20
Feb 2011

OLG Hamburg: Verwendung der Internetdomain „nagelpilz-weg.de“

Mit Beschluss vom 7. September 2010 (Az. 3 W 65/10) hat sich das OLG Hamburg mit der Irreführungseignung der Internetdomain „nagelpilz-weg.de" beschäftigt. Die Inhaberin der vorgenannten Domain hatte zuvor mit für das apothekenpflichtige Arzneimittel Ciclopoli 8% Nagellack mit dem Wirkstoff Ciclopirox mit der Angabe „Nagelpilz weg"  in einer Internetanzeige in drucktechnisch hervorgehobener, nach Art einer Überschrift gestalteter Weise geworben. Diese schlagwortartige pauschale Werbung war der Werbenden durch das LG Hamburg wegen der hierin enthaltenen Irreführungsgefahr untersagt worden.

Die Inhaberin hat die Schlagwortwerbung daraufhin eingestellt, die nunmehr streitgegenständliche Internetdomain www.nagelpilz-weg.de ist jedoch nach wie vor im Einsatz. Die Klägerin sah hierin einen Verstoß gegen das vor dem Landgericht Hamburg erwirkte Unterlassungsgebot und beantragte daraufhin gegen die Domaininhaberin Ordnungsgelder zu verhängen.

Das OLG Hamburg entschied nun, dass allein die Verwendung der Domain „nagelpilz-weg.de" allein, eine Irreführungsgefahr nicht zu begründen vermag und wies die Ordnungsgeldanträge daraufhin zurück.

„Die Einkleidung der Angabe „Nagelpilz weg" in die Domain „www.n...-w...de" verändert die Angabe deutlich. Zum einen wird die Angabe „Nagelpilz weg" nicht mehr isoliert, sondern im Rahmen einer Gesamtbezeichnung verwendet. Zum anderen werden Domainadressen -jedenfalls auch- als „Fundstellen" für weitere im Internet abrufbare Informationen angesehen, was zu einem abweichenden Verständnis des angesprochenen Verkehrs führen kann. Darüber hinaus fehlt es insoweit auch an einer blickfangmäßig hervorgehobenen Verwendung der Angabe."

So die Begründung der Hamburger Richter.

Bewertung:

Die Entscheidung ist interessant, beinhaltet sich doch maßgebliche Aussagen zur Reichweite gerichtlicher Unterlassungsgebote. Soweit der Sachverhalt bekannt ist, erscheint die Entscheidung auch folgerichtig, denn allein eine Domain kann für sich genommen eine Irreführungsgefahr nur selten begründen. So geht die Rechtsprechung davon aus, dass schlagwortartige Werbeaussagen im Internet nicht in jedem Fall zur Irreführung geeignet sind. Zwar könne auch „ein beengter Raum" keinen Freibrief für eine irreführende Werbung geben. Doch müsse sich die durch eine irrefürende Aussage (hier: nagelpilz-weg) hervorgerufene Fehlvorstellung auch tatsächlich auf die Verbrauchervorstellung auswirken. Könne der Werbeadressat den Inhalt der Werbeaussage jedoch unmittelbar über einen hinterlegten Link sofort verifizieren und etwaige Einschränkungen zur Kenntnis nehmen, also nachträglich aufgeklärt werden, könne die durch die schlagwortartige Internetwerbung hervorgerufene Gefahr einer Irreführung wieder beseitigt werden.  Der Fall könne dann nicht anders behandelt werden als der Fall einer Blickfangwerbung. Ist die Werbung daher keine dreiste Lüge, sondern vielmehr ein Fall, in dem in der schlagwortartigen Aufmerksamkeitswerbung nur die halbe Wahrheit mitgeteilt wird, könne eine Irreführung dadurch beseitigt werden, dass der Betrachter durch einen deutlichen Sternchenhinweis zu dem aufklärenden Hinweis geführt wird. Im Internet wird der Verbraucher zu dem aufklärenden Hinweis zwar nicht per Sternchenhinweis geführt, aber mit einem Link, den er benutzen muss, um näheres über das Angebot zu erfahren, den er somit zwangsläufig benutzen muss. Es bleibt somit grundsätzlich nur die Anlockwirkung, dass ein Teil der Verbraucher die Startseite des Werbenden aufsucht, der es sonst nicht getan hätte. Diese Wirkung ist aber nicht damit zu vergleichen, dass ein Interessent durch eine unrichtige Werbeaussage in das Geschäft des Werbenden gelockt wird. So sekundenschnell, wie der Internetnutzer zu der Startseite gelangt ist, verlässt er sie auch wieder, wenn er erkennt, dass die Aussage an sich nicht immer zutreffend ist. In der Tatsache, dass er die Seite überhaupt angesehen hat, ist in der flüchtigen Welt des Internets kein nur annähernd vergleichbarer Wettbewerbsvorteil zu sehen wie beim Locken in ein Geschäft. Es ist in diesem Fall unwahrscheinlich, dass der Kaufinteressent nur deshalb dort bestellt, weil er sich nun einmal auf der Seite befindet oder sich auf den Erwerb anderer Waren einlässt. Die geringere Beeinflussung des Wettbewerbs ist hier jedenfalls im Rahmen einer Interessenabwägung in der Weise zu berücksichtigen, dass eine in der Anlockwirkung liegende mögliche Beeinträchtigung der Mitbewerber außer Betracht zu bleiben hat.

