VGH Bayern: Verbot von Sportwetten und Sportwettenwerbung im Internet in Bayern rechtmäßig
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH Bayern) ist eine Bank, wenn es um die Verteidigung des verfassungs- wie europarechtlich äußerst bedenklichen Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) und seiner einzelnen Regelungen geht. Dies bestätigt die jüngste Entscheidung des VGH Bayern, die zumindest in Staatskreisen frenetisch gefeiert wird (siehe nur die PM der Regierung von Mittelfranken vom 06.08.2009 - abgedruckt bei ISA Casinos).
In der Entscheidung des VGH ging es wieder einmal um die Frage der Reichweite des Verbotes der Bewerbung, Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten über das Internet, insbesondere um die Frage, ob die Glücksspielaufsichtsbehörde eines Bundeslandes (hier Bayern) berechtigt ist, eben jene vorgenannten Tätigkeiten eines im EU-Ausland ansässigen und dort zugelassenen (!) Sportwettenanbieters für das Gebiet ihres Bundeslandes - und damit faktisch insgesamt - zu untersagen. Nicht überraschend, aber dennoch rechtsfehlerhaft, antwortet der VGH Bayern auf diese Frage mit einem klaren „JA".
Die Begründung zeugt aus hiesiger Sicht vor allem von Unverständnis der technischen Voraussetzungen des Internets, der Reichweite der Entscheidungskompetenzen nationaler Behörden und Gerichte sowie einer Verkennung der europarechtlichen Vorgaben.
In seiner Entscheidung vom 22.07.2009 (Az. 10 CS 09.1184 und 10 CS 09.1185) führt der VGH aus:
„Mit dem räumlich beschränkten Verbot eines Internetinhalts wird dem Betroffenen im Wesentlichen das Unterlassen eines Rechtsverstoßes, der schon mit der Eröffnung der Webseiten begangen wird, aufgegeben. Auf welche Weise er der Anordnung, Rechtsverstöße gegen eine landesrechtliche Vorschrift zu unterlassen, nachkommt, kann in zulässiger Weise dem Verpflichteten selbst überlassen werden (vgl. BVerwG vom 5.11.1968 BVerwGE 31, 15/18; Drews/Wacke/Vogel/Martens Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 428). Mit dem Verbot, im Internet Glücksspiele zu veranstalten und zu vermitteln und für Glücksspiele im Internet zu werben, ist kein Gebot verbunden, diese Internetauftritte im Bereich anderer Länder aufrecht zu erhalten. Der Verpflichtete kann der räumlich beschränkten Untersagung folglich dadurch nachkommen, dass er den Internetinhalt ganz, d.h. räumlich unbeschränkt, entfernt. Er kann aber auch versuchen, seinen Internetauftritt mit Hilfe sog. Geolokalisationstechnologie so zu beschränken, dass sie von Internet-Nutzern in dem betreffenden Bundesland nicht mehr abgerufen werden kann. Das bleibt ihm überlassen und fällt nicht unter den Regelungsgehalt der angefochtenen Maßnahme. Sollte dieser technische Weg beim derzeitigen Stand der Technik nicht mit hinreichender Genauigkeit möglich sein, führt dies allerdings nicht zur technisch bedingten Unmöglichkeit der Gebotsbefolgung. Denn dem Betroffenen bleibt in diesem Fall stets der zuerst genannte Weg der vollständigen Löschung des untersagten Internetinhalts. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof schließt sich - auch unter Berücksichtigung der Kritik der Antragstellerin im Schriftsatz vom 26. Juni 2009 S. 5/12, die den Beschluss anders interpretiert als der Senat - der Rechtsauffassung des Nordrhein-Westfälischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. vom 22.2.2008 ZfWG 2008, 122) an, dass es eine Frage der Zumutbarkeit ist, ob von dem Verpflichteten im Einzelfall wegen eines Verstoßes gegen eine landesrechtliche Vorschrift auch das völlige Löschen des Internetinhalts verlangt werden kann."
