17
Aug 2010

OVG NRW: Zu den Anforderungen der Abschaltung von (normalen) Rufnummern wegen ihrer Verwendung für unzulässige Telefaxwerbung

Die Kundenansprache über das Telefon oder per Telefax als effektives und leichtes Mittel der Kundenakquise ist für viele Unternehmen sehr wichtig. Jedoch wurde der rechtlich zulässige Rahmen seitens des Gesetzgebers durch das Gesetz zur Bekämpfung unlauterer Telefonwerbung im vergangenen Jahr stark verengt. So sind Telefon- wie Telefaxwerbung gegenüber Verbrauchern nur noch dann zulässig, wenn hierfür zuvor eine ausdrückliche Einwilligung erteilt wurde. Gegenüber Unternehmern gilt in Bezug auf die Telefonwerbung zwar noch die Erleichterung des mutmaßlichen Einverständnisses, Telefaxwerbung hingegen erfordert auch hier zwingend das Vorliegen einer vorherigen Einwilligung des Unternehmers. Für alle Werbemaßnahmen gilt, dass nur noch mit Rufnummernanzeige geworben werden darf und der bekannte „Unbekannte Teilnehmer" im Rahmen des Direktmarketings daher ausgedient hat. Weitgehende Befugnisse wurden auch der BNetzA (BNetzA) als Aufsichtsbehörde zugebilligt, die Rufnummern bei rechtswidriger Verwendung zu Werbezwecken sogar gänzlich abschalten kann.

Einen derartigen „Abschaltungsfall" hatte nunmehr das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster zu entscheiden (OVG NRW, Beschluss vom 05.08.2010 - 13 B 883/10).

Der Fall:

Die J. GmbH, dessen Geschäftsgegenstand die Entwicklung und der Vertrieb von medizinischen Produkten ist, und deren Gesellschafter daneben Mitinhaber von vier weiteren Pharma-Unternehmen sind, unterhält eine Rufnummer, die von allen Unternehmen für die Entgegennahme von Aufträgen als Bestelleingangs-Faxnummer verwendet wird.

Durch Beschwerden wurde die BNetzA auf die unverlangte Zusendung von Werbefaxschreiben aufmerksam. Die werblich Angesprochenen gaben an, kein Einverständnis zum Empfang von Werbung erteilt zu haben. Als Bestellfax-Nummer ist die fragliche Rufnummer der J. GmbH angegeben. Mit Bescheid der BNetzA vom 25. März 2010 ordnete die BNetzA daraufhin die unverzügliche Abschaltung der Rufnummern an.

Hiergegen wandte sich die J. GmbH im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Nachdem sie vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln noch erfolglos geblieben war, hob das OVG den Abschaltungsbeschluss nunmehr einstweilen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auf und ordnete die Weiterschaltung der streitgegenständlichen Rufnummer an.

Die Entscheidung:

Rechtsgrundlage für eine Abschaltung von Rufnummern ist § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG. Danach soll die BNetzA im Falle der gesicherten Kenntnis von der rechtswidrigen Nutzung einer Rufnummer gegenüber dem Netzbetreiber, in dessen Netz die Nummer geschaltet ist, die Abschaltung der Rufnummer anordnen.

Das Merkmal der rechtswidrigen Nutzung einer Rufnummer steht auch im unmittelbaren Zusammenhang mit § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG, dessen weiter Wortlaut Ausdruck des gesetzgeberischen Willens ist, jegliche Verstöße bei der Nummernnutzung, insbesondere mit Blick auf Verbraucher- und Kundenschutzbelange zu verfolgen. Die rechtswidrige Nutzung einer Rufnummer im Sinne des § 67 TKG liegt deshalb vor, wenn über sie Werbung unverlangt zugesandt wird, die Rufnummer an dem Verstoß gegen das UWG also unmittelbar beteiligt ist.

Der Senat hat eine rechtswidrige Rufnummernnutzung beispielsweise bejaht, wenn im Rahmen eines rechtswidrigen Geschäftskonzeptes eine kostenpflichtige 0900er-Nummer beworben wird. In den sog. Tastendruck-Fällen wurde bei Telefonanschlussinhabern mit Telefoncomputern angerufen und ihnen mitgeteilt, sie hätten einen Preis gewonnen. Die rechtswidrige Rufnummernnutzung ergab sich daraus, dass die Angerufenen aufgefordert wurden, eine bestimmte Taste an ihrem Telefonapparat zu drücken, um den Gewinn zu bestätigen, was eine Verbindung zu einem kostenpflichtigen "Premium-Dienst" unter einer 0900er-Nummer zur Folge hatte, ohne dass die Angerufenen eine Preisansage etc. (§§ 66a ff.TKG) erhalten oder jedenfalls eine hinreichende Bedenkzeit für eine Entscheidung vor Drücken der Telefontaste hatten. Bei diesem rechtswidrigen Geschäftsmodell wird die 0900er-Nummer unter Verstoß gegen das TKG genutzt und, da sie direkt an dem rechtswidrigen Geschehen beteiligt ist, unter Verstoß gegen das UWG beworben und auch deshalb rechtswidrig genutzt.

