18
Jan 2016

LG Memmingen: Unterlassungsanspruch des Grundstückseigentümers gegen Dash-Cam in parkendem Auto

Sog. Dash-Cams erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Ihr Einsatz ist datenschutzrechtlich indes nicht unumstritten; der Beweiswert der von ihnen aufgenommenen Bilder streitig. Dass der Einbau und Betrieb auch rechtliche Konsequenzen außerhalb eines Verkehrsunfalls zeichnen kann, belegt ein aktuelles Urteil des Landgerichts (LG) Memmingen vom 14.01.2016 (Az.: 22 O 1983/13).

Die Klägerin zu 1) wohnt zusammen mit ihrem Sohn, dem Kläger zu 2), im Anwesen L.-weg 1 in ... Neu-Ulm gegenüber des dortigen Kindergartens in dem die Beklagte als Erzieherin beschäftigt ist. Die Beklagte hat regelmäßig den Pkw ihres Ehemannes, des Beklagten zu 2), gegenüber der Einmündung des L.-wegs in den M.-weg oder aber direkt im L.-weg schräg gegenüber des Anwesens der Kläger geparkt und dabei eine aufnahmebereite Bordkamera (sog. Dash-Cam) an der Windschutzscheibe befestigt. Diese schaltet sich automatisch per Bewegungsmelder ein und zeichnet dann die Vorgänge in Blickrichtung der Kamera jeweils über einige Minuten auf. Ist der Speicher voll, werden die Daten überschrieben. Auf das Vorhandensein einer Bordkamera weist ein kleines Schild an einem Fahrzeugfenster hin. Die Klägerin erstattete gegen die Beklagten Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Memmingen (Az. 332 Js 19830/13) im Hinblick auf die Videoaufnahmen. Die Kläger sehen in der Nutzung der Bordkamera mit der Möglichkeit insbesondere den Eingang zu ihrem Wohnanwesen zu überwachen eine Verletzung ihres informationellen Selbstbestimmungsrechts.

Das LG gab den Klägern nunmehr Recht und bejaht einen aus §§ 1004 I, 823 I, II BGB 6 b I BDSG resultierenden Anspruch auf Unterlassung der Fertigung von Videoaufnahmen von Ihnen und des Straßenraums zu ihrem Wohngrundstück, wie auch der Vorhaltung einer aufnahmebereiten Bordkamera im dortigen Bereich. Die durch die Dash-Cam vollzogene Beobachtung des öffentlichen Straßenraums und des Zugangs zum Privatgrundstück der Kläger verstößt – so das LG -  gegen das Recht der Kläger auf informationelle Selbstbestimmung, denn sie ist nicht gem. § 6b I BDSG gerechtfertigt. „Da die Beobachtung weder zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen oder zur Wahrnehmung des Hausrechts der Beklagten diente, wäre sie nur zulässig zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Beklagten überwiegen. Letzteres war vorliegend nicht der Fall. Zwar mag für die Beklagten die Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke sprechen, weil sie glaubhaft versichert haben durch den Betrieb der Kamera die Aufklärung von Unfällen oder Sachbeschädigungen an ihrem Fahrzeug verbessern zu wollen. Allerdings überwiegen die schutzwürdigen Interessen der Kläger am Schutz ihrer Privatsphäre. Den Klägern ist es nicht zumutbar sich oder ihre Besucher ständig der Gefahr einer Beobachtung mittels Videokamera ausgesetzt zu sehen. Die bloß theoretische Möglichkeit des Notwendigwerdens einer Beweisführung aufgrund der generellen Gefährlichkeit des Straßenverkehrs oder der Möglichkeit von Vandalismus, genügt nicht für ein überwiegendes Interesse der Beklagten zu diesem Zwecke zu beliebige Zeitpunkten den Zugang zum Anwesen der Kläger zu überwachen.“, heißt es u.a. in den Urteilsgründen.

Die Entscheidung ist zu begrüßen und datenschutzrechtlich zutreffend. Einmal mehr zeigt sich hier, dass die Einrichtung von Videoüberwachungen nicht leichtfertig und vor allem nicht ohne Unterstützung eines auf das Datenschutzrecht spezialisierten Beraters erfolgen sollte. Die in Memmingen im Einsatz befindliche Dash-Cam ist zwar aus, andere fahren indes weiter durch die Republik. Wer hier nicht die Gefahr einer Abmahnung riskieren will, sollte sich über den Einsatz noch einmal Gedanken machen.

Dr. Robert Kazemi

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