LG Paderborn: Zur Wettbewerbswidrigkeit von AGB-Verstößen und Unbeachtlichkeit von Fehlern in der Widerrufsbelehrung
Das Landgericht (LG) Paderborn hat sich in einem kürzlich veröffentlichtem Urteil mit einigen interessanten Fragen des Wettbewerbs- und Vertragsrechts befasst, unter anderem mit der Wettbewerbswidrigkeit von AGB-Verstößen und der Frage danach, wann die Verwendung nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrungen wettbewerbsrechtlich durch Mittbewerber verfolgt werden kann. Die vom LG in seiner Entscheidung 6 O 43/10 gefundenen Antworten überzeugen nach Ansicht des Verfassers hingegen nicht.
Der Fall:
Der Antragsteller ist gewerblich tätig und verkauft unter seinem Internetauftritt Waren aus dem Bereich Koffer, Rucksäcke, Ranzen und Schulzubehör. Die Antragsgegnerin verkauft ebenfalls gewerblich gleichartige Waren, und zwar unter ihrem Internetauftritt sowie in ihrem eBay-Shop. Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin anlässlich einer vorausgegangenen Gegenabmahnung vom 18.03.2010 mit Schreiben vom 22.03.2010 wegen verschiedener angeblicher Wettbewerbsverstöße abgemahnt, und zwar insbesondere wegen Nichterteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung, wegen Erteilung des Hinweises, dass der Kunde die Kosten für die Rücksendung zu tragen habe, wenn die gelieferte Ware der bestellten entspreche und der Preis der zurückzusendenden Ware einen Betrag von 40,00 EUR nicht übersteige, sowie wegen Verwendung nachfolgender AGB-Klauseln:
„Besondere Vereinbarungen und Nebenabreden erlangen nur Gültigkeit, wenn sie von uns schriftlich bestätigt werden. Abweichende Einkaufsbedingungen des Kunden, die wir nicht schriftlich bestätigen, sind unverbindlich, auch wenn wir ihnen im Einzelfall nicht widersprechen."
„Technische Änderungen sowie Änderungen im Farbton bei gleichwertigem Preis bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, solange die Änderung unter Berücksichtigung unserer Interessen für den Käufer zumutbar ist."
„Bei Kunden, die nicht Verbraucher sind, sind die in Katalogen, Prospekten, Rundschreiben, Anzeigen, Abbildungen und vergleichbaren öffentlichen Anpreisungen enthaltenen Angaben über Leistungen, Maße, Gewichte, Preise und dergleichen unverbindlich, soweit sie nicht ausdrücklich Vertragsinhalt werden."
„Sollte eine gegenwärtige oder zukünftige Bestimmung dieses Vertrages ganz oder teilweise unwirksam/nichtig und nicht durchführbar sein oder werden, so wird hiervon die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen dieses Vertrages nicht berührt. Das gleiche gilt, wenn sich nach Abschluss des Vertrages eine ergänzungsbedürftige Lücke ergibt. Die Parteien werden die unwirksame/nichtige Bestimmung oder ausfüllungsbedürftige Lücke durch eine wirksame Bestimmung ersetzen, die in ihrem rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt der unwirksamen/nichtigen Bestimmung und dem Gesamtinhalt des Vertrages Rechnung trägt."
Die Entscheidung:
Das LG hat dem Unterlassungsantrag der Antragstellerin nicht stattgegeben und sich dabei maßgeblich auf das Argument der Rechtsmissbräuchlichkeit des Vorgehens der Antragstellerin zurückgezogen. Diese habe durch ihr Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass es ihr vorliegend nicht um die Aufrechterhaltung fairen Wettbewerbs, sondern allein um außerwettbewerbliche Interesen ginge. Nach der Rechtsprechung ist von einem Missbrauch i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Diese müssen zwar nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein, aber eindeutig überwiegen. Als typischen Beispielsfall eines sachfremden Motivs nennt das Gesetz ausdrücklich das Gebührenerzielungsinteresse. Gleichermaßen sachwidrig ist es, wenn zusätzlich mit dem Entstehenlassen hoher Gebühren wegen eines zwar eindeutigen, aber eher geringfügigen Wettbewerbsverstoßes die Absicht verfolgt wird, einen, zumal kleinen Mitbewerber vom Markt zu drängen. Hiervon geht die Kammer für den vorliegenden Fall unter Wertung aller Umstände aus.
