02
Mai 2010

OLG Hamburg: Zu den Anforderungen einer Unterlassungshaftung eines Blogbetreibers bei vermeintlichen Persönlichkeitsverletzungen – hier Google Blogspot

Mit seinen Entscheidungen „Internetversteigerung I - III" (BGH, Urteil vom 11.03.2004, Az. I ZR 304/01 - Internetversteigerung I; BGH, Urteil vom 19. 4. 2007, I ZR 35/ 04 - Internetversteigerung II; BGH, Urteil vom 30.04.2008, I ZR 73/05 - Internetversteigerung III, „jugendgefährdende Medien bei eBay" (BGH, Urteil vom 12.07.2007, I ZR 18/04) und aktuell „Lehrerbewertungen im Internet" (BGH, Urteil vom 3.06.2009, VI ZR 196/08) hat der Bundesgerichtshof (BGH) in den Vergangenen Jahren zahlreiche Urteile zur sog. Störerhaftung gefällt und die Grenzen dieser besonderen Haftungsform immer weiter konkretisiert. Dass mit dieser Konkretisierung noch lange nicht das „Ende" eingeläutet ist, zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg vom 02.03.2010 (Az. 7 U 70/09), welches sich mit der Haftung eines Hosting-Dienstes für sog. Internet-Blogs beschäftigt. Im konkreten Fall ging es um ein Angebot des Branchen-Primus „Google", genauer seinen Dienst Blogspot.

Der Fall:

Die Kläger nehmen die Beklagten wegen der Verbreitung von verschiedenen Äußerungen in Anspruch, die sich auf der Weblog-Seite (Blog) unter der Internetadresse www.m.blogspot.com befinden bzw. als Text des Suchergebnisses auf der Suchergebnisseite der von Google betriebenen Internet-Suchmaschine erscheinen. Die genannte Weblog-Seite wird von einem Dritten betrieben. Google stellt als Hostprovider für diese Seite mit dem unter www.blogspot.com abrufbaren Hosting-Dienst die technische Infrastruktur zur Gestaltung der Website zur Verfügung. Ferner hat sie dem Nutzer einen Speicherplatz auf ihrem Server unter der Internetadresse www.blogspot.com zugewiesen.

Der Kläger zu 1) ist im Immobiliengeschäft tätig. Er war Geschäftsführer der CB GmbH, die nach Abweisung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse gem. § 60 Abs.1 Ziffer 5 GmbHG im Jahr 2003 aufgelöst worden ist. Gegen den Kläger persönlich wurde im Jahr 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger zu 1) war ferner Geschäftsführer der spanischen Gesellschaft CB S.L. mit Sitz in Palma de Mallorca, die im Oktober des Jahres 2002 Vermögensgegenstände auf eine ebenfalls in Spanien ansässige Gesellschaft CM S.L. übertragen hat (Anl. K 16). Der Kläger ist nunmehr Geschäftsführer einer spanischen Gesellschaft C S.L., die gleichfalls im Immobiliengeschäft tätig ist.

Die Klägerin zu 2) ist ein in Deutschland ansässiges kaufmännisches Unternehmen, dessen Inhaberin die Ehefrau des Klägers zu 1) ist. Ausweislich eines Arbeitsvertrages vom 22.2.2004 ist der Kläger zu 1) bei der Klägerin zu 2) als Sachbearbeiter angestellt.

Die Kläger nehmen Google unter anderem wegen nachfolgenden Äußerungen im vorgenannten Blog auf Unterlassung in Anspruch:

"Hat Pleitier AF ein Intelligenzproblem? AF scheint ein Intelligenzproblem zu haben:"

„AF - Bankrotteur und Betrüger - wieder aktiv"

„F nützte diese [Firmen] Visa-Karte im Wesentlichen zur Begleichung von Sex-Club-Rechnungen...."

Die Entscheidung:

Das angerufene OLG Hamburg sah einen Unterlassungsanspruch der Kläger gegenüber Google nur in einem eng begrenzten Anwendungsbereich als gegeben an.

Bei den Passagen die AF ein Intelligenzproblem sowie betrügerische Machenschaften unterstellen könnte eine Haftung Googles als Hostprovider der fraglichen Internetseite allein unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung in Betracht kommen, da sie zu der technischen Verbreitung der beanstandeten Inhalte adäquat kausal beiträgt.

Da jedoch die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst wissentlich die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des technischen Verbreiters die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Derartige Prüfungspflichten können - so der Senat - dann zur Entstehung gelangen, wenn der technische Verbreiter konkreten Anlass hat, eine künftige Verletzungshandlung zu erwarten oder wenn er konkret auf rechtswidrige Inhalte auf der von ihm verbreiteten Seite hingewiesen worden ist.

