OLG Hamm: Fortwährende Abmahnung ein und desselben Verstoßes kann rechtsmissbräuchlich sein
"Abmahnanwälte", so heißen diejenigen Kollegen, die es sich zur Spezialität gemacht haben, kleiner oder größere - aber in der Regel häufig vorkommende Verstöße gegen Spezialgesetze - zur kostenpflichtgen Abmahnung zu bringen. Unterstützt werden sie dabei in der Regel von mehr oder (meist) weniger erfolgreichen (Konkurrenz)Unternehmen des Abgemahnten.
Eine beliebte "Masche" ist hier die Suche nach Vertößen im Rahmen der Verpflichtungen des Unternehmers nach der sog. BGB-InfoV. Die ursprünglich zum Teil im sog. Fernabsatzgesetz (FernAbsG) erhaltenen Verpflichtungen dieser Verordnung regeln u.a. die Informationen, die ein Unternehmer einem Verbraucher im Rahmen eines Vertragsschlusses über ein Fernkommunikationsmittel zur Verfügung stellen muss (sog. Fernabsatzvertrag, vgl. § 312b BGB). Eine wichtige Information ist die Unterrichtung des Verbrauchers über das Bestehen eines sog. Widerrufsrechts (§§ 312c, 312d BGB).
Eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu erstellen, ist nicht so leicht. Dies wurde auch dem Bundesgesetzgeber bestätigt, dessen in der BGB-InfoV normierte Muster-Widerrufsbelehrung in der Vergangenheit von einigen Gerichten als Unwirksam eingestuft wurde. Mit damals drastischen Konsequenzen für Ihre Verwender (nämlich die kostenpflichtige und berechtigte (!) Abmahnung). Dem hat der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 12.04.2007 (Az.: VII ZR 122/06) einen Riegel vorgeschoben.
Der BGH hat formuliert: „Die Widerrufsbelehrung muss, wenn sie nicht genau einem gesetzlichen Muster entspricht (Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV), den Anforderungen genügen, die das Gesetz an verschiedenen Stellen formuliert.“ und weiter „Die Klägerin hat kein Formular verwendet, das dem Muster gemäß § 14 Abs. 1 Anlage 2 BGB-InfoV entspricht. Sie kann schon deshalb keine ihr günstigen Rechtswirkungen aus der BGB-InfoV herleiten.“.
Hieraus ließe sich zumindest der Schluss ziehen, dass derjenige, der die gesetzliche Widerrufsbelehrung genau übernimmt, auch dann keinen Wettbewerbsverstoß begeht, wenn sich später herausstellen sollte, dass die Muster-Belehrung des Verordnungsgebers (!) den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
Dieses Urteil brachte aber nicht die erwartete Ruhe. Nach wie vor erfolgen Abmahnungen wegen unwirksamer / fehlerhafter Widerrufsbelehrungen. So auch in dem nunmehr durch das OLG Hamm entschiedenen Fall (Urt. v. 24.03.2009, AZ. 4 U 211/08):
Die Beklagte des dortigen Rechtsstreits betrieb einen eBay-Shop und bot über die Auktionsplattform Schmuck und Accessoires an. Die von ihr eingestellten Angebote enthielten folgende Widerrufsbelehrung:
"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von einem Monat ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung ..."
Richtig hätte es (wohl) beispielsweise heißen müssen:
„Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von einem Monat ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder – wenn Ihnen die Sache vor Fristablauf überlassen wird – durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht vor Eingang der Ware bei Ihnen und auch nicht vor Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß § 312c Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB-InfoV. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache.“
Die Widerrufsfrist war also nicht korrekt angegeben. Grundsätzlich ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 312d Abs. 2 BGB, einer Marktverhaltensregelung.
Nicht jedoch in vorliegendem Fall. Denn den Abmahnenden war die Rechtsmissbräuchlichkeit ihres Vorgehens vorzuwerfen (§ 8 Abs. 4 UWG). Nach Ansicht des OLG Hamm ergab sich dies unter anderem aus Folgendem:
„Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin 11 weitere Abmahnungen ausgesprochen hat, und zwar alle nach demselben Muster. Nach der Behauptung der Beklagten begründete die Klägerin jede der erfolgten Abmahnungen wie im vorliegenden Fall auch mit einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung durch den fehlenden Hinweis auf den Erhalt einer gesonderten Belehrung in Textform. […] Es spricht aber nicht für eine ernsthaft gemeinte Überwachung des lauteren Wettbewerbs, wenn sich ein Wettbewerber nur auf die Verfolgung eines bestimmten Wettbewerbsverstoßes gewissermaßen spezialisiert. Dies zeigt, dass es ihm eben nicht insgesamt um die Wahrung des lauteren Wettbewerbs zu tun ist.
Vor allem steht der eigene Umsatz der Klägerin in keinem Verhältnis zu dieser umfangreichen Abmahntätigkeit in relativ kurzer Zeit. […] Wenn dann noch der Anwalt der Klägerin der Neffe des Inhabers der Klägerin ist, schließt sich der Kreis, dass die Abmahntätigkeit der Klägerin nicht deshalb erfolgt, um die Wettbewerber zum Schutz ihrer eigenen Tätigkeit zu wettbewerbsrechtskonformem Verhalten anzuleiten, sondern dass die Klägerin hier nur eine gewinnbringende Beschäftigung betreiben will […]
Eine erfreuliche Entscheidung des OLG Hamms, die jedoch nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass jeder Unternehmer grundsätzlich daran gehalten ist, die ihm durch das Gesetz auferlegten Verpflichtungen (insbesondere auch die Informationspflichten zu Gunsten der Verbraucher) umzusetzen. Die Abmahnung (beispielsweise durch eine Wettbewerbszentrale) ist vor diesem Hintergrund gerade nicht rechtsmissbräuchlich. Also Vorsicht!
Dr. Robert Kazemi