OLG Brandenburg: Fotografieren erlaubt – Keine Einschränkung der sog. Panoramafreiheit durch den Eigentümer einer Immobile
Die sog. Panoramafreiheit ist die Befugnis, urheberrechtlich geschützte Gegenstände (z. B. Kunstobjekte oder Gebäude), die von öffentlichen Verkehrswegen aus zu sehen sind, bildlich wiedergeben zu dürfen. Sie betrifft sowohl das bloße Anfertigen etwa einer Fotografie als auch ihre Veröffentlichung. In jüngster Zeit sind derartige Fotografien vor allem im Zusammenhang mit dem vom Suchmaschinenriesen „Google" ins Leben gerufenen sog. „Street View Programm" Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Auseinandersetzungen gewesen. Der Kern der Auseinandersetzungen lag hier jedoch vor allem in vermeintlichen Verstößen gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Hausbewohner oder das Datenschutzrecht (vgl. zuletzt Urteil des LG Köln, Az. 28 O 578/09 vom 13. Januar 2010). Die nunmehr vom Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg entscheidende Fälle hingegen betreffen Rechtsfragen des Urheberrechts (Urteile vom 18.2.2010 - 5 U 12/09, 5 U 3/09 und 5 U 14/09)
Der Fall:
Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg nahm einen Fotografen und zwei Fotoagenturen auf Unterlassung der gewerblichen Verbreitung von Ablichtungen der ihr von den Ländern Berlin und Brandenburg zu Eigentum und zu Verwaltungszwecken übertragenen Parkanlagen und Schlösser in Anspruch. Außerdem begehrte sie deswegen Schadensersatz.
Der Fotograf hatte eine DVD erstellt, die u. a. die Parkanlagen und Schlösser und weitere historische Gebäude in Potsdam zeigen. Die Fotoagenturen hatten in einem Bildportal für Print-Medien im Internet Bilder von den Parkanlagen und Außenansichten der Schlösser zum Download gegen Gebühren bereit gestellt.
Die Stiftung vertrat die Ansicht, aus ihrem Eigentum an den Kulturobjekten lasse sich ihr ausschließliches Recht an Fotos und deren gewerblichen Verwertung herleiten. Außerdem habe sie seit 2005 durch ihre Parkordnung ein unter Erlaubnisvorbehalt stehendes Verbot der Fertigung von Foto- und Filmaufnahmen zu gewerblichen Zwecken verhängt. Jeder Besucher, der an Tafeln mit entsprechenden Hinweisen vorbei die Parkanlagen betrete, sei an diese ausgehängten Bedingungen gebunden.
Während das Landgericht Potsdam der Stiftung noch Recht gegeben hatte, verneint das OLG Brandenburg sowohl Unterlassungs- als auch Schadenersatzansprüche.
Die Entscheidung:
In der Pressemitteilung des Gerichts (die Urteilsgründe liegen derzeit leider noch nicht vor) heißt es zur Begründung der Entscheidung:
„Das Oberlandesgericht hat zur Begründung ausgeführt, es gebe kein Vorrecht des Eigentümers, das Bild seines Eigentums zu verwerten. Vielmehr habe der Fotograf oder der Filmemacher das Recht, den wirtschaftlichen Nutzen aus seinen Fotos und Filmen zu ziehen. Anderenfalls wäre risikofreies Fotografieren und Filmen nur noch in den eigenen vier Wänden und auf hoher See möglich. Wer nicht wolle, dass sein Eigentum fotografiert werde, könne den Zugang dazu verbieten und Vorkehrungen dagegen treffen, dass es gesehen werde. Diese Möglichkeit habe allerdings nur ein Privateigentümer, nicht dagegen die Stiftung. Ihr sei das Eigentum an den Parkanlagen und Schlössern von den Ländern Berlin und Brandenburg deswegen übertragen worden, damit sie gepflegt, bewahrt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Das Oberlandesgericht hat außerdem entschieden, dass die Besucher der Parkanlagen auch nicht aufgrund der Parkordnung vertraglich verpflichtet seien, gewerbliche Aufnahmen zu unterlassen. Da keine Einlasskontrollen stattfinden und die Anlagen tagsüber ohne jede Einschränkung betreten werden können, müssten Besucher den Eindruck haben, der Zutritt sei unbeschränkt gestattet, solange sich der Parkbesucher ordentlich beträgt und die Anlagen nicht schädigt."
Bewertung:
Das durch das OLG gefundene Ergebnis überzeugt.
