30
Mai 2010

LG Köln: Filesharing eines ganzen Musikalbums keine unerheblichen Rechtsverletzung i.S.d. § 97a Abs. 2 UrhG

Das Landgericht (LG) Köln lässt in Urheberrechtsfragen wieder einmal aufhorchen. Mit Urteil vom 21.04.2010 (28 O 596/09) hat das LG zur Frage der Reichweite der in § 97a Abs. 2 UrhG neu in das Gesetz aufgenommen Begrenzung der Gebühren für das außergerichtliche anwaltliche Tätigwerden Stellung bezogen. Die Musikindustrie wird es freuen, viele Abgemahnte verlieren eine wichtige Verteidigungslinie.

Im Juli 2008 wurde § 97a Abs. 2 UrhG (BGBl. I S. 1191) in das UrhG eingefügt, der für die erstmalige Abmahnung einer unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs eine Begrenzung der Abmahngebühr auf 100,00 € vorsieht. Im Einzelnen müssen hierfür folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • erstmalige Abmahnung = keine identischen oder „in ihrem Kern gleich gelagerten Verletzungshandlungen im Verhältnis zum Kläger"
  • einfache Lagerung des Falles = Eindeutigkeit der  Rechtsverletzung (auch für juristisch nicht Geschulte)
  • nur unerhebliche Rechtsverletzung = nach Art und Ausmaß geringfügiger Eingriff in die Rechte des Klägers= außerhalb des geschäftlichen Verkehrs = reiner Privatbereich

Nach Ansicht des LG Köln liegt eine derartig einfach gelagerte Fallgestaltung bereits dann nicht mehr vor, wenn nicht nur einzelne Titel, sondern - wie so oft - ein ganze Album zum Download bereitgehalten wird.

Der Fall:

Über den Anschluss des später auf Unterlassung in Anspruch genommenen wurde im April 2009 für einen Zeitraum von (nachgewiesenen) 26 ein Album einer Musikgruppe zum Abruf bereitgehalten. Hieraufhin erhielt der Anschlussinhaber eine Abmahnung mit der er neben der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auch zur Erstattung von Anwaltskosten aus einem nicht unerheblichen Gegenstandswert aufgefordert wurde.

Der Abgemahnte sah insbesondere die für die Tätigkeit der beauftragten Rechtsanwälte geforderte Gebühr von immerhin 1780,00 € als ungerechtfertigt an und berief sich zur Verteidigung unter anderem auch auf die Vorschrift des § 97a Abs. 2 UrhG. Zu Unrecht, urteilte nun das LG Köln.

Die Entscheidung:

Nach Ansicht des LG war die Ausnahmevorschrift des § 97a Abs. 2 UrhG nicht anzuwenden und die Höhe des Anspruchs daher jedenfalls nicht auf 100,00 € gedeckelt. Die Deckelung greife nur bei unerheblichen Rechtsverletzungen ein. Dabei sei ein geringes Ausmaß der Rechtsverletzung in qualitativer wie quantitativer Hinsicht nach dem Willen des Gesetzgebers nötig, also ein Bagatellverstoß. Durch das Filesharing eines ganzen Albums und nicht etwa nur eines Titels sei diese Bagatellgrenze jedenfalls überschritten, zumal das Werk für alle an der Tauschbörse Teilnehmende abrufbar war.

Hinzu komme, dass es sich um einen einfach gelagerten Fall handeln müsste, was ebenfalls nicht der Fall war. Einfach gelagert seien allein Fälle, die weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweisen, bei denen also das Vorliegen einer Rechtsverletzung - ggf. auch für einen geschulten Nichtjuristen - quasi auf der Hand liegt. Da es vorliegend um die Haftung von Personen im Internet ginge, läge offensichtlich eine komplexe Materie vor, die den Fall nicht mehr als „einfach gelagert" erscheinen lasse.

Bewertung:

Die Einschätzung der Erheblichkeit der Rechtsverletzungen durch das LG Köln zeichnet sich - zumindest in der Literatur - seit geraumer Zeit ab. Während einige Gerichte - allen voran das Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil v. 03.02.2009 - Az.: 6 U 58/08 - die Schutzschranke des § 97a Abs. 2 UrhG zu Gunsten der Abgemahnten weit auslegen, ist in der jüngeren juristischen Literatur ein Wandel hin zu einer restriktiven Anwendung der Norm zu verzeichnen. Argumentiert wird dahingehend, dass man sich vor Augen führen müsse, dass zwar einerseits die Motivation des Einzelnen nur auf eine kleinkriminelle Straftat ähnlich einem Ladendiebstahl gerichtet sei, andererseits die betroffenen Werke durch die Teilnahme am Netzwerk innerhalb der relevanten Verkaufsphasen lawinenartig und unkontrollierbar weiterverbreitet werden, wobei das Ausmaß der Verbreitung dem einer gewerblichen Distribution gleichkomme. Zudem scheitere die Annahme eines „leichten Falles" bereits daran, dass die Ermittlung des Filesharers in aller Regel mit erheblichem Ermittlungsaufwand verbunden sei.

Ob diese Ansicht tatsächlich aus der Gesetzesbegründung hergeleitet werden kann, erscheint zumindest fraglich. Hiernach soll die in § 97a Abs. 2 UrhG normierte Begrenzung, Verbraucher, die außerhalb des geschäftlichen Verkehrs tätig werden, vor überzogenen Forderungen schützen. Als Beispiele nennt die Gesetzesbegründung dabei unter anderem das öffentliche Zugänglichmachen eines Stadtplanausschnitts der eigenen Wohnungsumgebung auf einer privaten Homepage, aber auch die Verwendung eines Lichtbildes in einem privaten Angebot einer Internetversteigerung ohne vorherigen Rechtserwerb vom Rechtsinhaber. Zu den Filesharing-Systemen sagt § 97a UrhG hingegen nichts.

Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung hier weiter positionieren wird. Schlussendlich wird aber wohl nur eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs Klarheit bringen können.

Dr. Robert Kazemi

Zurück