OGH: Wird das „Hunderwasser-Haus“ zum „Hunderwasser-Krawina-Haus“?
Es ist eines der Sehenswürdigkeiten Wiens, eines der Gebäude, die jeder Wien-Tourist, gesehen haben sollte, das Hundertwasser-Haus. Nicht ganz so oft, wie dieses bunte Haus auf Ansichtskarten zu finden ist, war es bereits Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. In insgesamt drei Verfahren hatte sich der Österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) mit diesem architektonischen Denkmal zu befassen. Das letzte, dritte, Urteil fiel am 11.03.2010 (OGH, Urteil vom 11.03.2010, 4Ob195/09v).
Hintergrund der Entscheidung, der den Maler Friedensreich Hundertwasser bei seinem Wohnbauvorhaben in Wien beratende Architekten Josef Krawina klagte darauf, künftig neben dem Maler als Urheber des Hauses genannt zu werden. Und er hatte Erfolg.
Hintergründe:
Die Stadt Wien beauftragte 1979 den Maler Friedensreich Hundertwasser und den Architekten DI Josef Krawina mit der Ausarbeitung des Vorentwurfs für ein Wohnbauvorhaben in Wien 3, Kegelgasse/Löwengasse. Hundertwasser hatte dabei die Vorstellung, dass hier eine richtungsweisende exemplarische Wohnanlage nach seinen Ideen und Wünschen mit Bäumen, Grasdach u.ä. errichtet werden solle. Nachdem Krawina einen ersten Vorentwurf auf Basis der damals geltenden Vorschriften des sozialen Wohnbaus gezeichnet und dazu ein Modell aus Styropor gebaut hatte, erreichte Hundertwasser noch 1979, dass für diesen Bau Ausnahmen von den Richtlinien für den sozialen Wohnungsbau gemacht werden. Daraufhin wurde ein Gebäude mit einem abgetrennten Baukörper erdacht. Im März 1980 folgte ein zweiter Vorentwurf Krawinas samt zugehörigen perspektivischen bzw. axonometrischen Zeichnungen und einem dazugehörigen Balsaholzmodell. Krawina entwickelte dabei unter intensiver Ausnutzung der eingeräumten rechtlichen Möglichkeiten einen erheblich von den Bebauungsbestimmungen abweichenden, aber konsensfähigen Baukörper. Dieser Baukörper wurde über alle Planungsschritte im Wesentlichen unverändert gelassen und gelangte auch tatsächlich zur Ausführung. In diesen Plänen Krawinas von März 1988 waren unter anderem bereits die städtebaulich und architektonisch das Haus prägende großzügige Zugangslösung zum Innenhof entwickelt, weiters die Ausformung der städtebaulich wirksamen, großen begrünten Terrasse im ersten Stock Ecke Kegelgasse/Löwengasse, die der hofseitigen Terrasse und die den Gesamteindruck mitbestimmende Terrasse im 2. Stock sowie die den Gesamtgebäudeeindruck prägende Terrassierung, die in der Kegelgasse ab dem 3. und in der Löwengasse ab dem 6. Geschoß einsetzt, und der die Ansicht Löwengasse dominierende dreigeschoßige Gemeinschaftsraum. Krawina nützte dabei den künstlerischen Spielraum bei der Gebäudegestaltung bis an die Grenzen des rechtlich Möglichen aus. Hundertwasser nahm zu diesem Entwurf in einem Tonbandbrief vom 10. 3. 1980 Stellung, zeigte sich dabei von den Plänen und von den Fotos des Modells stark beeindruckt, kritisierte aber auch und äußerte Verbesserungsvorschläge. In weiterer Folge kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Hundertwasser und Krawina, die bei der Gestaltung der Fassade eskalierten. Der Streit führte zum Ausscheiden Krawinas aus der Zusammenarbeit am 14. 10. 1981 und zur Abrechnung seines Honorars. Sein Vertrag mit der Stadt Wien wurde einvernehmlich mit der Klausel aufgelöst, dass er sich einverstanden erkläre, aus keinem Titel irgendwelche Forderungen an die Stadt Wien zu erheben. Im Oktober 1981 übernahm ein angestellter Architekt die weitere Betreuung dieses Projekts.
Obwohl Krawina daher maßgeblich an der Umsetzung des Hauses beteiligt war, wird er von der Vermarktungsgesellschaft des Hauses nicht als Urheber genannt. Er forderte daher die Vervielfältigung und/oder Verbreitung des „Hundertwasser-Hauses" zu unterlassen, wenn dies ohne Bezeichnung von Krawina als Originalurheber dieses Werks geschieht.
Die Entscheidung:
Der OGH gab dem Architekten nunmehr weitestgehend Recht. Er habe als Miturheber des Hundertwasser-Hauses einen Anspruch darauf, auch als solcher benannt zu werden. Auf diesen Anspruch habe Krawina auch Hundertwasser gegenüber nicht verzichtet, auch nicht konkludent. Dass Krawina seine Ansprüche nicht schon viel früher geltend gemacht habe, könne verschiedenste Gründe haben, weshalb sein langes Zuwarten keineswegs so interpretiert werden könne, dass er damit zweifelsfrei gegenüber Hundertwasser auf seine Rechte verzichtet habe. Die Vermarktungsgesellschaft hat Krawina daher zukünftig als Miturheber des „Hunderwasser-Hauses" zu benennen. Wie dies im Einzelnen geschehen wird, ist noch unklar.
Dr. Robert Kazemi