VGH Baden-Württemberg: „Ware Geschenkt, wenn es regnet“ - Zu den Anforderungen an ein erlaubnispflichtiges Glücksspiel
Die Klägerin betreibt in B. ein Einrichtungshaus. Unter dem Slogan „Sie bekommen die Ware geschenkt, wenn es am .... regnet" plante die Klägerin eine Werbeaktion. An dieser Aktion konnten sich Kunden beteiligen, die innerhalb des Aktionszeitraums bei der Klägerin Waren in einer Kaufpreishöhe von mindestens 100 EUR beziehen. Sollte es an einem festgelegten Stichtag ungefähr drei Wochen nach der Teilnahme zwischen 12 und 13 Uhr am Flughafen Stuttgart amtlich festgestellt mindestens 3 ml/qm regnen, so sollten die Teilnehmer den Kaufpreis in voller Höhe zurückerstattet erhalten. Mit Schreiben vom 04.08.2011 wandte sich die Klägerin erstmalig an den Beklagten und bat um Bestätigung, dass es sich bei der von ihr geplanten Werbeaktion nicht um ein Glückspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) handelt. Mit Schreiben vom 12.08.2011 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass es sich bei der Aktion um ein öffentliches Glücksspiel in Form von Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt eines zukünftigen Ereignisses i. S. v. § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV handele, das mangels Erlaubnisfähigkeit gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV verboten sei. Die Teilhabe an der Gewinnchance setze die Entrichtung eines Kaufpreises in Höhe von mindestens 100 EUR voraus, so dass der Kaufpreis für diesen Einkauf ein Entgelt im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV darstelle.
Die Entscheidung:
Bereits das VG Stuttgart teilte die Ansicht der Glücksspielaufsicht nicht. Nach Ansicht des VG stelle die „Kaufpreiszahlung" gerade kein Entgelt für die Teilnahme an einem Glücksspiel (Einsatz) dar. Dies setzte nämlich voraus, dass der Kunde seine grundsätzliche Kaufentscheidung zumindest zusätzlich in der Absicht trifft, dass er mit seinem Kauf eine Gewinnchance erwirbt und nicht wesentlich daran orientiert, dass er Möbel bzw. Waren im Wert von mindestens 100,- EUR kauft. Da die Teilnahme am Gewinnspiel als sog. Dreingabe zum Inhalt der von der Klägerin angebotenen Leistung gehöre, sei sie jedoch kalkulatorisch nicht von der Preisgestaltung zu trennen und solle lediglich eine zusätzliche Anziehungskraft für den Erwerb der Ware beinhalten. Sie beinhalte daher nicht den zusätzlichen gezielten Erwerb einer Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel. Das ergäbe sich daraus, dass dem jeweiligen Verbraucher keine Gewinnmöglichkeit eröffnet werde, die den Wert der Ware übersteige. Es handelt sich vielmehr um ein mit dem Kauf verknüpftes zusätzliches Leistungsangebot, nicht jedoch um eine zusätzlich eingeräumte gesonderte Gewinnchance.
Der VGH Baden-Württemberg hat diese Einschätzung des VG Stuttgarts nunmehr bestätigt. In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:
„Ein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages setze voraus, dass im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt werde und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhänge. Danach seien Wetten gegen Entgelt auf den ungewissen Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses zwar Glücksspiele. Die Klägerin verlange aber kein Entgelt für den Erwerb der Gewinnchance. Ihre Kunden entrichteten den Kaufpreis nur für die zu erwerbende Ware, nicht aber auch für die Teilnahme am Gewinnspiel. Der Kaufvertrag stehe im Vordergrund. Die Teilnahme an der Werbeaktion sei nur gegebenenfalls Folge des Einkaufs, wenn sich die Wetterprognose bestätigen sollte. Die Kunden seien an der Gewinnaktion nur beteiligt, wenn sie ihren Gewinn "aktivierten", indem sie ihn geltend machten. Auf ihre Motive für den Erwerb der Waren komme es insoweit nicht an. Die Klägerin habe zudem unwidersprochen vorgetragen, dass ihre Preise im Aktionszeitraum unverändert blieben. Die Gewinnchance werde somit nicht - wie vom Beklagten befürchtet - in den Warenwert eingepreist.
Aus dem Begriff des "Entgelts" im Glücksspielstaatsvertrag folge entgegen der Ansicht des Beklagten nichts Anderes. Dessen Glücksspielbegriff sei mit demjenigen des Strafrechts (§ 284 Strafgesetzbuch) deckungsgleich. Danach müsse die Gewinnchance im Sinne eines "Einsatzes" gerade aus dem Entgelt selbst erwachsen. Daran fehle es hier ebenfalls. Denn der Kunde leiste das Entgelt für die Möbel und nicht unmittelbar für die Gewinnchance. Die Vermutung des Beklagten, die Ware sei im Blick auf die Werbeaktion teurer, sei durch nichts belegt.
Schließlich werde die Gewinnchance auch nicht, wie es der Glücksspielstaatsvertrag voraussetze, im Rahmen eines Spieles, sondern im Rahmen eines Kaufvertrages erworben. Damit sei schon der Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages nicht eröffnet. Andernfalls würde der Beklagte nicht mehr ordnungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Glücksspielaufsicht, sondern unter wettbewerbs- und verbraucherschutzrechtlichen Vorgaben tätig."
Bewertung:
Die Entscheidung ist folgerichtig und zu begrüßen. Sie setzt dem Regulierungswahn im Glücksspielwesen deutliche Grenzen und zeigt, dass nicht jede Form innovativer Absatzförderung zugleich mit allen erdenklichen Mitteln bekämpft werden muss. Nach wie vor offen ist jedoch, ob es am geplanten Stichtag nun tatsächlich geregnet hat oder nicht.
Dr. Robert Kazemi