Maßgeblich dürfte sich das OLG auf die Vorschrift des § 59 UrhG gestützt haben. Hiernach ist es zulässig, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Grafik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.
Auch wenn § 59 UrhG die Aufnahmebefugnis auf solche Aufnahmen beschränkt, die von einem öffentlichen Weg, einer Straße oder einem Platz aus gemacht werden und die Bilder vorliegend aus dem Schlosspark gemacht wurden, ist die Entscheidung des Gerichtes nicht zu beanstanden. Denn, hier ist dem OLG ohne weiteres zuzustimmen, bei der Parkanlage handelt es sich zwar um eine solche, die im Besitz der klagenden Stiftung steht, deren Verwaltungs- und Besitzrecht ist jedoch darauf bezogen, die Bauwerke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine Aufnahme von einem öffentlichen Platz aus, liegt also vor. Ausschlaggebend ist allein der tatsächliche öffentliche Zugang, weswegen auch alle zugänglichen Privatwege und private Parks als öffentliche Wege angesehen werden.
Zum Hintergrund:
Spätestens seit der Entscheidung „Friesenhaus" (BGH, Urteil vom 9. März 1989, I ZR 54/87) ist klar, dass das ungenehmigte Fotografieren eines fremden (auch privaten) Hauses und die gewerbliche Verwertung einer solchen Fotografie, weder grundsätzlich weder eine Urheberrechts- noch eine Eigentums- oder Persönlichkeitsverletzung darstellt, wenn die Fotografie - ohne dass das Hausgrundstück betreten wird - von einer allgemein zugänglichen Stelle aus angefertigt wird.
§ 59 UrhG umfasst also alle Aufnahmen, die von einem für das Publikum allgemein zugänglichen Ort aus aufgenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 05.06.2003 - I ZR 192/00 - „Hundertwasser-Haus"). Der Aufnahmestandpunkt muss dabei allgemein und ohne Hilfsmittel zugänglich sein. Eine Leiter - auch wenn sie nicht dazu dienen sollte, über ein Hindernis hinwegzublicken - ist demnach genauso wenig zulässig wie ein Hubschrauber. Auch die Aufnahme von einem anderen Gebäude aus ist nicht zulässig, selbst wenn eine Genehmigung für das Betreten des Aufnahmestandpunktes vorliegt.
Ebenso unzulässig ist die Aufnahme solcher Werke, die nicht als „bleibend" angesehen werden können. Dies trifft insbesondere auf zeitweilige Kunstaktionen zu, die wie beispielsweise die Verhüllung des Reichstags, nicht unter die Panoramafreiheit fallen (BGH, Urteil vom 24. Januar 2002, I ZR 102/99 - „Verhüllter Reichstag"). Soweit ein solches Bauwerk jedoch als wegdenkbares Beiwerk auf einem Bild erscheint, kann seine Verwendung nach § 57 UrhG zulässig sein.
Nicht von § 59 UrhG gedeckt sind schließlich Nachbearbeitungen des Lichtbildes (§ 62 UrhG), die dem aufgenommenen Gebäude ein Aussehen geben, das es im Straßenbild nie hatte (LG Mannheim 14. Februar 1997, 7 S 4/96 - „Freiburger Holbein-Pferd").
Nach § 63 UrhG ist zudem grundsätzlich eine Quelle anzugeben. Diese kann entfallen, wenn die Quelle auf dem Werk oder der verwendeten Werkwiedergabe nicht angegeben wurde und demjenigen, der die Wiedergabe angefertigt hat, nicht anderweitig bekannt ist.
Die Rechtslage in anderen europäischen Ländern kann dabei zum Teil erheblich variieren.
So ist beispielsweise in Österreich weder eine Beschränkung auf Aufnahmen von einem öffentlichen Ort, noch auf die Außenansicht vorhanden (OGH 4 Ob106/89).
In Belgien und Frankreich hingegen gilt der Grundsatz der Panoramafreiheit nicht (ähnlich in Dänemark, wo die Panoramafreiheit ausdrücklich auf Gebäude beschränkt wird, Kunstwerke hingegen dürfen nicht frei wiedergegeben werden, wenn sie das Hauptmotiv darstellen und die Vervielfältigung zu kommerziellen Zwecken erfolgt).
Bilder, die nur für persönliche Zwecke gemacht werden, sind jedoch nahezu überall erlaubt, solange sie nicht veröffentlicht werden sollen.
Dr. Robert Kazemi