12
Jul 2010

OLG Hamburg: Titelschutz der Bezeichnung „Stimmt’s?“

Der Werktitel ist nach der Legaldefinition des MarkenG ein Unterfall der geschäftlichen Bezeichnung. Nach der Legaldefinition des § 5 Abs. 3 MarkenG sind Werktitel  die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken. Anders als die Marke sucht der Werktitel nicht danach auf die betriebliche Herkunft der Ware, in der das Werk gegebenenfalls verkörpert ist, oder die Dienstleistung, durch die das Werk produziert wird, hinzuweisen. Nach § 15 MarkenG kann sich der Inhaber eines Werktitels gegen die unberechtigte Verwendung desselben mit Unterlassungsansprüchen zur Wehr setzen.

Damit eine Kennzeichenfolge Titelschutz genießen kann, ist - wie auch bei Marken - eine sog. individualisierende Unterscheidungskraft Schutzvoraussetzung. Diese Unterscheidungskraft kann sich von Hause aus ergeben, d.h. der Kennzeichenfolge kommt schon aus ihrer eigenartigen Zusammenstellung individuelle Kennzeichenkraft zu, oder aber durch eine erreichte Verkehrsgeltung. Dabei werden jedoch nur geringe Anforderungen gestellt, weil sich der Verkehr an mehr oder weniger farblose und beschreibende Bezeichnungen gewöhnt hat, so dass im Ergebnis wohl nur glatt beschreibende Titel für ein schutzfähiges Werk vom Titelschutz ausgeschlossen sind, bis sie sich ggf. im Verkehr durchsetzen

In dem vom Oberlandesgericht (OLG) Hamburg zu entscheidenden Fall geht es um den Werktitel „Stimmt´s? (OLG Hamburg, Urteil vom 12.05.2010, 3 U 58/08).

Der Fall:

Die Klägerin, ein Presseunternehmen und Verlegerin u.a. der Wochenzeitung „Die Zeit", nimmt die Beklagte, welche das kommerzielle Internetportal „w." betreibt aus Titelschutzrecht auf Unterlassung in Anspruch.  Unter der Überschrift „Stimmt's?" werden in der Wochenzeitung „Die Zeit" regelmäßig Fragen der Leser beantwortet, die Gegenstände des Allgemeinwissens, der Wissenschaft oder sonstiger Bereiche betreffen. Der Internet-Auftritt dieser Zeitung www.zeit.de enthält ebenfalls einen solchermaßen benannten Bereich. Unter dieser Bezeichnung sind in dem in Berlin und Brandenburg empfangbaren Radioprogramm „r." Beiträge gesendet sowie Bücher und Hör-CDs veröffentlicht worden. Die Beklagte hat am 29.3.2007 im Internet (http://magazine.w./de/themen/wissen/stimmts/index/htm) ebenfalls unter der Überschrift „Stimmt's?" Leserfragen beantwortet.

Die Entscheidung:

Nach Ansicht des OLG ist die Bezeichnung „Stimmt's?" als Titel im Sinne des § 5 Abs. 3 MarkenG schutzfähig.

Die Rubrikbezeichnung „Stimmt's?" ist zunächst geeigneter Gegenstand eines Werktitels im Sinne des § 5 Abs. 3 MarkenG. Druckschriften im Sinne des § 5 Abs. 3 MarkenG sind sämtliche Printmedien, also etwa Bücher, Zeitungen, Zeitschriften. Dass nicht nur der Titel einer gesamten Zeitung oder Zeitschrift als Gegenstand eines Werktitelrechts, sondern auch Titel regelmäßiger Zeitungs- oder Zeitschriftenbeilagen in Betracht kommen, sofern sie durch ihre äußere Ausgestaltung eine gewisse Selbständigkeit dem Hauptblatt gegenüber hätten, hat bereits das Reichsgericht in der „Kunstseiden-Kurier"-Entscheidung befunden (RGZ 133, 189).

