05
Dez 2010

LG Hamburg: Zu den urheberrechtlichen Grenzen der Textänderung durch Zeitschriftenredaktionen

Wer viel mit Zeitschriftenredaktionen als Autor zu tun hat, kennt sie zur Genüge, die Vorschläge für eine „griffigere" Formulierung, das Herausstreichen oder die Umformulierung von Textpassagen im Interesse des Lesers und mit Blick auf die redaktionellen Vorgaben an die Länge eines Beitrages. So sinnvoll diese Änderungsvorschläge zu meist sind, so sehr greifen sie - nach Ansicht des LG Hamburg - jedoch auch in die Urheberrechte des Autors ein. Mit Urteil vom 22.10.2010 (Az. 308 O 78/10) hat das Gericht klargestellt, dass das Redigieren von Texten innerhalb einer Zeitschriftenredaktion eine Bearbeitung im Sinne des § 14 UrhG darstellt, die grundsätzlich der Zustimmung des Autors bedarf.

Der Sachverhalt:

Der Kläger war langjähriger freier Autor für die Redaktion einer Zeitschrift, die von der Beklagten herausgegeben wird. In seinem Vertrag mit der Beklagten hatte er dem Chefredakteur oder seinem Beauftragten die Änderung und Bearbeitung seiner Beiträge gestattet, „soweit diese Bearbeitung nicht den Sinn des Beitrags unzumutbar verändert".

Im April 2009 sandte der Kläger eine erste Fassung einer Reportage an die Redaktion der Beklagten. Die für diesen Artikel zuständige Mitarbeiterin der Redaktion teilte dem Kläger mit, dass die Reportage für die Dezember-Ausgabe der Zeitschrift geplant sei, der Text jedoch geändert, insbesondere ein Hauptprotagonist eingebaut werden solle. Diesen Vorschlag lehnte der Kläger ab. Mit E-Mail vom 16. September 2009 teilte die Redaktion mit, dass die Idee, die Geschichte zu personalisieren, verworfen worden sei, gleichzeitig bat sie um Beantwortung einiger Fragen und Anmerkungen zu dem Artikel. Der Kläger sandte daraufhin eine neue und eine vollständig überarbeitete Version der ersten Textfassung der Reportage. Daraufhin erhielt der Kläger eine von der Beklagten von seinen bisherigen Fassungen abweichende überarbeitete Textversion zur Ansicht, mit der der Kläger ebenfalls nicht einverstanden war. Er lehnte die Veröffentlichung dieses Textes daher ab und bat um einen angemessen redigierten Artikel. Der Chefredakteur der Beklagten antwortete daraufhin, dass der Text notfalls ohne den Namen des Klägers bzw. unter einem Pseudonym veröffentlicht werden würde. Dem widersprach der Kläger und verlangte, den umgeschriebenen Text nicht zu veröffentlichen. Die Beklagte berief sich auf den mit dem Kläger geschlossenen Vertrag und veröffentlichte eine an ihre Textversion angelehnte leicht überarbeitete Textversion unter der Überschrift „Plan B" und unter dem Namen des Klägers.

Die Entscheidung:

Das LG Hamburg gestand dem Autor nunmehr einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu.

Nach Ansicht des Gerichts hat die Beklagte das Werk des Klägers ohne dessen Zustimmung im Sinne des § 16 UrhG vervielfältigt und anschließend verbreitet (§ 17 UrhG). Der Text stellt eine unfreie Bearbeitung (§ 23 UrhG) des Klagemusters dar, die ohne Zustimmung des Klägers nicht verwendet werden durfte.

Die einwilligungslose Bearbeitung des Textes begründet daher einen Anspruch des Klägers auf Unterlassung der Veröffentlichung. Gemäß § 14 UrhG hat der Urheber das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Danach gilt im gesamten Urheberrecht nicht nur für denjenigen, der ein Werk widerrechtlich nutzt, sondern über § 39 UrhG auch für den Nutzungsrechtsinhaber ein generelles Änderungsverbot, es sei denn, mit dem Urheber besteht eine Änderungsvereinbarung (§ 39 Abs. 1 UrhG) oder der Nutzungszweck macht bestimmte Änderungen unumgänglich.