Keine Auferlegung der Rücksendekosten allein innerhalb der Widerrufsbelehrung
Darüber hinaus äußert sich das Gericht jedoch auch zu den Sachfragen. In Bezug auf die Widerrufsbelehrung, die vorsah, dass der Verbraucher für den Fall der Ausübung seines Widerrufsrechts die Rücksendekosten zu tragen habe, geht das LG zunächst davon aus, dass es sich bei dieser Regelung tatsächlich um eine unwirksame handelt. In den Urteilsgründen heißt es hierzu:
„Nach § 357 Abs. 2 S. 3, 1. Alternative BGB dürfen dem Verbraucher die regelmäßigen Kosten der Rücksendung einer Sache, deren Wert den Betrag von 40,00 EUR nicht übersteigt, „vertraglich" auferlegt werden. Eine solche vertragliche Vereinbarung liegt hier indes nicht vor. Diese muss gesondert erfolgen und kann nicht in der Belehrung über die Widerrufsfolgen gesehen werden. Sie kann zwar auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen werden. Eine solche gesonderte Vereinbarung liegt aber auch dann nicht vor, wenn lediglich die Widerrufsbelehrung in sich abgeschlossen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen untergebracht wird, wie das vorliegend der Fall ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 30.03.2010 - 4 U 212/09-). Dieser Verstoß fällt aber, auch wenn er vorliegend die Bagatellgrenze übersteigt, nicht erheblich ins Gewicht. Mitbewerber werden nicht erheblich beeinträchtigt, da die beanstandete Klausel für den Verbraucher Nachteiliges formuliert und ihn deshalb eher von dem Kauf abhalten wird. Insbesondere aber ist das Bemühen der Antragsgegnerin erkennbar, sich durch die Wiederholung der Widerrufsbelehrung in ihren AGB gesetzeskonform zu verhalten und die gesetzlichen Voraussetzungen für die erforderliche Vereinbarung der Kostentragungspflicht zu schaffen."
Dennoch sei eine wettbewerbsrechtliche Verfolgung ausgeschlossen, weil der Verstoß geringfügig sei.
Auch die beanstandeten AGB-Regelungen sieht das LG Paderborn als durchaus kritisch und vermeintlich unwirksam, weil den Verwendungsgegner unangemessen benachteiligend, an. Geht dann jedoch davon aus, die unwirksamen AGB-Bestimmungen könnten nicht auf Basis des § 4 Nr. 11 UWG als Verstöße gegen sog. Marktverhaltensregelungen von Mitbewerbern verfolgt werden. In den Gründen heißt es hierzu:
„Nicht jede Verwendung einer nach den §§ 307 ff. BGB unwirksamen AGB-Klausel ist auch wettbewerbswidrig nach § 4 Nr. 11 UWG. Unabhängig vom fehlenden Vorrang des Unterlassungsklagengesetzes sprechen schon systematische Gesichtspunkte gegen eine richterliche AGB-Inhaltskontrolle im Wettbewerbsprozess. Das Verbandsklagerecht aus § 1 UKlaG wäre funktionslos, wenn die gemäß § 3 Abs. 1 UklaG anspruchsberechtigten Stellen auf der Grundlage ihrer inhaltlich korrespondierenden Klagebefugnis aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 - 4 UWG immer auch aus § 4 Nr. 11 UWG gegen die Verwendung unwirksamer AGB vorgehen könnten. Auch deshalb schließt sich die Kammer der Rechtsprechung an, wonach es für den Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG nicht ausreicht, dass die beanstandete AGB-Bestimmung ausdrücklich oder erkennbar auch Verbraucher schützt; vielmehr kommt es auf deren Schutz als am Markt agierende Personen an. Nur dann kommt ihr eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion zu Gunsten der Marktteilnehmer zu, wie sie der Rechtsbruchtatbestand voraussetzt (vgl. OLG Köln NJW 2007, 724; OLG Hamburg NJW 2007, 2264). Letzteres ist dann der Fall, wenn die beanstandete AGB-Klausel z.B. die sich aus §§ 355, 312 c BGB i.V.m. der BGB-InfoV ergebenden Belehrungspflichten hinsichtlich des Widerrufs- und Rückgaberechts betrifft, sich also unmittelbar mit der Vertragsanbahnung befasst, und ist demgegenüber nicht der Fall, wenn die beanstandete Klausel die Abwicklung des Vertrages regeln soll. Letzteres ist bei den vom Antragsteller beanstandeten AGB-Klauseln der Antragsgegnerin indes der Fall. Ein wettbewerbsrechtlich zu beanstandender Verstoß liegt deshalb in keinem Fall vor."
