18
Apr 2010

Zu den Grenzen der namentlichen Berichterstattung über die Tätigkeiten Dritter – von „Zahnersatz ohne Zuzahlung“, „Anwälten“ und mehr

In letzter Zeit häufen sich Prozesse in denen darüber zu befinden ist, ob eine namentliche Berichterstattung über bestimmte öffentlichkeitsrelevante Vorgänge zulässig ist oder nicht. Auch der Unterzeichner ist in den letzten Monaten mit zahlreichen derartigen Prozessen befasst gewesen. Hier geht es zumeist darum, dass Unternehmen, die sich im Markt - gerichtlich festgestellt - unlauter verhalten haben, etwas dagegen haben, dass diese Tatsache über die Türen des Gerichtssaales hinaus, an die breite Öffentlichkeit gelangt. Nicht wenige der „ertappten" Unternehmen suchen danach, die Informationsvermittlung auf gerichtlichem Wege zu unterbinden. Zumeist, und solange sich die Berichterstattung an den gerichtlich festgestellten Tatsachen orientiert, ohne Erfolg. Dass auch Kollegen unserer Zunft zeitweilen etwas gegen die Bekanntgabe ihrer Tätigkeit als Bevollmächtigte bestimmter Mandanten haben, zeigt ein aktuelles Urteil des Kammergerichts (KG) Berlin vom 18.03.2010 (Az. 10 U 139/09).

Der Fall:

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, wandte sich gegen eine kritische Wortberichterstattung zu seiner Person, in der auf einen in der Zeitschrift "M" veröffentlichten Artikel Bezug genommen wurde, in dem der Kläger als einer der nationalen Top-Anwälte für Persönlichkeitsrecht erwähnt und für seine Erfolge gelobt wird. Die Beklagten kritisieren demgegenüber, dass der Kläger etwa für seinen Mandanten Joschka Fischer wegen der Veröffentlichung harmloser Fotos Schmerzensgeld beanspruchen würde und er nicht nur für das Persönlichkeitsrecht anderer streite, sondern auch die Persönlichkeitsrechte der Anwälte der eigenen Sozietät mit großem Aufwand verteidige. Belegt wurde dies mit dem Hinweis auf einen konkreten Fall, an dem der klagende Rechtsanwalt beteiligt war.

Die Entscheidung:

Das KG wies die Unterlassungsklage des Rechtsanwaltes nunmehr ab; die Berichterstattung betreffe ihn nicht als Person in seiner Intimsphäre, sondern nehme vielmehr auf seine berufliche Tätigkeit Bezug und betreffe daher die Sozialsphäre.

In diesem Bereich muss dem Einzelnen zwar grundsätzlich die Bestimmung darüber vorbehalten bleiben, welcher Öffentlichkeit er personal vorgestellt wird. Der Lebens- und Entfaltungsraum der Persönlichkeit wäre übermäßig eingeengt, wenn sie der steten Gefahr konfrontiert wäre, einer breiteren Öffentlichkeit ausgesetzt zu werden als jener, die sie im sozialen Kontakt gesucht hat (BGH NJW 1981, 1366 - Wallraff II). Einschränkungen für das Bestimmungsrecht können sich allerdings insbesondere daraus ergeben, dass der Betroffene in einem Wirkungsfeld auftritt, das nicht ihm allein gehört, sondern an dem andere mit ihren schutzwürdigen Interessen ebenso teilhaben. Vor allem Bedürfnisse der Allgemeinheit, dieses Wirkungsfeld als solches zur öffentlichen Erörterung und Kritik zu stellen, könne es rechtfertigen, mit ihm auch die in ihm tätigen Personen in die Öffentlichkeit zu rücken, insoweit drückt sich die Sozialbindung des Individuums in Beschränkungen seines Persönlichkeitsrechts aus (vgl. BGH a.a.O.).

