18
Jun 2009

OLG Hamm: Zuwiderhandlung gegen Vertragsstrafeversprechen auch nach zehn Jahren noch durchsetzbar

Wie sich aus einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm (OLG) vom 30.04.2009 (Az: 4 U 1/09) ergibt, kann ein einmal abgegebenes Vertragsstrafeversprechen im Rahmen einer so genannten strafbewehrte Unterlassungserklärung auch nach zehn Jahren durch den Unterlassungsgläubiger noch verfolgt werden. Im hier streitgegenständigen Fall hatte sich ein Unternehmer im Jahre 1997, damals als Einzelhandelskaufmann im Sinne des § 17 HGB handelnd, dazu verpflichtet, bestimmte Werbeaussagen in der Zukunft nicht mehr zu tätigen. Konkret ging es hier um die Wirkung des vor allem aus der Kosmetikindustrie bekannten und dort beworbenen Wirkstoffes „Q10".

Nachdem der Beklagte 1997 eine Unterlassungserklärung dahingehend abgeben hatte, es für die Zukunft zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für ein von ihm vertriebenes Mittel damit zu werben, „ein Q10-Defizit könne dazu führen, dass Organen nicht mehr die nötige Energiemenge zur Verfügung stehe und dementsprechend die natürlichen Körperfunktionen beeinträchtigt werden könnten", gab er seine Tätigkeit als Einzelhandelskaufmann in der Folgezeit auf und war zum hier streitgegenständigen Zeitpunkt als Geschäftsführer einer neuen (offenbar durch ihn beherrschten) GmbH tätig. Diese GmbH war im Jahre 2007 erneut mit Aussagen in Bezug auf die Wirkungsweise von „Q10" und dessen Bedeutung vor allem für die körpereigene Zellaktivität.

Der Unterlassungsgläubiger, dem der nunmehr als Geschäftsführer der GmbH tätige frühere Einzelhandelskaufmann die strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber abgegeben hatte, sah hierin einen Verstoß gegen eben diese strafbewehrte Unterlassungserklärung und forderte den Geschäftsführer (Unterlassungsschuldner) dementsprechend zur Zahlung der im Rahmen der Unterlassungserklärung ausbedungenen Vertragsstrafe auf.

Der Unterlassungsschuldner hingegen sah sich wegen der Werbeaussagen, die nach seiner Auffassung allein die nunmehr mithandelnde GmbH getätigt hatte, nicht verpflichtet. Er bezog sich insoweit darauf, dass er zum Zeitpunkt 1997 keinesfalls eine persönliche Unterlassungserklärung abgegeben habe, sondern diese allein für seine damalige Einzelfirma abgegeben habe. Diese Einzelfirma existierte nunmehr nicht mehr, die GmbH oder der Geschäftsführer selber seien durch die Unterlassungserklärung jedoch nicht verpflichtet.

Nachdem der Unterlassungsschuldner mit dieser Argumentation noch vor dem Landgericht Essen Erfolg hatte, verurteilte ihn das Oberlandesgericht Hamm nunmehr (zurecht) zur Zahlung der damals ausbedungenen Strafe.

Das OLG Hamm stellt fest:

„Der Beklagte selbst ist Verpflichteter aus diesen Vereinbarungen [Unterlassungserklärung]. Der Beklagte war Inhaber der Einzelhandelsfirma J.. Er hat die Unterlassungserklärung nicht etwa für sich und nur für die Firma abgegeben, weil er nämlich selbst die Einzelhandelsfirma war. Einzelhandelsunternehmungen und Inhaber sind insoweit nicht trennbar, § 17 Abs. 1 HGB. Die Firma ist ihrerseits nicht eigenständig eine rechtsfähige Person. Der Beklagte selbst ist hieraus verpflichtet und insofern auch verantwortlich für die Verstöße, die nunmehr durch die J. GmbH, deren Geschäftsführer er ist, erfolgt ist. Er bleibt, wie vom Kläger gerügt, in persona auch im Rahmen seiner Funktion als Geschäftsführer der (neuen) GmbH aus den Unterlasssungsverträgen verpflichtet und kann nunmehr nicht auf eine neue und andere Organisationseinheit verweisen. Der persönlich verpflichtete Unterlassungsschuldner handelt verantwortlich und schuldhaft, wenn er sich nunmehr eines Dritten bedient oder als Organ oder Geschäftsführer eines Dritten (juristische Person, Gesellschaft) (zuwider)handelt oder, wenn er dies könnte, den Verstoß nicht verhindert. Dabei ist auch mangels anderweitigen Vortrages davon auszugehen, dass der Beklagte in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH vorliegend den Verstoß selbst veranlasst oder jedenfalls, trotz entsprechender Möglichkeit, nicht verhindert hat."

Das vorliegende Urteil verdeutlicht, dass die Abgabe Strafbewehrter Unterlassungserklärung nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Hier ist im Einzelfall darauf zu achten, welche Tragweite die abzugebende bzw. geforderte Unterlassungserklärung hat. Wie dem Urteil des OLG zu entnehmen ist, ist dabei vor allem stets darauf zu achten, wer im Rahmen der Unterlassungserklärungen verpflichtet werden soll.

Wie das OLG weiter ausführt, gelten einmal abgegebene Unterlassungserklärungen grundsätzlich unbefristet und werden auch durch geplante oder vollzogene Gesetzesänderungen nicht ipso jure unwirksam. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn bereits im Rahmen der Abgabe der Unterlassungserklärung ein entsprechender Vorbehalt in selbiger aufgenommen wird. In allen anderen Fällen bedarf es, selbst bei Änderungen der Rechts- und Gesetzeslage, einer vorherigen ausdrücklichen Kündigung des Unterlassungsvertrages. Nur in Ausnahmefällen, so das OLG, „könne der Geltendmachung eines eindeutig vernichtungsreifen Vertragsstrafeanspruchs trotz versäumter Kündigungen einmal der Rechtsmissbrauchseinwand entgegen gehalten werden, wenn ohne jeden Zweifel für jedermann erkennbar feststeht, dass der hinter der vertraglichen Absicherung stehende gesetzliche Unterlassungsanspruch erloschen ist und es deshalb der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit schaffenden Kündigung nicht mehr zwingend bedarf".

Bevor man also an die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung denkt, sollte man sich in jedem Fall anwaltlichen Rat einholen. Dies verdeutlicht das Urteil des OLG Hamm. Unternehmern, die für ihre Firmen Geschäftsführer, Prokuristen oder andere Leitungsorgane bestellen, sollte zudem empfohlen werden, vor Bestellung Auskünfte darüber einzuholen, ob der „neue Geschäftsführer" vielleicht in der Vergangenheit für eine andere Firma eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, die diesen auch persönlich verpflichtet.

Dr. Robert Kazemi

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