Bewertung:
Die Entscheidung des LG Paderborn wirkt in vielen Punkten so, als habe die Kammer versucht, das Urteil in die „richtige" Richtung zu schieben. Zahlreiche rechtliche Gesichtspunkte sind dabei jedoch dem Opportunitätsprinzip zum Opfer gefallen. So überzeugt insbesondere die Argumentation zur wettbewerbsrechtlichen „Unbeachtlichkeit" von AGB-Verstößen nach hiesiger Ansicht nicht. Insbesondere sind die Umkehrschlüsse, die das Gericht aus den Bestimmungen zum Unterlassungsklagegesetz zieht, vor dem Hintergrund der jüngsten Änderungen im UWG und den europäischen Richtlinienvorgaben nicht. So definiert das UWG in § 2 Nr. 1 den Begriff der geschäftlichen Handlung - in Abkehr zum Begriff der Wettbewerbshandlung - wesentlich weiter. War vor der UWG-Novelle noch fraglich, ob auch nachvertragliche Verstöße, zu denen AGB-Verstöße zählen, als Wettbewerbshandlung eingestuft werden können, heißt es nunmehr ausdrücklich, dass eine Geschäftliche Handlung auch dann vorliegt, wenn es um die Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen" geht. Damit aber bleibt für die Argumentation des LG aus hiesiger Sicht jedoch kein Raum. Verstoßen AGB - wie vorliegend - daher gegen zwingende gesetzliche Vorgaben, so können diese Verstöße auch wettbewerbsrechtlich geahndet werden. Die Entscheidung des LG Paderborn wiegt all diejenigen, die mit grenzwertigen AGB arbeiten, damit nur scheinbar in Sicherheit. Aus Sicht des Unterzeichners jedenfalls, wird sich die Rechtsansicht des Landgerichts nicht auf Dauer durchsetzen, weswegen allen Unternehmern dringend anzuraten ist, ihre AGB auf die Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen.
Was die Wertungen des LG in Bezug auf die Unerheblichkeit von Verstößen in Bezug auf die Belehrung über das Widerrufsrecht angeht, so ist - ebenfalls - Vorsicht geboten. Wegen des in Wettbewerbsverfahren wegen Verstößen im Internet bestehenden sog. fliegenden Gerichtsstandes, können Mitbewerber grundsätzlich selbst entscheiden, an welches Gericht sie sich mit wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen wenden. Zahlreiche Gericht - allen voran das für das LG Paderborn zuständige OLG Hamm - hingegen, sehen bereits kleine Verstöße gegen zwingende Verbraucherschutzvorschriften als wettbewerbswidrig an. Auch hier ist daher Vorsicht geboten.
In Zusammenhang mit der hier streitgegenständlichen Regelung zu Tragung der Rücksendekosten bei Waren bis zu einem Wert von 40,- € ist die Rechtslage zudem undeutlich. So hat das LG Frankfurt a.M. entschieden, dass im Online-Handel eine gesonderte Vereinbarung über Rücksendekosten nicht erforderlich ist. Es reiche aus, dass darauf in der Widerrufsbelehrung hingewiesen wird (AZ.: 3-12 O 123/09). Dies aber ist die gegenteilige Ansicht zum durch das LG Paderborn gefundenen Ergebnis, eine höchstrichterliche Klärung steht (bislang) noch aus. Wer bis dahin auf „Nummer sicher" gehen will, dem ist dringend angeraten, eine Regelung zu den Rücksendekosten auch in die AGB aufzunehmen.
Dr. Robert Kazemi