, bleibt seinem Netzwerk nichts anderes übrig, als den Vorgang als eine unverbindliche Gefallensäußerung zu werten. [...]
Bewertung:
Das Urteil des LG Hamburg überzeugt nur zum Teil; insbesondere die Ausführungen des Gerichts zur Marktrelevanz des „Like-Button" und seiner Funktion und Werbewirkung geht aus hiesiger Sicht an der Realität vorbei. Dies belegen nicht nur der Umstand der Existenz käuflich erworbener Likes, sondern nicht zu Letzt auch der durch das LG Hamburg zu beurteilende Fall. Wenn der Like-Button tatsächlich keine Relevanz entfalten würde, wäre die Vermehrung von „Likes" sicherlich auch nicht zum Gegenstand einer Gewinnspielteilnahme gemacht worden. Richtig ist, die Bewerbung des Gewinnspiels unter Aufklärung dahingehend, dass die Teilnahme von der Abgabe eines Likes abhängig gemacht wird, kann nicht irreführend sein. Denn der Beworbene wird über diesen Umstand ausführlich aufgeklärt. Die Folgen der Werbeaussage sind ebenfalls nicht geeignet, die Werbung selbst in die Irreführungseignung zu rücken. Sicherlich ließe sich jedoch, dies war jedoch nicht streitgegenständlich, die Frage der „Irreführungseignung" der generierten Likes diskutieren, die, dies zeigt die „Aufregung" um die gekauften Likes durchaus anders zu beurteilen sein könnte.
Aber auch die Vorgehensweise des Beklagten im vorliegenden Fall scheint, zwar nicht aus dem Blickwinkel des § 5 UWG, wohl aber unter Berücksichtigung anderer Überlegungen durchaus nicht so wettbewerbsneutral, wie es das LG Hamburg einstuft.
Mit Blick auf die Möglichkeit der Generierung von Opt-Ins zum Zwecke der Werbeansprache, ist zumeist die Durchführung eines Gewinnspieles eine gangbare Alternative. In diesem Zusammenhang sei auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg (OLG Hamburg, Urt. v. 04.03.2009 - 5 U 62/08, NJW-RR 2009, 1705) verwiesen, in der es um die Einwilligung eines Verbrauchers in die telefonische Werbung durch eine vorformulierte Einwilligungserklärung ging. Das OLG Hamburg stellt in diesem Zusammenhang zunächst klar, dass eine vorformulierte Einwilligung in die Telefonwerbung nicht schon schlechthin unzulässig sei, sondern dass es darauf ankomme, ob in der vorformulierten Einwilligung eine unangemessene Benachteiligung des Verwendungsgegners zu sehen ist, da der Verwender für die Einverständniserklärung wie bei vorformulierten Vertragsbedingungen einseitig seine rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit für sich in Anspruch nehme und der Kunde nur darauf, ob er die Erklärung abgeben wolle, nicht aber auf ihren Inhalt Einfluss habe. Weiterhin stellt das OLG Hamburg fest, dass gerade bei Gewinnspielen derartige vorformulierte Einwilligungserklärungen durchaus als nicht unwirksam angesehen werden können, denn dem durchschnittlich aufgeklärten und verständigen Verbraucher sei es durchaus bewusst, dass Gewinnspiele der vorliegenden Art auch der Werbung dienen, insbesondere der Werbung für die Produkte des Gewinnspielveranstalters. Daher dürfte es möglicherweise noch keine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers darstellen, wenn sich die vorformulierte Einverständniserklärung nur auf Werbung für Produkte des Gewinnspielveranstalters bezogen hätte. Auch das OLG Köln (OLG Köln, Urt. v. 12.09.2007 - 6 U 63/07, GRUR-RR 2008, 62) stellt klar, dass es grundsätzlich nicht als unangemessene Benachteiligung anzusehen ist, wenn die Teilnahme eines Verbrauchers an einer Verlosung von seiner Erklärung abhängig gemacht wird, mit der Weitergabe von persönlichen Daten an Drittunternehmen und mit Werbeanrufen einverstanden zu sein, soweit der Verbraucher über die vorgenannte Kopplung vor Teilnahme an der jeweiligen Verlosung in Kenntnis gesetzt wird. Mit Blick auf die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Unionsrechtswidrigkeit des im deutschen UWG vorgesehenen Kopplungsverbotes von Gewinnspielen an den Warenabsatz, wird diese Rechtsprechung noch verstärkt. Es ist also durchaus möglich, ein Gewinnspiel zu veranstalten, an dem nur teilnehmen kann, wer sich konkret damit einverstanden erklärt, dass seine Daten zu Werbezwecken durch den Gewinnspielveranstalter verwendet werden. Auch unter datenschutzrechtlichen Aspekten spricht grundsätzlich nichts gegen den „Ankauf" von Opt-Ins zu Werbezwecken. So formulierte der Gesetzgeber im Rahmen der Datenschutznovellen 2009:
„Die verantwortliche Stelle muss insoweit in Zukunft an den Betroffenen herantreten und ihn, z. B. durch die Gewährung von Vorteilen, für die Einwilligung gewinnen. Diese in einigen Wirtschaftsbereichen schon übliche Praxis, z. B. im Rahmen von Kundenbindungsprogrammen durch Gewährung von Vorteilen eine Gegenleistung des Kunden in Form einer Einwilligung zu erhalten, wird zu auf Einwilligung gegründeten kommerziellen Datenbeständen führen"
Fraglich ist jedoch, ob die Teilnahme an einem Gewinnspiel von einer solchen Einwilligung abhängig gemacht werden darf. Denn ein Gewinnspiel könnte über die Verpflichtung zur datenschutzrechtlichen Einwilligung zum erlaubnispflichtigen Glücksspiel werden. Ein solches soll dann vorliegen, wenn der Erwerb einer Gewinnmöglichkeit über einen nicht unerheblichen Einsatz erlangt wird. Die Einsatzgrenze liegt mit 50Cent nicht gerade hoch und der Wert der über ein Gewinnspiel erlangten Werbeeinwilligung dürfte wesentlich höher anzusiedeln sein. Die Wettbewerbswidrigkeit ergäbe sich dann jedoch nicht aus § 4 Nr. 1 UWG oder § 5 UWG, sondern über § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. den Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) bzw. §§ 284 ff. StGB. Warum das LG Hamburg über diese Variante nicht nachgedacht hat, erschließt sich nicht.
Dr. Robert Kazemi