Auch der BGH (GRUR 1990, 218 - Verschenktexte; GRUR 2000, 70, 72 - SZENE) hat sich dieser Sichtweise angeschlossen und ausgeführt, dass werktitelmäßige Verwendung immer dann gegeben sei, wenn es sich um eine Kennzeichnung in einer Weise handele, in der der angesprochene Verkehr die Bezeichnung eines Druckwerks zur Unterscheidung von anderen Werken sehe. Dies sei allerdings bei der Bezeichnung eines Teil der Zeitung oder Zeitschrift nur der Fall, wenn dieser Teil eine besondere, nach ihrer sonstigen äußeren Aufmachung und ihrem Gegenstand und Inhalt in gewissem Umfang selbständig gestaltete Abteilung darstelle.

In der Entscheidung „Eifel-Zeitung" hat der BGH jüngst ausgesprochen, dass auch der Titel einer Rubrik oder ein Untertitel als Werktitel im Sinne des § 5 Abs. 3 MarkenG in Betracht kämen. Zuvor hatte bereits das OLG München im Falle mit „Dr. Sommer" bezeichneten, in der Jugendzeitschrift „Bravo" erscheinenden Rubrik entschieden, dass für die Annahme eines Werktitels genüge, dass der Verkehr die Bezeichnung einer Rubrik als bestimmt und geeignet ansehe, diese von anderen Rubriken zu unterscheiden.

Der Titel der Klägerin ist nach § 5 Abs. 3 MarkenG als hinreichend unterscheidungskräftig schutzfähig.  Unterscheidungskraft im Rahmen des Werktitelschutzes bezeichnet die Eignung eines Titels, ein Werk von einem anderen zu unterscheiden. Anders als nach dem markenrechtlichen Verständnis der Unterscheidungskraft - Eignung als Herkunftshinweis - bezeichnet im Bereich des Titelschutzes die Unterscheidungskraft mithin die Funktion des Titels als Individualisierungsmittel. Sie fehlt, wenn der Titel nach Wortwahl, Gestaltung und vom Verkehr zugemessener Bedeutung sich allein in einer werkbezogenen Inhaltsbeschreibung erschöpft. Im Ausgangspunkt werden im Bereich der Zeitungen/Zeitschriften, Sachbücher oder Rundfunkprogramme geringere Anforderungen an den Grad der Originalität gestellt als bei Unternehmenskennzeichen oder Marken. Grund hierfür ist das praktische Bedürfnis des Verkehrs, durch den Titel über den Inhalt informiert zu werden. Zu fragen ist stets, ob es für den Verkehr darauf ankommt, durch den Titel eine schlagwortartige Information über den Inhalt des Werks zu erhalten und ob er sich darüber im Klaren ist, dass er deshalb auf etwaige Unterschiede stärker achten muss.

Nach diesen Grundsätzen ist der Titel „Stimmt's?" als hinreichend unterscheidungskräftig einzustufen. Zwar hat dieser Titel durchaus beschreibenden Gehalt, weil aus ihm der inhaltsbezogene Hinweis hervorgeht, dass nachfolgend die Verifizierung bestimmter Informationen vorgenommen werde. Jedoch wohnt der Abfassung in umgangssprachlicher Frageform einschließlich des enthaltenen Fragezeichens ein hier ausreichendes Mindestmaß an Originalität inne.

Zwischen den hier gegenüberzustellenden Bezeichnungen besteht Verwechslungsgefahr gem. § 15 Abs. 2 MarkenG, denn dem Titel der Klägerin ist aufgrund der intensiven Benutzung des Titels in Print- und Onlinemedien eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zuzubilligen.

Die sich gegenüberstehenden Werke sind ihrer Kategorie nach als ähnlich einzustufen. Das Merkmal der Ähnlichkeit der Werkkategorie entspricht der Branchennähe bei Unternehmenskennzeichen bzw. der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit bei Marken.  Die Werke als solche, also die jeweiligen Rubriken selbst, befassen sich mit der Beantwortung von Fragen des alltäglichen Wissens verschiedener thematischer Bereiche und sind daher als Informationsangebote sehr ähnlich. Sie unterscheiden sich allerdings hinsichtlich ihres jeweiligen medialen Umfelds. Das Angebot einer gedruckten Zeitung nach Art der Wochenzeitung „Die Zeit" und ein umfassendes Internetportal nach Art des „w." sind angesichts ihrer unterschiedlichen inhaltlichen Profile wenig ähnliche Angebote; angesichts gewisser thematischer Überschneidungen im Informationsbereich kann aber gleichwohl nicht von Unähnlichkeit gesprochen werden, auch wenn eher unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden dürften.