Wie eine aktuelle Studie der TU Dresden verdeutlicht lassen sich Internetangebote nur dann vollständig sperren, wenn Dritte am Zugänglichmachen der Maßnahme kein Interesse haben. Die Sperren sind zudem nur dann effektiv und durchführbar, wenn sie sich an die Access-Provider richten. Soll ein Internetangebot daher von bestimmten Nutzern nicht mehr aufgerufen werden können, müsste neben dem eigentlichen Inhaltsanbieter und dessen Hoster auch auf die Betreiber von Spiegeln und Archiven Einfluss genommen werden.
„Insbesondere da letzte aber genau das Zugänglichmachen von Inhalten als Ziel verfolgen, müssen restlos alle diese Dienste entweder ebenfalls gesperrt werden oder von der Sperrung überzeugt werden. Letzteres lässt sich wiederum technisch nicht erreichen", heißt es in der ausführlichen Studie der TU Dresden.
Die Annahme des VGH ist damit schlicht unzutreffend und verkennt die technischen Möglichkeiten sowie den Einfluss des Sportwettenanbieters auf das Internet im Gesamten. Bereits aus diesem Gesichtspunkt erscheint das Urteil als rechtsfehlerhaft.
Unbeachtet lässt der VGH auch das Rechtsgutachten zu „Sperrverfügungen im Internet" des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht zum Pressefachgespräch der Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) aus dem Jahr 2008. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass
„der Bundes- und die Landesgesetzgeber [bei der Regulierung von entsprechenden Sperrmaßnahme] allerdings übersehen [haben], dass die Umsetzung zahlreicher Sperrtechnologien aufgrund ihrer Analyse der vom Nutzer übermittelten IP-Adressen, Port-Nummern und URLs in das Fernmeldegeheimnis eingreift. Der Gesetzgeber hat deswegen nicht normiert, ob und inwieweit zur Erlangung von Daten über das für die Geschäftserbringung erforderliche Maß hinaus oder durch eine Aufhebung der Zweckbindung bei einer Verwendung von zur Diensteerbringung benötigten Daten in das Fernmeldegeheimnis eingegriffen werden darf. Dabei hat er nicht nur gegen die Zitiergebote von Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG und § 88 Abs. 3 Satz 3 TKG verstoßen, da er für die Sperrverfügungen an keiner Stelle die Möglichkeit einer Einschränkung des Fernmeldegeheimnisses erwähnt. [...]
Die geltende Rechtslage erlaubt damit gegenwärtig keine Sperrmaßnahmen, die in das Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG, § 88 TKG eingreifen. Damit scheiden auf der Grundlage der geltenden Rechtslage alle Maßnahmen - einschließlich der hybriden Techniken - aus, die auf der Analyse von IP-Adressen, Port-Nummern, URLs oder Inhaltsdaten im Rahmen einer Internetkommunikation beruhen."
Mit diesen Bedenken befasst sich der VGH Bayern ebenfalls nicht bzw. wischt diese mit dem schon als wagemutig anmutenden Hinweis auf vermeintliche „Zumutbarkeitskriterien" beiseite.
Schließlich überzeugt auch die Auffassung des VGH zur Reichweite des Internetvermittlungs- und Werbeverbotes nicht.
Die internationale Tatortzuständigkeit deutscher Gerichte muss restriktiv gehandhabt werden. Der EuGH betont immer wieder, dass die besonderen Gerichtsstände nicht ausufern dürfen und dass der allgemeine Gerichtsstand nach Art. 2 Abs. 1 EuGVO seine Bedeutung als zentraler Gerichtsstand behalten soll. An den geforderten Inlandsbezug sind daher erhöhte Anforderungen zu stellen. Denn wäre Internetnutzung der nationalen Rechtsordnung unterworfen, so würde dies zu einer uferlosen Ausdehnung des Schutzes nationaler Rechtsbestimmungen und - im Widerspruch zur Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG - zu einer unangemessenen Beschränkung der Selbstdarstellung ausländischer Unternehmen führen. Um die damit einhergehenden erheblichen Beschränkungen der Nutzungsmöglichkeiten des Internets zu vermeiden, ist hier eine restriktive Anwendung des deutschen Sachrechts geboten.
Dr. Robert Kazemi