LSG Rheinland-Pfalz: Kein Werbung mit Boni in niederländischer Versandapotheke durch gesetzliche Krankenkasse
Das LSG Rheinland-Pfalz hatte in einem Eilverfahren darüber zu entscheiden, ob sich eine gesetzliche Krankenkasse pflichtwidrig verhält, die gegenüber Ihren Versicherten die Inanspruchnahme einer Bestimmten Versandapotheke bewirbt. Die hier durch einen Apotheker in Anspruch genommene Krankenversicherung (BKK) versandte an eine unbekannte Zahl ihrer Mitglieder Werbebroschüren der niederländischen Versandapotheke E und warb in einem Begleitschreiben unter der Überschrift "Die Dreifach-Garantie der E: günstig, sicher und bequem" u. a. für einen "persönlichen Bonus", den die Versicherten bei dieser Apotheke auf zuzahlungspflichtige Arzneimittel sowie frei verkäufliche Produkte erhalten.
Wie schon das Sozialgericht Mainz in erster Instanz untersagte nun auch LSG Rheinland-Pfalz der Versicherung die Durchführung der Werbeaktion (LSG RLP, Urt. v. 04.06.2009 - L 5 KR 57/09 B ER).
Das Gericht führt aus, der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergebe sich aus den zwischen den Beteiligten geltenden Verträgen zur Arzneimittelversorgung. Gemäß § 2 Abs. 4 des zum 01.04.2008 in Kraft getretenen bundesweit geltenden Rahmenvertrags über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 Vertrags könnten die Krankenkassen oder ihre Verbände mit den Mitgliedsverbänden des Deutschen Apothekerverbands, die Verbände der Ersatzkassen mit dem Deutschen Apothekerverband, ergänzende Verträge schließen (§ 129 Abs. 5 SGB V). Soweit ergänzende Verträge geschlossen seien, sei der für den Sitz der Apotheke geltende Vertrag der jeweiligen Kassenart anzuwenden. Die Betriebskrankenkasse sei an die vertraglichen Vereinbarungen, die der BKK-Landesverband Rheinland-Pfalz mit dem Apothekenverband Rheinland-Pfalz getroffen habe, gebunden, ohne unmittelbar vertragschließende Partei zu sein. Durch die Versendung der Hinweisschreiben und der Werbebroschüren der E an ihre Versicherten habe die Krankenversicherung gegen ihre Pflichten aus § 2 Abs. 5 S. 3 des zwischen dem Apothekerverband Rheinland-Pfalz einerseits und verschiedenen Krankenkassen und Krankenkassenverbänden, u.a. dem BKK-Landesverband Rheinland-Pfalz und Saarland, am 26.02.1996 geschlossenen Arzneiliefervertrags (ALV 1996) verstoßen. Danach sei eine Beeinflussung der Anspruchsberechtigten und der Vertragsärzte zugunsten einer bestimmten Apotheke oder anderer Abgabestellen durch diese oder eine vertragschließende Krankenkasse unzulässig. Das Hinweisschreiben der Betriebskrankenkasse stelle schon für sich alleine eine Beeinflussung der Versicherten zugunsten der Apotheke dar. Der Werbezweck des Schreibens und die Absicht, dadurch Versicherte der Apotheke zuzuführen, sei offensichtlich.
Wertungen des UWG auch im sozialgerichtlichen Prozess?
Interessant sind die Ausführungen des LSG in Bezug auf die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Zwar lässt das LSG ausdrücklich offen, ob im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Anordnungsverfahrens ein Unterlassungsanspruch auch aus § 4 Nr. 1 UWG i.V.m. dem Neutralitätsgebot herleiten ließe. Allein der „Anriss" dieser Fragestellung ist jedoch beachtlich.
Bislang galt - soweit ersichtlich - , dass Wertungen des UWG im sozialgerichtlichen Prozess außer Betracht bleiben müssen. Die sich hieraus ergebenden Wertungen galten - auch wegen der Regelung des § 69 SGB V - im sozialgerichtlichen Verfahren als unbeachtlich und allenfalls vor den Zivilgerichten zu berücksichtigen. Diese jedoch zeigen neuerdings die Tendenz der weiten Auslegung des § 69 SGB V und kommen zu dem Ergebnis, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten sei im Rahmen von Streitigkeiten zwischen GKV und Leistungserbinger grundsätzlich nicht gegeben. Ein Tätigwerden auf Basis des UWG schien damit kaum mehr möglich.
Das LSG weist - wenn auch nur Ansatzweise - nun einen anderen Weg und zieht die Anwendung des UWG auch im sozialgerichtlichen Verfahren offensichtlich in Betracht. Dies könnte insofern Bedeutung erlangen, als dass nach den Bestimmungen des UWG (dort § 12 Abs. 2) wegen der generellen Eilbedürftigkeit von Wettbewerbssachen für den Antragsteller die widerlegliche Vermutung für das Bestehen der Dringlichkeit (sog. Dringlichkeitsvermutung) streitet (vgl. BGH GRUR 00, 151, 152 - Späte Urteilsbegründung). Über eine Anwendung der Bestimmungen des UWG im sozialgerichtlichen Verfahren könnten damit die strengen Anforderungen, die die Sozialgerichtsbarkeit sonst an die Darlegung eines Anordnungsgrundes (Dringlichkeit) gestellt hat, obsolet werden. Es bleibt abzuwarten, wie die Entwicklungen hier weiter voran schreiten.
Dr. Robert Kazemi