29
Jun 2013

OLG Nürnberg: E-Zigarette - „Die gesündere Art zu rauchen“

Ist die E-Zigarette tatsächlich die „gesündere Art" zu rauchen? Hierüber herrscht seit der Einführung der elektronischen Glimmstängel ein breiter öffentlicher Diskurs. Viele Restaurants verbannen auch den elektronischen Rauch aus ihren Räumlichkeiten; auch die Fluggesellschaften unterscheiden nicht zwischen Wasserdampf und Nikotinqual. Nach Ansicht des OLG Nürnberg ist die Werbung mit der „gesünderen Art zu rauchen" jedoch zulässig. Der Markendiscounter Netto hatte im vergangenen Jahr für die E-Zigarette „Clever Smoke" mit der Aussage „Die gesündere Art zu rauchen. Die geniale Alternative für den vollen Rauchgenuss." geworben. Nachdem der Discounter durch das Landgericht zunächst zur Unterlassung dieser Aussagen verurteilt wurde, hob das OLG Nürnberg die Verurteilung auf die Berufung des Discounters wieder auf (OLG Nürnberg, Urteil vom 28.05.2013, 3 U 2161/12).

Der Fall:

Neben den oben wiedergegebenen Aussagen fanden sich in der Werbung des Discounters auch folgende Angaben:

„Ohne Nikotin und Teer"

„Aromen auf Unbedenklichkeit GEPRÜFT"

Geprüft von einem unabhängigen Sachverständigen (siehe www.daprod.De).

In der Verpackung des beworbenen Produktes selbst fand sich eine Produktbeschreibung, die unter dem Stichwort „für ihre Gesundheit" folgende Hinweise enthielt:

„Alle Inhaltsstoffe wurden getestet und als sicher bewertet. Die verwendeten Aromen werden bereits in der Zigaretten Industrie eingesetzt. Allerdings sind wir verpflichtet, sie darauf hinzuweisen, dass die Inhaltsstoffe nicht auf ihre Langzeitwirkung bei Inhalation getestet wurden. Die in den Aromakapseln (Mundstücken) enthaltende Flüssigkeit enthält Alkohol bzw. alkoholähnliche Stoffe. Folgende Personengruppen sollten vor der Benutzung des Produkts unbedingt einen Arzt konsultieren:

Schwangere und stillende Frauen,

Trockene Alkoholiker,

Personen, die allergisch auf Propylenglykol oder Aromastoffe reagieren,

Personen, die gesundheitliche Probleme mit den Atemwegen (z. B. eine vorgeschädigte Lunge, den Gefäßen oder dem Herz - Kreislauf - System haben.

Vermeiden sie den direkten Kontakt von Haut, Augen und Schleimhäuten mit der in der Aromakapsel (Mundstück) enthaltenen konzentrierten Flüssigkeit. Die Inhalation des Dampfes ist davon ausgeschlossen.

Die Flüssigkeit in den Kartuschen, die als Aerosol vom Konsumenten inhaliert wird, besteht zu 90 % aus Propylenglykol und kann zu Atemwegsreizungen führen".

Die Entscheidung:

Das Landgericht hatte die Werbung noch als irreführend qualifiziert, weil der angesprochene Verbraucher durch die Werbeangaben den Eindruck gewinnen könnte, das Rauchen der E-Zigarette sei gesundheitlich vollkommen unbedenklich. Da dies, wie die Packungsbeilage belegt, jedoch offensichtlich nicht der Fall sei, würde der Verbraucher durch die plakativen Aussagen zu einer „gesünderen" Art des Rauchens in die Irre geführt.

Das OLG hat sich dieser Wertung nicht angeschlossen.

„Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung, wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung u.a.

Vorliegend wird in der streitgegenständlichen Werbung neben dem Preisvorteil für den Raucher darauf hingewiesen, dass die E-Zigarette kein Nikotin und Teer enthalte und es sich deshalb um, die „gesündere Art zu rauchen" handele. Aus der Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers wird durch die vorliegende Werbung weder in Einzelheiten noch in der Gesamtschau der Eindruck erweckt, dass das „Rauchen" einer E-Zigarette gesundheitlich völlig unbedenklich sei. Dies kann weder aus der oben genannten Aussage, noch daraus entnommen werden, dass die Aromen auf Unbedenklichkeit geprüft seien.

Eine Irreführung liegt auch nicht darin, dass darauf hingewiesen wird. dass die Aromen auf Unbedenklichkeit geprüft wurden. Denn dies ist tatsächlich geschehen, wie sich aus dem Sachverständigengutachten ergibt (Anlage K3). Inhaltliche Mängel dieses Gutachtens werden nicht geltend gemacht.

Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen § 5 a UWG vor. weil erst in der Bedienungsanleitung für bestimmte Personengruppen die Konsultation eines Arztes empfohlen wird. Es handelt sich hierbei um Personen. bei denen der in den Aromakapseln enthaltene. Alkohol zu Schädigungen führen kann (Schwangere. trockene Alkoholiker). um solche, die auf Propylenglykol (verantwortlich für die Nebelbildung) allergisch reagieren und um solche. die Atemwegs-, Gefäß- oder Herzkreislauferkrankungen haben. Denn der Verkehr erwartet nicht ohne weiteres die Offenlegung aller - auch wenig vorteilhafter - Eigenschaften einer Ware (BGH, NJW 1996, 3078 - Fertiglesebrille). Zum einen wird vorliegend, wenn auch erst in der Bedienungsanleitung, ja auf die denkbaren Risiken für bestimmte Personengruppen hingewiesen. Zum anderen handelt es sich um Hinweise an ganz bestimmte einzelner Personengruppen, bei denen aufgrund der Funktionsweise der E-Zigarette eine Gefährdung zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Weil - wie oben festgestellt - der Eindruck der völligen gesundheitlichen Unbedenklichkeit gerade nicht erweckt wird. führen diese Angaben erst im Packungsinhalt auch nicht zu einer Irreführung des Verbrauchers."

 

Bewertung:

Die Entscheidung des OLG zeigt einmal mehr wie unterschiedlich die Wertungen zum vermeintlichen Verkehrs- oder Verbraucherverständnis mitunter ausfallen. Gleichzeitig verdeutlicht es die Notwendigkeit der vorherigen Überprüfung von Werbemaßnahmen unter dem Gesichtspunkt der unlauteren Geschäftspraktiken. Ob die Entscheidung hingegen inhaltlich (nicht rechtlich) zutreffend ist, mag die Wissenschaft entscheiden.

Dr. Robert Kazemi

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