Bei der Darstellung der beruflichen Tätigkeit ist der Einzelne zwar ebenfalls auf einen Mindestbestand an Schutz vor der Öffentlichkeit angewiesen, ohne den seine Persönlichkeit sich auch in diesem Bereich nicht frei entfalten kann. Dieser Schutz reicht aber nicht so weit, dass der Betroffene gegenüber Kritik abgeschirmt wäre. Soweit er Vorgänge zu vertreten hat, muss er es hinnehmen, im Zusammenhang damit genannt zu werden. Der Schutz bleibt dann auf die Verpflichtung des Kritikers zur Wahrheit beschränkt (vgl. BGH a.a.O.). Wie der BGH in einer Entscheidung vom 21. November 2006 (NJW-RR 2007, 619 = GRUR 2007, 350) betont hat, muss sich der Einzelne im beruflichen Bereich wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit für andere hat, von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit einstellen.

Bewertung / weitere aktuelle Entscheidungen:

Die Entscheidung des KG ist konsequent und folgerichtig. Sie trägt, wie andere Entscheidungen der vergangenen Monate, zu einer Stärkung der Meinungsfreiheit bei und rückt die Bedeutung des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit in die richtige Position. Wer sich Wirtschaftsleben bestätigt, setzt sich in erheblichem Umfang der Kritiken seiner Leistungen aus. Zu einer solchen Kritik gehört auch die Namensnennung. Die Öffentlichkeit hat in solchen Fällen ein legitimes Interesse daran zu erfahren, um wen es geht.

Ähnlich der Entscheidung des KG haben sich auch das Landgericht (LG) Münster (Az. 022 O 28/10) und das Landgericht (LG) Düsseldorf (Az. 38 O 20/10) in zwei durch den Unterzeichner auf Beklagtenseite geführten Verfahren positioniert. In beiden Verhandlungen ging es um die Thematik des „Zahnersatzes ohne Zuzahlung" und die kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema unter Namensnennung der mit diesem Werbeslogan auf Kundenfang gehenden Unternehmen.

Eine geschäftsschädigende aber wahrheitsgemäße Behauptung durch Unterrichtung von Dritten über die geschäftlichen Verhältnisse von Mitbewerbern - etwa im Wege der Überlassung von Gerichtsurteilen an diese Mitbewerber - ist zulässig, wenn der Wettbewerber einen hinreichenden Anlass zu der Behauptung besitzt, und sich die Kritik nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen hält. Wer aktiv im Wirtschaftsleben handelt und sich im Rahmen dieses Handelns der Kritik von Mitbewerbern durch wahrheitsgemäße Angaben ausgesetzt sieht, kann sich ersichtlich jedenfalls nicht auf die wesentlich strengeren Grundsätze berufen, die die Rechtsprechung für den Schutz der Intim- und Privatsphäre entwickelt hat.

Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung muss zudem stets auch das Informationsinteresse der Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer sowie der verfassungsrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit berücksichtigt werden. Insoweit genügt es gerade nicht, den rufschädigenden Effekt einer Berichterstattung unter Namensnennung zu behaupten, da sich diese als gerechtfertigt erweisen kann. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Ausstrahlung der Grundrechte. Der Handelnde  kann sich neben Art. 12 GG auch auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen, der auch kommerzielle Meinungsäußerungen sowie reine Wirtschaftswerbung mit wertendem, meinungsbildendem Inhalt schützt. Kritische Äußerungen sind demnach zulässig, wenn sie Verbrauchern oder anderen Marktteilnehmern für ihre Nachfrageentscheidungen nützliche Informationen bieten und den guten Ruf des betroffenen Mitbewerbers nicht stärker beeinträchtigen als zur Information der Marktteilnehmer erforderlich. Entscheidende Kriterien sind demnach die Nützlichkeit der Information aus Abnehmersicht und das Maß der Herabsetzung, die ein „bewegliches System" bilden: Je nützlicher die Information, je sachlicher ihre Präsentation, je geringer das Maß der Herabsetzung, desto eher ist die kritische Äußerung zulässig. Das Vorverhalten des namentlich benannten kann dabei in die Abwägung einfließen und eine großzügigere Beurteilung rechtfertigen (vgl. zur Zulässigkeit von Zitaten aus E-Mails: BVerfG, Beschluss v. 18.02.2010, Az. 1 BvR 2477/08; zu Zulässigkeit der Berichterstattung über mögliche Stasi-Tätigkeit: OLG Hamburg, Urteil v. 20.03.2023, Az. 7 U 95/09)

Dr. Robert Kazemi

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