OLG Brandenburg: Missbräuchliche Massenabmahnung
Immer dann, wenn im Rahmen von Wettbewerbsprozessen eine Vielzahl von Abmahnungen ausgesprochen werden, wird der Ruf danach laut, den Abmahnenden Einhalt zu gebieten. Ein immer wieder gern bemühter Einwand ist der des „Rechtsmissbrauchs" im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Nur selten hat dieser Einwand in der Praxis hingegen Erfolg. Das OLG Brandenburg hat mit Urteil vom 22.09.2009 (6 W 93/09) auf Rechtsmissbräuchlichkeit erkannt.
Das Gericht sah die Rechtsmissbräuchlichkeit darin begründet, dass die Verfügungsklägerin in kurzer Zeit insgesamt 130 Rechtsstreitigkeiten als Aktivpartei geführt hat und diese Prozessaktivität in keinem Verhältnis zu dem Umfang ihres eigentlichen Geschäfts stand. Deshalb aber spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es der Verfügungsklägerin mit der Verfolgung von Unterlassungsansprüchen nach dem UWG nicht um die Verfolgung sie wirklich in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigenden unlauteren Verhaltens geht, sondern um die Generierung von Ansprüchen auf Ersatz von Abmahnkosten und Anwaltsgebühren.
Bewertung:
Das vorliegende Urteil reiht sich in eine ganze Reihe aktueller Entscheidungen der Land- und Oberlandesgerichte, die in jüngster Zeit vermehrt die Rechtsmissbräuchlichkeit wettbewerbsrechtlich motivierter Unterlassungsbegehren feststellen, ein. Die Ansicht des OLG Brandenburg erscheint dabei jedoch kaum vertretbar und zu pauschal. Ob sie sich pauschalisieren lässt, ist daher mehr als fraglich.
Auch wenn es sich im vorliegenden Fall aufdringen mag, dass kein „vernünftiger Geschäftsmann" ein derartig hohes Kostenrisiko für die Abmahnung vermeintlich geringfügiger Wettbewerbsverstöße auf sich nehmen wird, so kann das kurz bis mittelfristige Eingehen derartig hoher Prozesskosten Risiken, die grundsätzlich nicht in einem vernünftigen Verhältnis zum Umsatz des Unternehmens stehen, dennoch im Einzelfall zulässig und nicht rechtsmissbräuchlich sein. Hier ist insbesondere daran zu denken, dass sich einzelne Unternehmen, wie derzeit im Bereich der gewerblichen Spielvermittlung zu verzeichnen, mit Vehemenz gegen die ihnen durch den Glückspielstaatsvertrag (GlüStV) auferlegten Berufsbeschränkungen sowie das staatliche Glücksspielmonopol wenden. Die Spielvermittler sind einerseits durch die Einführung der Erlaubnispflicht für ihre Tätigkeit daran gehindert, durch ihre originäre Geschäftstätigkeit Umsätze zu erzielen, andererseits sind sie jedoch auch darauf angewiesen, über Abmahnungen der Geschäftstätigkeit der staatlichen Monopolbetriebe auf die Inkohärenz der staatlichen Glücksspielpolitik hinzuweisen. In einem solchen Fall mag sich die vermehrte Abmahntätigkeit zwar kurz- bis mittelfristig auf den Unternehmensumsatz der gewerblichen Spielvermittler auswirken, die Abmahntätigkeit ist gleichwohl kaufmännisch wie unternehmenspolitisch sinnvoll. Denn nur über die konsequente Verfolgung staatlicher Verstöße gegen die im Glücksspielstaatsvertrag normierten Werbebeschränkungen und deren gerichtliche Feststellung, wird es möglich sein, die für die Annahme der Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit des eingerichteten staatlichen Monopols notwendige Inkohärenz zu belegen. In derartigen Konstellationen scheint es zumindest fraglich, mit der Argumentation des OLG im hier besprochenen Fall, die Rechtsmissbräuchlichkeit auch derartiger Abmahnungen anzunehmen.
Dr. Robert Kazemi