19
Apr 2016

Sind wir bald alle zur außergerichtlichen Streitschlichtung verpflichtet? – Was das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) für Freiberufler bedeutet…

Bereits am 9. Januar 2016 ist die EU-Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (EU-Verordnung Nr. 524/2013) in Kraft getreten, nur einen Monat später wurden die hier normierten Bestimmungen bereits einem Unternehmer zum Verhängnis. Das LG Bochum (LG Bochum Urt. v. 09.02.2016, Az.: I-14 O 21/16) erließ eine Einstweilige Verfügung, weil die in der Verordnung vorgeschriebenen Hinweise nicht leicht auffindbar vorgehalten wurden. Die neue Verordnung verpflichtet in der EU niedergelassene Unternehmer, die Online- Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen dazu, auf ihren Websites sowie, falls das Angebot über E-Mail erfolgt, in dieser E-Mail einen Link zu der neu eingerichteten sog. OS-Plattform einzustellen, über die Auseinandersetzungen zwischen Verbrauchern und Unternehmern im Online-Handel außergerichtlich beigelegt werden können. Die OS-Plattform ist unter der Zieladresse: http://ec.europa.eu/odr erreichbar. Auch wenn die EU-VO 524/2013 allgemein für großes Aufsehen gesorgt hat, war ihre Beachtung für Freiberufler nicht von Bedeutung, denn die Verordnung findet nur bei Streitigkeiten über  vertragliche  Verpflichtungen  aus  Online-Kaufverträgen  oder  Online-Dienstleistungsverträgen Anwendung. Unternehmer, die derartige Verträge online abschließen, sind – verlangt es ein Verbraucher – zur Teilnahme an der Online-Streitbeilegung verpflichtet. Nachdem Ärzte, Zahnärzte, Steuerberater und andere Freiberufler schon aus berufsrechtlichen Gründen in aller Regel keine Online-Dienstleistungsverträge abschließen, konnte die Verordnung unbeachtet gelassen werden.

Seit dem 01.04.2016 kommt nun erneut Bewegung in den Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung: Das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (VSBG) ist in Kraft getreten!  Anders als die EU-Verordnung 524/2013 findet das Gesetz grundsätzlich auf alle Verbraucherverträge und ihre Abwicklung Anwendung. Der Verbrauchervertrag ist legal definiert als Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§ 310 Abs. 3 BGB) und damit auch bei Verträgen zwischen Freiberuflern und Verbrauchern gegeben. Eine Bereichsausnahme sieht das Gesetz nicht vor.  Müssen nun auch Freiberufler zwanghaft in die Streitschlichtung?

Zumindest hier kann (vorerst) Entwarnung gegeben werden. Denn das Gesetz selbst normiert keine generelle Verpflichtung zur Teilnahme an außergerichtlichen Streitbeilegungen, sondern verweist seinerseits nur auf entsprechende Verpflichtungen in anderen Gesetzen. Zwar sehen nahezu alle freiberuflichen Stände ein Streitschlichtungsverfahren – meist in Zusammenhang mit Honorarfragen (bei Ärzten über die sog. Gutachterkommission auch in Fällen vermeintlicher Behandlungsfehler) vor (bspw. § 6 Abs. 1 Heilberufsgesetz NRW, § 191 BRAO, § 76 Abs. 2 Nr. 3 StBerG), doch ist die Teilnahme (für den Freiberufler) hier grundsätzlich nicht verpflichtend. Nur dort, wo eine derartige gesetzliche Verpflichtung und/oder eine freiwillige „Unterwerfung“ des Freiberuflers dahingehend, sich außergerichtlichen Streitschlichtungen zu stellen, besteht, muss das VSBG beachtet werden. Warum dann also dieser Beitrag?

Ganz so einfach – wie es scheint – ist es leider nicht. Denn das VSBG normiert in §§ 36, 37 allgemeine Informationspflichten zur außergerichtlichen Streitbeilegung, die grundsätzlich von allen Unternehmern und damit auch von denen, die keiner gesetzlichen Verpflichtung zur außergerichtlichen Streitbeilegung unterfallen, einzuhalten sind.

Hiernach hat jeder Unternehmer, der eine Webseite unterhält, den Verbraucher darüber zu informieren, ob er bereit oder verpflichtet ist, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Nachdem eine Verpflichtung – wie beschrieben – bislang nicht besteht, konzentriert sich die Informationsverpflichtung des Freiberuflers darauf, mitzuteilen, ob er bereit ist gleichwohl an einer außergerichtlichen Streitschlichtung teilzunehmen oder nicht. Diese Informationspflicht trifft zunächst jeden Unternehmer. Dies bedeutet, auch der Arzt, Zahnarzt, Steuerberater oder Rechtsanwalt muss grundsätzlich eine entsprechende Information auf seiner Webseite bereithalten. Will er sich der außergerichtlichen Streitschlichtung stellen, treffen ihn weitere Informationspflichten, will er dies nicht, so muss er hier ebenso Farbe bekennen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll so „sanfter Druck“ zur Teilnahme an der außergerichtlichen Streitschlichtung aufgebaut und auch derjenige zur Teilnahme bewogen werden, den gerade keine (!) gesetzliche Verpflichtung hierzu trifft. Zugegeben, die Aussage „An außergerichtlichen Streitschlichtungen im Sinne des VSBG nehmen wir generell nicht teil.“, kann für den unbedarften Besucher eines Webangebotes abschreckender klingen, als ein Satz à la „Die Ärztekammer XY hat einen Streitschlichtungsausschuss sowie eine Gutachterkommission eingerichtet, die von Patientinnen und Patienten bei Zweifeln an der Richtigkeit unserer Leistungen angerufen werden können. Obgleich die Teilnahme für uns als Ärzte freiwillig ist, stellen wir uns auf Ihren Wunsch hin, auch einem solchen Verfahren. Denn, wer gewissenhaft arbeitet, der hat auch hier nichts zu befürchten“. Vielleicht also wird das Ansinnen des Gesetzgebers Früchte tragen.

Abmahnungen drohen

Was jedoch in jedem Fall sicher ist, wer die Informationen über seine Bereitschaft zur Teilnahme nicht vorhält, dem drohen kostspielige Abmahnungen. Sicher ist auch, die „Abmahnindustrie“ wird sich auf das neue „Geschäftsfeld“ vorbereiten. Wer hier nicht handelt, der ist also selber schuld.

Handlungspflichten ab 01.02.2017

Noch besteht indes kein akuter Handlungsbedarf, denn die Informationspflichten treten erst ab dem 01.02.2017 in Kraft. Vorher muss nicht gehandelt werden. Gleichwohl sollte der Termin rot im Kalender notiert werden, um hier nichts zu verpassen. Einzig kleine freiberufliche Praxen können gänzlich aufatmen, denn diese trifft die Informationspflicht auch zum 01.02.2017 nicht. Diese findet nämlich generell auf Unternehmer, die am 31. Dezember des vorangegangenen Jahres zehn oder weniger Personen beschäftigt hatten keine Anwendung. Vorsicht aber, wer am 31.12.2016 noch 10 Mitarbeiter hatte, am 01.01.2017 aber nicht mehr, der hat die Information – jedenfalls im Jahre 2017 – gleichwohl bereit zu halten.

Wir werden unsere Mandanten rechtzeitig noch einmal auf die Umsetzungsfrist hinweisen.

Ihr

Dr. Robert Kazemi

Zurück