Wie sich aus § 10 S.1 Nr. 2 TMG ergebe, könne ein Unterlassungsanspruch gegen den Hoster aber nur dann bestehen, wenn dieser trotz Kenntnis der rechtswidrigen Inhalte keine oder nur unzureichende Bemühungen zur Entfernung dieser Inhalte aus dem Netz unternimmt. So ist insbesondere von ihm zu erwarten, dass er den Betreiber der genannten Internetseite zu einer Löschung veranlasst oder zumindest - nach einer entsprechenden Gestaltung des Vertrags zu diesem - alles ihm Mögliche unternimmt, um die Entfernung der Äußerung aus dem Netz zu bewirken.

Da das Hosting von Internetseiten dem freien Austausch von Informationen dient und damit den Schutz des Art. 5 Abs.1 GG genießt, könne jedoch von dem Host-Provider nicht erwartet werden, dass er auf jede schlichte Beanstandung hin unverzüglich einschreitet. Der freie Fluss von Informationen würde nämlich erheblich eingeschränkt, wenn der technische Verbreiter verpflichtet würde, jede kritische Äußerung auf einfachen Hinweis des Kritisierten hin zu unterbinden, wenn er nicht Gefahr laufen möchte, auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden.

Da der Host-Provider mit dem Sachverhalt, den die Äußerungen betreffen, vielmehr regelmäßig nicht vertraut sei, sei daher Voraussetzung für eine Prüfungsverpflichtung, dass die Abmahnung des Betroffenen hinreichend substantiiert ist, um dem in Anspruch Genommenen zu ermöglichen, in die Prüfung der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Äußerungen einzutreten. Erforderlich ist weiter, dass in der Abmahnung die konkreten Sätze, Worte oder Wortkombinationen, deren Entfernung der Betroffene begehrt, benannt werden.

Diesen Anforderungen wurden die Kläger nicht gerecht.

Die besondere Situation des technischen Verbreiters gebietet es, dass als Voraussetzung seiner Haftung bei der Verbreitung von die Ehre beeinträchtigenden Äußerungen erhöhte Anforderungen an die Informationspflicht des Betroffenen zu stellen sind, sofern die Veröffentlichungen Vorgänge betreffen, die in den Bereich von dessen Sphäre fallen. Im Unterschied zu demjenigen, der als Handlungsstörer willentlich Mitteilungen in die Öffentlichkeit bringt, indem er sie selbst formuliert oder indem er wissentlich fremde Inhalte weitergibt, steht der rein technische Verbreiter außerhalb der Sphäre des Sachverhaltes, der Gegenstand der Äußerung ist. Sein Beitrag beruht auf keinem konkret auf den Inhalt bezogenen menschlichen Willensakt. Daher ist es sachgerecht, jedenfalls bezüglich solcher Inhalte, die im Kenntnisbereich des Betroffenen stehen, von diesem auch bei ehrverletzenden Äußerungen zu verlangen, dass er den Hostprovider so umfassend wie möglich mit tatsächlichen Informationen versieht, die diesen in die Lage zu versetzen, den Wahrheitsgehalt der beanstandeten Äußerung zu überprüfen. Die schlichte Behauptung des Betroffenen, dass die veröffentlichten Äußerungen nicht der Wahrheit entsprechen, kann jedenfalls dann nicht genügen, wenn es sich um Behauptungen handelt, die einen Bezug zu konkreten Vorgängen haben. Besteht ein solcher Bezug, ist von dem Betroffenen zu verlangen, dass er substantiiert dem technischen Verbreiter mitteilt, wie aus seiner Sicht die Dinge liegen, um dessen Prüfungspflicht auszulösen.

Der Inanspruchgenommene müsse daher beurteilen können, ob es sich bei den beanstandeten Äußerungen um unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. um auf unwahren Tatsachen beruhende Schmähungen handelte, um eine Unterlassungspflicht bzw. eine Verpflichtung zum Einschreiten zu begründen.

Bezüglich der von den Klägern beanstandeten Äußerungen sei sodann auf der Grundlage des Vorstehenden jeweils eine Abwägung zwischen dem geschützten Persönlichkeitsrecht und dem gleichfalls grundrechtlich geschützten Recht auf freie Meinungsäußerung vorzunehmen. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei den geschilderten Vorgängen weitgehend um solche aus der Sozialsphäre des Klägers handelt, an deren Offenlegung ein Interesse der Öffentlichkeit bestehe, was eine kritische Berichterstattung über sein Geschäftsgebaren rechtfertigen könne. Vor diesem Hintergrund erscheinen - so das OLG - die Äußerungen jedoch zum größten Teil als auf wahren Tatsachen beruhenden Meinungsäußerungen, die die Grenze der Schmähkritik nicht überscheiten. Lediglich hinsichtlich der Kreditkartenzahlung sieht das Gericht einen Unterlassungsanspruch als begründet an, denn insoweit beruhe diese Aussage auf einer reinen Behauptung, die sich nicht belegen lasse, sondern „aus der Luft gegriffen sei".