Eine ausdrückliche Zustimmung des Klägers zur Umgestaltung und Veröffentlichung seines Werkes in der veränderten Fassung lag nicht vor. Dies hat der Kläger vor der Veröffentlichung des Textes deutlich gemacht.

Die Beklagte kann Nach Ansicht des Gerichts auch nicht auf das vertraglich eingeräumte Bearbeitungsrecht berufen. Denn sie hat die Grenzen dieses Änderungsrechts nicht eingehalten. Nach der vertraglichen Bestimmung ist eine Änderung und Bearbeitung von Beiträgen des Klägers zulässig, "soweit diese Bearbeitung nicht den Sinn des Beitrags unzumutbar verändert." Die Auslegung dieser pauschalen Änderungsvereinbarung erfolgt nach allgemeinen Grundsätzen. Ausgangspunkt ist das Bestands- und Integritätsinteresse des Urhebers. Die Grenze jeder Änderungsbefugnis ist das im Kern unübertragbare Urheberpersönlichkeitsrecht; gröbliche Entstellungen können danach stets verhindert werden. Ebenso wie bei der gesetzlichen Änderungsbefugnis des § 39 Abs. 2 UrhG sind Änderungsklauseln in Nutzungsverträgen nach dem Maßstab von Treu und Glauben und der Verkehrssitte auszulegen. Zu den allgemeinen Kriterien der Interessenabwägung zählen der Vertragszweck, der künstlerische Rang des in Rede stehenden Werkes und die Intensität des Eingriffs bzw. dessen Erforderlichkeit zur Ausübung des vertraglich eingeräumten Nutzungsrechts. In keinem Fall darf dadurch der Sinn oder die Tendenz des Werkes berührt werden.

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte ihr Bearbeitungsrecht überschritten. Das Werk des Klägers stellt aufgrund des für ihn typischen Reportagestils, mit dem er sich bereits einen Namen u.a. als Buchautor erworben hat, ein Werk von besonderer Individualität dar. Die von der Beklagten vorgenommenen Änderungen waren zur Ausübung ihres Nutzungsrechts nach dem Vertragszweck nicht mehr erforderlich. Mängel der literarischen Güte eines Werkes kann der Verleger grundsätzlich nicht rügen. Die Beklagte hat vorliegend auch nicht lediglich einzelne Sätze umformuliert, sondern große Teile des Textes umgeschrieben. Kaum ein Satz des Klägers wurde wortwörtlich übernommen.

Bewertung:

Die Entscheidung des LG Hamburg ist zu begrüßen. Sie stärkt die Rechte der Autorenschaft und setzt der „Übermacht" der Verleger eine Grenze. Zu Recht geht das LG davon aus, dass vorliegend eine einwilligungsbedürftige Bearbeitung vorlag. In Abgrenzung zur unfreien Bearbeitung liegt eine freie Benutzung im Sinne des § 24 UrhG vor, wenn das neue Werk über das Stadium einer bloßen Umgestaltung oder Bearbeitung hinausgeht, weil angesichts seiner Eigenart die entlehnten eigenpersönlichen Züge des älteren Werkes hinter ihm verblassen. Das war vorliegend nicht der Fall.

Jedem Verlag ist daher anzuraten, ein „No-go" seines Autors ernst zu nehmen. Die verbreitet vorzufindende Praxis, von der Zusendung sog. Korrekturfahnen gänzlich abzusehen, sollte dementsprechend überdacht werden. Änderungsvorschläge der Redaktionen sind sinnvoll und nützlich, dies sollte nicht verkannt werden, sie liegen zudem im Interesse des Verlages, dem es unbenommen bleiben muss einen für ihn als „richtig" erkannten Verlagsstandard aufrecht zu erhalten. Dies sollte jedoch nicht auf Kosten der Autoren passieren, die mit Ihrem Namen für die Inhalte der jeweiligen Beiträge einstehen. Eine gewisse Kooperation zwischen Verleger und Autor ist daher - nicht nur von Rechtswegen -  sinnvoll und erforderlich.

Dr. Robert Kazemi

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