OLG Schleswig: Reiseangebot zu "Geist-Chirurgie" als irreführende Werbung
Medizintourismus so wird umgangssprachlich die Inanspruchnahme ärztlicher Behandlungen und von Operationen außerhalb des eigenen Landes bezeichnet, wobei der Aufenthalt im Zielland die Dauer eines Urlaubs nicht übersteigt. Der wichtigste Grund für diese Form des "Tourismus" ist eine Kostenersparnis. Der Trend zum Medizintourismus ist sowohl in den USA wie auch in Europa zu beobachten. In Deutschland sind bereits Studiengänge auf diese neue Einnahmequelle gestützt.
Dass es hier nicht nur Vorteile zu verzeichnen gibt, zeigt ein aktueller Beschluss des Oberlandesgericht (OLG) Schleswig (Beschluss vom 10.06.2010, 6 U 42/09).
Der Fall:
Ein Idealverein warb für "Therapeutische Reisen" zu den Philippinen. In der Werbeanzeige hieß es unter anderem, dass dort Forschungsprojekt durchgeführt werde, „um die außergewöhnlichen Erfolge dortiger HeilerInnen zu dokumentieren und denen zu helfen, die bisher auf ihrem Gesundheitsweg nicht weiter kamen" ... „So sind die Behandlungen immer schmerzlos, ohne Narkose, ohne befürchtete Nebenwirkungen, bei wenig Blutverlust und werden in wenigen Minuten durchgeführt"... „Die tieffrommen katholischen HeilerInnen auf den Philippinen sind hellsichtig und können die Ursachen erkennen, bevor sie die Störfelder, Tumore oder Fremdeinflüsse schmerzlos aus dem Körper ziehen"... „Sie gehen jetzt einen anderen Weg zu Ihrem Ziel, der Heilung".
Die Entscheidung:
Das angerufene OLG wie auch schon die Vorgängerinstanz, das Landgericht (LG) Lübeck, sah hierin einen Verstoß gegen die heilmittelrechtlichen Werbevorgaben des § 3 Nr. 1 HWG sowie zugleich einen Verstoß gegen das allgemeine wettbewerbsrechtliche Verbot der irreführenden Werbung gem. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UWG.
Die Werbeanzeige stellt nach Ansicht des Gerichts eine unlautere geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern dar, weil sie dazu geeignet ist, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich aufgrund von Informationen zu entscheiden, spürbar beeinträchtigt und damit zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er - der Verbraucher - anderenfalls nicht getroffen hätte.
Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 20. März 2007 (Az.: 1 BvR 1226/06) zu „Geistheilern" dargelegt, dass die Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes die Grenzen unzulässiger Werbung für Arznei- und andere Mittel zur Behandlung von Krankheiten festlegt. Die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen, die Werbung für medizinische Verfahren und Behandlungen einzuschränken, ist danach gegeben. Eine Privilegierung von als „Geistheiler" Tätigen gegenüber den Heilberufen der Ärzte oder Heilpraktiker ist unter keinem Gesichtspunkt geboten. Ebenso wie diesen sind auch „Geistheilern" bestimmte bebilderte Werbeaussagen, suggestive oder irreführende Werbung mit Angaben unhaltbarer Wirksamkeits- oder Erfolgsversprechen verboten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es im Bereich der „Geistheiler" an eigenen Fachkreisen im Sinne von § 2 HWG fehlt (vgl. insgesamt BVerfG a.a.O.). Das Schutzbedürfnis der privaten Verbraucher, die den angesprochenen Verkehrskreis der Werbung ausmachen, gebietet eine Einschränkung auch bebilderter Werbeaussagen, die suggestiv und irreführend unhaltbare Wirksamkeits- oder Erfolgsversprechen zum Ausdruck bringen.
Mit der streitbefangenen Anzeige wird für Verfahren und Behandlungen geworben, die sich auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten und Leiden sowie Körperschäden und krankhafter Beschwerden bei Menschen beziehen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG). Nach § 3 Nr. 1 HWG ist eine irreführende Werbung insbesondere dann anzunehmen, wenn Verfahren oder Behandlungen eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen zugeschrieben werden, die sie nicht haben.
Die Werbeanzeige des Beklagten erzielt bei dem angesprochenen Verkehrskreis die Wirkung, die angepriesene Behandlung führe zu außergewöhnlichen Behandlungserfolgen. In Verbindung mit dem Foto in der Werbeanzeige werde deutlich, dass es um chirurgische Eingriffe, die nicht allein im spirituellen Bereich ihre Wurzeln haben, gehen soll. Nachrangig sind Überlegungen zu meditativen Vorgängen, Gebeten, Beichten und Heilungs-Gottesdiensten als Voraussetzung, dass überhaupt eine Heilung geschehen kann. Die einschränkenden Erklärungen des Beklagten, dass es bei den angebotenen Reisen zu den Philippinen darum gehe, wieder Hoffnung und Lebensmut zu geben, erschließen sich nicht als Werbebotschaft aus der Anzeige.
Vielmehr wird mit den genannten Erklärungen suggeriert, dass die „Behandlungen" einen therapeutischen Erfolg bewirkten, was tatsächlich nicht so ist.
Dr. Robert Kazemi