Hinsichtlich der streitgegenständlichen Nummer liegt ein solches rechtswidriges Geschäftsmodell nach Ansicht des OVG hingegen nicht vor. Eine hochtarifierte Rufnummer wird nicht in der beschriebenen Art und Weise beworben, sondern das Faxschreiben führt die Nummer als Mittel zum Zweck des Verkaufs von Waren an. Der Versender der Faxschreiben zieht aus der beworbenen Nummer noch keine unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteile. Anders als in den sog. Tastendruckfällen besteht nämlich nicht die regelmäßige Folge eines spürbar materiellen Schadens, wenn zwangsläufig die hochtarifierte Rufnummer unter den beschriebenen Umständen gewählt wird. Zwar verkennt der Senat nicht die unzumutbare Belästigung, die mit einem unerwünschten Eingang solcher Faxschreiben einhergehen kann (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 UWG). Ein eigenständiger Verstoß gegen das UWG, etwa dass die beworbene Rufnummer Teil eines gegen das UWG verstoßenden Inhalts eines Werbefaxschreibens (vgl. §§ 4 f. UWG) ist, und/oder eine Störung im Sinne des TKG sind indessen nicht schlüssig aufgezeigt worden.

Liegen die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG vor, soll die Abschaltung der Rufnummer angeordnet werden. Mit Blick auf die ratio legis von § 67 Abs. 1 TKG, Verstöße bei der Nummernnutzung wegen des Verbraucher- und Kundenschutzes effektiv verfolgen zu können, hat der Gesetzgeber das Ermessen der BNetzA durch eine Sollvorschrift bestimmt.

Dies bedeutet, dass die Regulierungsbehörde im Regelfall die Abschaltung anzuordnen hat. Ein Abweichen von diesem Grundsatz ist ihr daher nur in einem atypischen Fall gestattet, der bei summarischer Prüfung hier gegeben ist.

Die Soll-Vorschrift knüpft nach ihrem Wortlaut an die gesicherte Kenntnis der Regulierungsbehörde von der rechtswidrigen Nutzung an, also nicht an das Gewicht des Rufnummernmissbrauchs. Allerdings sah der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu einem TKG (BT-Drucks. 15/2316, § 65 Abs. 1 Satz 3 TKGE, S. 28) im Hinblick auf die Abschaltung einer Rufnummer die rechtswidrige Nutzung einer 0190er- oder 0900er-Mehrwertdiensterufnummer vor, also die Erbringung eines "Premium-Dienstes" im Sinne von § 3 Nr. 17a TKG. Die Inanspruchnahme eines solchen hochtarifierten Dienstes hat für den im Falle eines Rufnummernmissbrauchs Betroffenen einen spürbaren finanziellen Nachteil zur Folge. Deshalb sehen etwa die §§ 66a und 66b TKG auch Schutzregeln für den Nutzer (Preisangabe und Preisansage) vor. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde zwar der sich auf die rechtswidrige Nutzung beziehende Zusatz "einer 0190er- oder 0900er-Mehrwertdiensterufnummer" auf die Stellungnahme des Bundesrats hin gestrichen. Dieser bat nämlich, den § 65 Abs. 1 TKG-E dahin gehend zu überprüfen, dass eindeutige, konsistente und wirksame Befugnisse und Eingriffsrechte der Regulierungsbehörde, vor allen auch im Hinblick auf Verbraucher- und Kundenschutzbelange, festgelegt werden. Insbesondere sei eine Wirksamkeit und Anwendbarkeit über den Bereich der 0190er- und 0900er-Rufnummern für alle Mehrwertdiensterufnummern zu gewährleisten. Anderenfalls bestehe die Gefahr, dass Maßnahmen zum Teil auf den Bereich der 0190er- und 0900er-Mehrwertdiensterufnummern beschränkt blieben. Dies sei vor dem Hintergrund der Verlagerung des Missbrauchs in andere Rufnummerngassen (z. B. 0137) nicht akzeptabel (Stellungnahme des Bundesrats vom 19. Dezember 2003, BT-Drucks. 15/2316, S. 119). Diese Stellungnahme und der weitere Gang des Gesetzgebungsverfahrens zeigen damit hinreichend deutlich, welches Gewicht der Rufnummernmissbrauch erreicht haben muss, damit die Soll-Vorschrift des § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG anwendbar ist. In Übereinstimmung hiermit hat der Senat in zahlreichen Verfahren die Rechtmäßigkeit der Anwendung der Soll-Vorschrift durch die Regulierungsbehörde bestätigt, wenn ein Fall des unrechtmäßigen Gebrauchs einer Mehrwertdienstenummer oder ein hiermit vergleichbarer Fall vorlag.

