LG Köln: Unterlassungshaftung des Anschlussinhabers für über seinen Anschluss getätigtes File-Sharing
Das Landgericht Köln bleibt seiner Entscheidungspraxis in Sachen File-Sharing treu. Wer über seinen Internetanschluss - bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt - die Möglichkeit zum File-Sharing eröffnet, haftet der geschädigten Musikindustrie auf Unterlassung und die für eine Abmahnung aufgewendeten Abmahnkosten. Letzte können zum Teil erheblich sein, wie auch der nunmehr entschiedene Fall zeigt, denn Land- und Oberlandesgericht Köln gehen von hohen Streitwerten aus, die für nur wenige Musikstücke schnell einen Betrag von bis zu 200.000,00 € erreichen können. Die hieraus resultierenden Anwaltsgebühren belaufen sich so schnell auf mehr als 2.000,00 €.
Grund genug, dass die Abgemahnten danach suchen, die Anwaltskosten zu reduzieren. Eine Möglichkeit räumt der Gesetzgeber im Rahmen des Urheberrechts selber ein. Nach § 97a UrhG sind die erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 Euro beschränkt.
Was auf den ersten Blick gut klingt, führt oft nicht weiter. Denn zumeist werden gleich mehrere Titel zum Download bereit gehalten (oft jenseits der 150). Kann hier dann noch von „privatem" oder gar „unerheblichen" Rechtsverletzungen gesprochen werden? Die Musikindustrie sagt nein und wird dabei all zu oft von den Gerichten bestätigt. Es muss also eine andere Lösung her.
Mit einer solchen hatte sich nunmehr das LG Köln (Urteil vom 27.02.2010, Az. 28 O 241/09) zu beschäftigen. Der Inanspruchgenommene Familienvater hatte nämlich behauptet, dass die mit der Abmahnung beauftragten Rechtsanwälte tatsächlich nicht nach den Bestimmungen des RVG, sondern nach einer im Einzelfall viel niedrigeren Gebührenvereinbarung entlohnt werden. Die Behauptung, der Beklagte sei daher zur Erstattung der Anwaltsgebühren aus einem hohen Gegenstandswert verpflichtet, wäre rechtsmissbräuchlich, vielleicht sogar - unter dem Gesichtspunkt des versuchten Betruges - strafbar.
Im vorliegenden Fall hat das LG Köln ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht feststellen können, die insoweit lesenswerten Ausführungen des Landgerichts verdeutlichen eindrucksvoll die Schwierigkeiten, die sich im Rahmen der Beweisführung für den Inanspruchgenommenen ergeben.
Das Gericht führt aus:
„Soweit sich aus Zeugenaussagen ergibt, dass bei gerichtlicher Geltendmachung die gerichtliche Streitwertfestsetzung von Fall zu Fall variiert und in Folge dessen auch die Klägerinnen und ihre Prozessbevollmächtigten diese ihrer Abrechnung zugrunde legen bzw. sich die Klägerinnen und ihre Prozessbevollmächtigten auf eine unterhalb des ursprünglich geltend gemachten Betrages liegende Summe einigen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn hiernach ist davon auszugehen, dass zwischen den Klägerinnen und ihren Prozessbevollmächtigten im Einzelfall erst nach Abschluss einer Angelegenheit - z.B. wenn der Streitwert anders als zunächst vorausgesetzt festgesetzt wurde oder aber es zu einer vergleichsweisen Regelung mit dem Abgemahnten gekommen ist - überlegt wird, ob mehr als der dort erzielte Betrag an die, Prozessbevollmächtigten zu zahlen ist. Dagegen spricht auch nicht der Umstand, dass bereits in dem Abmahnschreiben an den Beklagten ein Vergleichsvorschlag enthalten war. Wie der von dem Beklagten benannte Zeuge M... ausgesagt hat, war es von Anfang an das Bestreben der Klägerinnen, niemanden durch eine Abmahnung wirtschaftlich zu ruinieren. Dem entspricht es, dem Abgemahnten von vornherein durch ein Vergleichsangebot die Möglichkeit zu einer Reduzierung seiner finanziellen Belastung zu geben."
Bewertung:
Das Vorliegen einer die Abrechnung auf RVG-Basis hindernden Vergütungsvereinbarung wird in Fällen der Massenabmahnung nur in sehr selten Fällen bewiesen werden können. Die beteiligten Anwälte werden sich hier (zulässiger Weise) auf das anwaltliche Schweigerecht berufen können, jeglicher Beweisantrag erscheint so von vornherein als „Ausforschungsantrag" ins Blaue hinein. Jedem, der über Wlan verfügt ist daher zu empfehlen, dieses - wie seinen Internetanschluss selbst - vor ungehindertem Zugang Dritter zu schützen. So bitter dies, gerade in der familiären Situation sein mag, so wichtig ist dies solange die Rechtsprechung nach wie vor zu Gunsten der Musikindustrie entscheidet.
Dr. Robert Kazemi