Die Rubrik „Stimmt's?" der Klägerin erscheint in ihrer wöchentlichen Qualitätszeitung, die zu politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Themen berichtet, Anzeigen enthält und ein gehobenes Publikum anspricht. Der Internetauftritt dieser Zeitung entspricht als „Internet-Z." dem Profil der gedruckten Zeitung und enthält ferner Links zu werblichen Angeboten (Anlagen K 4, B 2 bis B 4; z.B. „Zeit-Shop", „Jobs", „Partnersuche", „Ferienwohnungen").

Die vorliegend verwendeten Titel sind nach Schriftbild, Klang und inhaltlicher Bedeutung identisch.  Die Gesamtbetrachtung der für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Umstände - gesteigerte Kennzeichnungskraft, Ähnlichkeit der Werkkategorien, Titelidentiät - führt - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - zu dem Ergebnis, dass eine Verwechslungsgefahr vorliegend besteht.

Bewertung / Hintergründe:

Grundsätzlich entsteht das Titelrecht aus § 5 Abs. 3 MarkenG (auch bei bestehender Kennzeichnungskraft) erst mit der tatsächlichen Aufnahme und Benutzung des Werktitels. Die Benutzungsaufnahme erfolgt bei Druckschriften regelmäßig mit dem tatsächlichen Erscheinen des Werks unter dem in Rede stehenden Werktitel. Diese verhältnismäßig strengen Anforderungen an die titelschutzbegründende Benutzungsaufnahme sowie die regelmäßig erheblichen Kosten, die mit einer Titeländerung verbunden sein können, haben im Verkehr das Bedürfnis nach einer zeitlichen Vorverlagerung des Titelschutzes entstehen lassen.

Diesem Bedürfnis trägt die Rechtsprechung durch die Anerkennung des Instituts der sog. Titelschutzanzeige Rechnung. Auf der Grundlage der st. Rspr. des BGH kann ausnahmsweise eine Vorverlagerung des Titelschutzes in Betracht kommen, wenn das Werk in branchenüblicher Weise öffentlich angekündigt wird und in angemessener Frist nach der öffentlichen Ankündigung unter dem angekündigten Titel erscheint.  Ist dies der Fall, ist allgemein anerkannt, dass für die Entstehung des Titelschutzes die öffentliche Ankündigung des Werks unter seinem Titel der tatsächlichen Benutzungsaufnahme durch das Erscheinen des Werks gleichzustellen ist. Die Titelschutzanzeige stellt dabei aber selbst noch keine rechtsbegründende Benutzungshandlung dar und ersetzt diese auch nicht. Sie bringt daher kein Titelrecht zur Entstehung, sondern sichert nur den Zeitrang des künftig durch Benutzungsaufnahme entstehenden Rechts.

Die Titelschutzanzeige muss „formalisiert" und „branchenüblich" erfolgen. Hierzu wird allgemein auf den sog. Titelschutzanzeiger  zurückgegriffen, der einmal wöchentlich - immer dienstags - erscheint und als Deutschlands führendes Spezialmedium für Titelschutz bezeichnet werden kann. Neben der Veröffentlichung der Titelschutzanzeige bietet sich auf dieser (privaten, nicht öffentlich-rechtlichen) Plattform auch die Möglichkeit in den bisher erfolgten Titelschutzanzeigen online nach etwaigen Kollisionstiteln zu recherchieren. Ein weiteres anerkanntes Veröffentlichungsmedium ist das Börsenblatt des deutschen Buchhandels.

Die bloße Ankündigung eines „Werktitels" auf einem Internetportal (unter dem Domainnamen des Werktitels) ist hingegen nicht branchenüblich.

Voraussetzung der gerichtlichen Anerkennung einer Titelschutzanzeige ist schließlich, dass das in der Anzeige genannte Werk auch innerhalb einer angemessen kurzen Frist auf den Markt gebracht wird. Als Faustformel hat sich dabei ein Zeitraum von 6 bis 12 Monaten ergeben, der jedoch durch Umstände des Einzelfalles verkürzt oder erweitert sein kann.

Dr. Robert Kazemi

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