In Verfahren mit Zuwiderhandlungen gegen das UWG, aber ohne Verstoß gegen telekommunikationsrechtliche Vorschriften, wenn also etwa allein eine Rufnummer wettbewerbswidrig beworben wird, hat die BNetzA aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vor Ergehen einer Abschaltverfügung den Nutzer der Rufnummer auf die Rechtswidrigkeit seines Tuns hinzuweisen und ihm die Rufnummernabschaltung anzudrohen, ihn also abzumahnen hat. Diese generalisierende Vorgehen entspricht zugleich der regelmäßigen Schrittfolge nach dem UWG. Nach § 12 Abs. 1 UWG sollen die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen. Zwar ist die dortige vorgerichtliche Abmahnung Ausdruck einer Obliegenheit des Klägers, denn der Schuldner eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs, der vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens nicht abgemahnt wurde, wird grundsätzlich so behandelt, als habe er keine Veranlassung zur Klage gegeben (vgl. § 93 ZPO).

Gleichwohl ist eine solche Maßnahme auch hier sinnvoll und führt zudem zu einer administrativen Erleichterung für die BNetzA in Abschaltverfahren nach § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG. Im Rahmen eines einheitlichen und gleichmäßigen Verfahrens kann sie nämlich ihr Ermessen standardisiert ausüben.

An den Störer hat daher die Mitteilung zu ergehen, dass er als Nutzer der Rufnummer sich rechtswidrig verhalten habe, verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen. Die Abschaltverfügung hat zunächst zu unterbleiben. Damit ist eine Abschaltung der Rufnummer freilich nicht ausgeschlossen. Setzt der Nutzer der Rufnummer sein Tun fort, darf die BNetzA die Abschaltung der Rufnummer in der Regel verfügen.

Demnach hätte die BNetzA in den vorliegenden Fällen, in denen nach ihren Feststellungen Werbefaxschreiben ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung der Adressaten versendet worden sind, dem Antragsteller eine Rufnummernabschaltung als milderes Mittel androhen müssen. Dass der Antragsteller, wie die BNetzA mit ihrem Schriftsatz vom 29. Juli 2010 vorgetragen hat, in weiteren Fällen ohne Einwilligung der Adressaten ein Werbefaxschreiben versendet habe, lässt die Notwendigkeit der vorherigen Androhung nicht entfallen. Den in den Jahren 2005 und 2009 erfolgten Versendungen hat die BNetzA bei Erlass ihrer Abschaltverfügung selbst keine Bedeutung beigemessen und diese nicht zum Gegenstand des Bescheids gemacht.

Bewertung:

Auch wenn der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall erfolgreich gegen die Rufnummernabschaltung vorgegangen ist, zeigt die Entscheidung des OVG Münster doch eindrucksvoll die neuen Befugnisse der BNetzA auf. Das Gericht bekräftigt dabei die generelle Verpflichtung der BNetzA zum Einschreiten gegen die unrechtmäßige Verwendung von Rufnummern zu Werbezwecken, und stellt klar, dass § 67 Abs. 1 TKG angesichts einer massenhaften Versendung unerwünschter Telefaxschreiben, zum Zwecke des Kundenschutzes geschaffen wurde und damit grundsätzlich jegliche Verstöße bei der Nummernnutzung durch die BNetzA zu verfolgen sind.

Die in § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG vorgesehene Möglichkeit der "Abschaltung einer Rufnummer" ist nach Ansicht des Senates jedoch nur dann ohne vorherige „Warnung" des Nummerninhabers gerechtfertigt, wenn die unrechtmäßige Verwendung einer Mehrwertdiensterufnummer oder ähnliches vorliegt. In allen anderen Fällen ist eine regelhafte und sofortige Abschaltung der Rufnummer hingegen nicht möglich. Vielmehr kommt hier der Verhältnismäßigkeit einer sofortigen Abschaltung besondere Bedeutung zu, weswegen die BNetzA in diesen Fällen verpflichtet ist dem Rufnummerninhaber eine Rufnummernabschaltung als milderes Mittel anzudrohen bevor sie eine Abschaltung tatsächlich vornimmt.

Dr. Robert Kazemi

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