04
Dez 2009

OHG: Pfizer bleibt „standhaft“ und siegt im Streit um Kürbiskern-Viagra

Ein österreichischer Konditor verkaufte in einem Geschäft in der Weststeiermark Kürbiskernöl sowie Kürbiskerne, die zum Teil mit Zuckerguss in verschiedenen Farben überzogen waren. Er unterhielt zudem eine Website, auf der er seine Produkte vorstellte und über einen Onlineshop europaweit vermarktete.

Eine der Kürbiskernvariationen war mit blauem Zuckerguss überzogen und wurde auf der Website unter der Bezeichnung „Styriagra" angeboten.  Der Konditor warb im Internet unter der Überschrift „Kürbismedizin" mit der gesundheitsfördernden Wirkung von Kürbiskernen; dabei wies er auch darauf hin, dass Kürbiskerne in der Volksmedizin als wirksames Mittel bei Harnwegserkrankungen gelten und ihnen eine luststeigernde Wirkung nachgesagt werde.

Die Fa. Pfizer fand dies ganz und gar nicht lustig und sah hierin eine unlautere Annäherung in ihr als Potenzmittel „groß" gewordenes verschreibungspflichtiges Arzneimittel "VIAGRA", auch als „die blauen Pille" bzw. „the little blue pill" bezeichnet.

Der Konditor habe sein Produkt unter der Bezeichnung „Styriagra" ganz bewusst an das Arzneimittel "VIAGRA" angelehnt; er nutze und schädige die Wertschätzung und Unterscheidungskraft der bekannten Marke „VIAGRA" damit in nicht hinnehmbarer Weise.

Der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) gab Pfizer nunmehr Recht und verurteilte den Konditor zur Unterlassung (OGH, Urt. vom 22.09.2009 - Az. 17Ob15/09v).

Die Entscheidung:

Der OGH stellt zunächst fest, dass es sich bei der Bezeichnung „VIAGRA" um eine bekannte Marke im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. c GMV (Art. 5 Abs. 2 MarkenRL = § 10 MarkenG) handelt. Der Inhaber einer bekannten Marke kann Dritten verbieten, „ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, wenn die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt".

Mit der Verwendung des ähnlichen Zeichens „Styriagra"  versuche der Konditor, „sich durch die Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren, und ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen". Gleiches müsse für auch das Ausnutzen nicht der Wertschätzung, sondern der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke gelten: Verwende ein Dritter die bekannte Marke, um dadurch das Interesse des Publikums auf sein Produkt zu lenken, so profitiere er von der Bekanntheit dieser Marke, ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen; er hänge sich an die Bekanntheit der fremden Marke an, um den Absatz seiner eigenen Waren oder Dienstleistungen zu fördern.

Nach Ansicht des OGH bestand im zu beurteilenden Fall kein Zweifel daran, dass der Konditor die hohe Bekanntheit der Marke „VIAGRA" ausnutzte, um Interesse auf sein eigenes Produkt zu lenken, weswegen ihm die Nutzung zu untersagen war.

Bewertung:

Die Entscheidung überzeugt und wäre wohl auch durch den Bundesgerichtshof (BGH) nicht anderes beurteilt worden. Insbesondere lag vorliegend keine zulässige Markenparodie (mehr) vor.

Nach einer Entscheidung des BGH zum Verhältnis zwischen Markenschutz und Kunstfreiheit (I ZR 159/02 - Lila KuhÜber allen Wipfeln ist Ruh, irgendwo blökt eine Kuh. Muh! Rainer Maria Milka") kann die die Unlauterkeit i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 3d MarkenG (Art 5 Abs 2 MarkenRL) daran scheitern, dass eine künstlerische oder zum Zwecke der Meinunsäußerung vollzogene Markennutzung die bekannte Marke nicht herabgesetzt oder verunglimpft, der Verwender die Marke nicht ausschließlich zum Zweck benutze, ein sonst unverkäufliches eigenes Produkt auf den Markt zu bringen und eine gewisse satirische Auseinandersetzung mit der Marken oder der Werbemethode des Markeninhabers vorhanden ist.

Diese Abwägung muss in diesem Fall umso eher zu Gunsten des Verwenders ausfallen, je eindeutiger die Nutzung der Marke der Kunst oder Meinungsäußerung zugeordnet werden kann und je weniger kommerzielle Motive im Vordergrund stehen.

Im vorliegenden Fall verhält es sich anders. Die Bezeichnung „Styriagra" mag eine humorvolle Anspielung auf die bekannte Marke der Fa. Pfizer sein; ein Ausdruck künstlerischen Schaffens ist sie aber mit Sicherheit nicht. Wenn überhaupt, kann daher nur das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit berührt sein. Hier könnte die strittige Bezeichnung als ironische Auseinandersetzung mit der rein chemischen Wirkung des Produkts „VIAGRA" verstanden werden, der die ausschließlich natürliche Kraft aus steirischen Kürbiskernen gegenübergestellt wird. Zweifellos im Vordergrund steht jedoch der Versuch des Konditors, durch die Anlehnung an eine bekannte Marke Aufmerksamkeit für sein eigenes Produkt zu erregen. Dass die Anlehnung witzig ist, verstärkt zwar diese von der Rechtsordnung verpönte Wirkung, kann sie aber nicht rechtfertigen. Selbst wenn man daher die Wortschöpfung des Konditors (auch) als Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs über das Verhältnis zwischen natürlichen und künstlichen Mitteln zur Potenzsteigerung deuten wollte, überwiegt doch das Interesse der Fa. Pfizer am Schutz ihrer Marke.

Dr. Robert Kazemi

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