Erst wenn auch der hinter der Schlagwortwerbung stehende Inhalt die Irreführungsgefahr daher nicht beseitigen kann, kann daher die alleinige Domainverwendung eines solche begründen.

Berufsordnung kann Domainnutzung entgegenstehen

§ 27 der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä), der in allen Landesberufsordnungen nahezu wortgleich übernommen wurde, regelt das Verbot der sogenannten berufswidrigen Werbung. Zweck dieser Regelung ist die Gewährleistung des Patientenschutzes durch sachgerechte und angemessene Information und die Vermeidung einer dem Selbstverständnis des Arztes zuwiderlaufenden Kommerzialisierung des Arztberufs. Unter berufswidriger Werbung (§ 27 Abs. 3 MBO-Ä) versteht man insbesondere anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Diese Werbeformen sind der gewerblichen Wirtschaft vorbehalten und stehen dem Arzt bereits deshalb nicht offen, weil dieser - entgegen den Gepflogenheiten in der Wirtschaft - sein Handeln allein am Wohl seiner Patienten und nicht etwa an ökonomischen Erfolgskriterien auszurichten hat (Vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.1985 - 1 BvR 934/82)

Vorgenanntes ist bereits im Rahmen der Registrierung einer Internetdomain durch den Arzt zu berücksichtigen. Denn bereits die Gestaltung und Verwendung eines Domain-Namens im Zusammenhang mit dem beruflichen Internet-Auftritt ist als Werbung anzusehen; Sie zielt - in vergleichbarer Weise wie ein Briefkopf - darauf ab, den Verkehr für die Inanspruchnahme der angebotenen ärztlichen Leistungen zu gewinnen (Vgl. BGH, Urt. v. 19. April 2001 - I ZR 46/99 = GRUR 2002, 81 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 04.04.2006 - 90 H 1.04).  Was als schlagkräftiger Domainname besonders hohe Zugriffszahlen verspricht, kann daher berufsrechtlich bereits unzulässig sein.

In der Rechtsprechung finden sich zu der Problematik der berufsrechtswidrigen Domainrgistrierung nur einige wenige Fälle. Diese geben jedoch hinreichend Aufschluss darüber, wo die Grenzen der Wahlfreiheit in Bezug auf Domainnamen zu ziehen sind:

In einem vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg verhandelten Fall, hatte sich ein Arzt beispielsweise die Internetdomain „krebswunderheilung.de" für die Präsentation seiner Arztpraxis im WordWideWeb registrieren lassen und war daraufhin - wen wundert es - prompt in das Blickfeld der zuständigen Ärztekammer geraten. Der erkennende Senat des OVG sah hierin eine berufswidrige Werbung im Sinne der vorgenannten Regelung. Das Gericht führt aus: „Wirbt ein Arzt für seine Praxis mit einem Begriff wie „Wunderheilung" und setzt seine Tätigkeit dadurch in Beziehung zu dem übernatürlichen, rational nicht fassbaren Wirken eines Gottes, könne kein Zweifel daran bestehen, dass es sich hierbei um ein besonders aufdringliches und sensationelles Herausstellen der eigenen Leistung handelt, das mit einer interessengerechten und sachangemessenen Information der Patienten über die in einer ärztlichen Praxis angebotenen Behandlungsmethoden nichts mehr zu tun habe." Die Verwendung des Domain-Namens „krebswunderheilung.de" hatte in diesem Zusammenhang also nach Ansicht des Gerichts ausschließlich den Zweck, krebskranke Personen unter Ausnutzung ihrer häufig aussichtslosen Situation auf die Homepage des Arztes zu locken und als Patienten zu gewinnen (Ausrichtung an ökonomischen Kriterien).

Auf ähnliche Bedenken stieß die Registrierung der Internetdomain „villavitalis.de" für eine gynäkologische Arztpraxis. Obwohl die Internetdomain nach wie vor im Einsatz befindlich ist, hatten die Richter des Landgerichts München I erhebliche Bedenken gegen diese Namensgebung. Sie wecke - so die Richter - Assoziationen an eine Art "Jungbrunnen" in luxuriösem Ambiente und sei daher eher einem Wellnesshotel, als einer Arztpraxis zuzuordnen (LG München I, Urt. v. 22.11.2002 - 1 HK O 9683/02).

Betrachtet man die vorgenannten Entscheidungen ist dem Arzt auch davon abzuraten, einen Superlativ in seinen Domain-Namen mit aufzunehmen. Adressierungen wie „bester-internist.de", „spitzenpraxis.de", „idealer-behandlungserfolg.de", „bestmöglicheheilung.de" usw. dürften im Lichte der zitierten Rechtsprechung unzulässig sein.

Dr. Robert Kazemi

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