25
Apr 2013

OLG Karlsruhe: Irreführungseignung der Bezeichnung als „Spezialist für Familienrecht“

Die Bezeichnung als Spezialist auf einem bestimmten Fachgebiet ist bei Ärzten, Zahnärzten und Anwälten gleichermaßen beliebt. Dies zeigt ein aktuelles Urteil des OLG Karlsruhe vom 01.03.2013 (Az. 4 U 120/12). Ein Rechtsanwalt hatte sich auf Grund einer behaupteten langen beruflichen Tätigkeit und einzelner Fortbildungen als „Spezialist für Familienrecht" bezeichnet. Die zuständige Anwaltskammer sah dies als Verstoß gegen das Berufsrecht (§ 7 BORA) an, insbesondere, weil die Gefahr mit der Verwechselung mit der Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwalt für Familienrecht" bestünde.

In den Urteilsgründen heißt es:

Die vom Beklagten gewählte Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht" ist verwechslungsfähig mit der Bezeichnung „Fachanwalt für Familienrecht" (vgl. Landgericht München, Urteil vom 09.02.2010, AZ: 33 O 427/09, zitiert nach Juris m.w.N. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 11.100). Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, welcher der Situation die angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, ist nicht in der Lage, hinreichend zwischen einem Fachanwalt und einem Spezialisten zu unterscheiden. Der angesprochene Verkehr kennt die Voraussetzungen, an die das Führen einer Fachanwaltsbezeichnung geknüpft ist, im Regelfall nicht und kann deshalb auch nicht zwischen den genannten Bezeichnungen unterscheiden. Zwischen beiden Bezeichnungen besteht zudem eine große sprachliche Nähe. In Duden online werden als Synonyme für den Begriff „Spezialist" u.a. auch „Fachmann" oder „Mann vom Fach" genannt. Die Bedeutung des Wortes Fachanwalts wird in Duden online wie folgt definiert: „Rechtsanwalt, der auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisiert ist". Im Hinblick auf den Zweck von § 7 Abs. 2 BORA, dass der Verbraucher verlässlich zwischen den auf eigener Entscheidung des Anwalts beruhenden Angaben und der Fachanwaltsbezeichnung unterscheiden können muss, ist auf Fachgebieten, für welche die Möglichkeit einer Fachanwaltschaft besteht, für eine Bezeichnung als „Spezialist für ..." kein Raum."

Die Entscheidung überrascht etwas, ist die Bezeichnung als Spezialist doch vom OLG Karlsruhe noch im Jahre 2009 für zulässig erachtet worden (OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.05.2009, 6 U 49/08 - „Spezialist für Zahnarztrecht"). Die nunmehrige Entscheidung kann sich daher nur aus dem Umstand rechtfertigen, dass der beklagte Rechtsanwalt seinen Nachweispflichten nicht hinreichend nachgekommen ist.

§ 7 Abs. 1 S. 2 BORA begründet seinem Wortlaut nach zwar gerade kein per-se Verbot der Verwendung qualifizierender Berufsbezeichnungen ohne korrespondierende Qualifikationen, da der Satzungsgeber angenommen hat, dass der angesprochene Verkehr auf das Vorliegen der in Anspruch genommenen Qualifikation vertraut und in diesem, wegen der mangelnden Qualifikation getäuschten, Vertrauen eine Geschäftsentscheidung trifft. Insoweit handelt es sich aber in der Sache auch bei den Verboten des § 7 Abs. 1 BORA um Irreführungstatbestände. Insoweit gebietet aber der grundrechtliche Schutz der Berufsfreiheit eine restriktive Auslegung in dem soeben beschriebenen Sinne. Werbeverbote verletzen das Recht auf Berufsfreiheit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann nicht, wenn die durch das Verbot erfasste Werbung nicht in sachlicher Form erfolgt oder irreführend ist (BVerfG, NJW 2004, 2656, 2657). Im Hinblick auf die gebotene grundrechtskonforme Auslegung ist der Umfang der im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 2 BORA erforderlichen Kenntnisse nach den beim rechtsuchenden Publikum geweckten Erwartungen zu bemessen.

Die Werbung mit der Bezeichnung als Spezialist ist daher - auch im Bereich der Ärzte und Zahnärzte - nur dann zu untersagen, wenn der Werbende die Anforderungen, die aus Sicht der durch die Werbung angesprochenen Verkehrskreise an einen Spezialisten gestellt werden, tatsächlich nicht erfüllt. Bereits nach allgemeinem Sprachverständnis muss der Spezialist auf einem bestimmten (Fach-) Gebiet über besondere Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl., 2007). Wer sich als Spezialist bezeichnet, bringt dadurch auch zum Ausdruck, dass er bevorzugt, wenn nicht gar ausschließlich einen Teilbereich des Vollberufs bearbeitet (BVerfG NJW 2004, 2656, 2558). Von einem Spezialisten, der weit überwiegend Fälle aus einem bestimmten Bereich bearbeitet, erwartet das Publikum umfassende Kenntnisse, die theoretische Durchdringung und große praktische Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet. Dementsprechend schließen die von der Werbung angesprochenen Verkehrskreise aus der Verwendung des Begriffs „Spezialist", dass die so bezeichnete Person Experte ist, mit dessen praktischen und theoretischen Kenntnisse und Fertigkeiten auf dem betreffenden Gebiet auch der erfahrene Nicht-Spezialist nicht mithalten kann. Der Spezialist kann in diesem Zusammenhang zwar an den Maßstäben eines Fachanwalts" oder „Fach(zahn)arztes gemessen werden, allein das Nichteinhalten von Fachanwaltskursen kann hier jedoch nicht allein maßgeblich sein.  Die theoretische Erfahrung auf dem Gebiet kann vielmehr auch dadurch nachgewiesen werden, dass sich der Spezialist auch wissenschaftlich mit der betroffenen Materie auseinandergesetzt hat; beispielsweise durch eigene Publikationen und Vorträge.

Dr. Robert Kazemi

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