Bewertung:

Die vorstehende Entscheidung des OLG Hamburg reiht sich in die inzwischen als gefestigt zu bezeichnende Rechtsprechung des BGH ein, wonach eine Störerhaftung nicht über das Tatbestandsmerkmal der adäquat-kausalen Mitverursachung einschränkungslos auf Dritte angewendet werden darf, die eine vermeintlich rechtswidrige Beeinträchtigung eines geschützten Rechtsgutes nicht selbst vornehmen. Über das Rechtinstitut der Störerhaftung soll die Inanspruchnahme auf Beseitigung oder Unterlassung vielmehr nur dann ermöglicht werden, wenn derjenige, der selbst zwar die Voraussetzung einer Haftung als Täter oder Teilnehmer nicht erfüllt, dennoch einen entsprechenden Beitrag zur Rechtsverletzung leistet, in dem er trotz Kenntnis eines rechtswidrigen Inhaltes keine oder nur unzureichende Bemühung zur Entfernung dieser Inhalte aus dem Internet unternimmt.

Hierzu - hierin ist dem OLG Hamburg zuzustimmen - reicht es gerade nicht aus, wenn gegenüber dem Plattformbetreiber die Verletzung eines Rechtes lediglich unsubstantiiert behauptet wird. Vielmehr kann ein Unterlassungsanspruch gegen den Hoster nur dann bestehen, wenn dieser in einer Art und Weise über die vermeintliche Verletzung informiert wird, die es ihm ermöglicht, in eine eigene Prüfung der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Äußerungen einzutreten. Gerade im Bezug auf Äußerungen, die ein konkretes Unternehmen oder eine konkrete Person betreffen und die sich in Blocks, wie dem hier streitgegenständigen, zuhauf finden, betont das OLG Hamburg die herausragende Bedeutung von derartigen Meinungsforen im Internet für den freien Austausch von Informationen und damit für das in der Verfassung in Art. 5 Abs. 1 GG verankerte Gebot der Meinungs- und Informationsfreiheit. Wenn das OLG Hamburg formuliert „der freie Fluss von Informationen würde erheblich eingeschränkt, wenn der technische Verbreiter verpflichtet würde, jede kritische Äußerung auf einfachen Hinweis des Kritisierten hin zu unterbinden, wenn er nicht Gefahr laufen möchte, auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden", so ist dem OLG in jeder Hinsicht zuzustimmen. Auch für den Fall der Inanspruchnahme eines Plattformbetreibers in einer äußerungsrechtlichen Streitigkeit gilt dementsprechend der Grundsatz, dass das Informationsinteresse der Marktteilnehmer sowie der verfassungsrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit im Rahmen des Bestehens eines vermeintlichen Unterlassungsanspruches hinreichend berücksichtigt werden müssen. Insoweit genügt es gerade nicht, den rufschädigenden Effekt einer Berichterstattung zu behaupten, da sich diese als gerechtfertigt erweisen kann.

Damit der Plattformbetreiber, der regelmäßig in die in einem Block eingestellten Meinungsäußerungen und deren Hintergründe nicht eingeweiht ist, beurteilen kann, ob tatsächlich eine rechtswidrige Äußerung in seinem Block getätigt wurde, ist es notwendig, den Plattformbetreiber substantiiert über die Hintergründe der konkret beanstandeten Äußerungen einzuweihen.

Das Urteil des OLG Hamburg trägt damit zu einer Stärkung der Meinungsfreiheit bei und rückt die Bedeutung des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit und der neuen Informationsmedien im Internet in die richtige Position. Derjenige, der sich durch Äußerungen in einem Block oder Meinungsforum in seinen Rechten verletzt fühlt, hat dementsprechend, will er sich nicht mit dem unmittelbar Handelnden (Blogger) auseinandersetzen, sondern den Hostprovider unmittelbar auf Unterlassung in Anspruch nehmen, die Umstände, die aus seiner Sicht die Rechtswidrigkeit der beanstandeten Äußerungen begründen, substantiiert darzulegen und nicht bloß zu behaupten. Hierzu gehört es, dem Plattformbetreiber konkret darzulegen, welche Sätze, Worte oder Wortkombinationen konkret entfernt werden sollen; zudem ist der Hostprovider so umfassend wie möglich mit tatsächlichen Informationen zu versehen, die diesen in die Lage versetzen, den Wahrheitsgehalt der beanstandeten Äußerung zu überprüfen. Die schlichte Behauptung des Betroffenen, dass die veröffentlichten Äußerungen nicht der Wahrheit entsprechen, kann jedenfalls dann nicht genügen, wenn es sich um Behauptungen handelt, die einen Bezug zu konkreten Vorgängen haben. Besteht ein solcher Bezug, ist von dem Betroffenen zu verlangen, dass er substantiiert dem technischen Verbreiter mitteilt, wie aus seiner Sicht die Dinge liegen, um dessen Prüfungspflicht auszulösen.

Solange diese Erfordernisse nicht erfüllt sind, ist der Hostprovider nicht verpflichtet, beanstandete Äußerungen aus dem Internet zu entfernen und kann dementsprechend auch nicht erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Dr. Robert Kazemi

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